Demut, Mut und Übermut - an beiden Enden des Seils
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Nach Fromm (Die Kunst des Liebens) ist Demut die der Vernunft und Objektivität entsprechende emotionale Haltung als Voraussetzung der Überwindung des eigenen Narzissmus.
Nach Siegbert Warwitz ist Demut, verstanden als „Mut zum Dienen“, „Bereitschaft zur Unterordnung“, eine Variante der Charaktereigenschaft Mut: In der Trias „Hochmut-Mut-Demut“ bildet sie den positiv besetzten Kontrapunkt zu der negativ konnotierten Erscheinung des Hochmuts. Im Sinne von „Bescheidenheit“ steht sie damit der „Arroganz“ diametral gegenüber. Demut kann sich im Wagnisbereich in der Akzeptanz einer die eigenen Kompetenzen übersteigenden schwierigen oder gefährlichen Anforderung offenbaren. Sie kann sich in der Zurücknahme vor einer übermächtigen Natur oder in der Verbeugung vor der größeren Leistung eines Kontrahenten zeigen
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Neulich im Lala-Land…
… nach einer sehr schönen Seilbegegnung. Sie sagt: Oh schau mal, die Ropemarks bleiben mir wohl länger erhalten. Und ein Blick reicht, um zu sehen: Jepp, das stimmt wohl. Ich entschuldige mich und höre: Aber nein, ich mag das doch! Das weißt du.
Das war der Moment, in dem mein Seilflash endgültig beendet war. Und in dem die Überlegungen begannen, die in diesem Text enden.
Ich ecke oft an, weil ich eine Meinung habe und diese auch dann äußere, wenn sie unpopulär ist. Und ich kritisiere verschiedene Dinge - wie beispielsweise die Überheblichkeit und den Übermut vieler Rigger. Und dann kommt eben diese Situation. Und jetzt frage ich mich, ob ich auf dem Weg bin, genau dahin zu gehen, wo ich so gerne kopfschüttelnd hinsehe.
Es war ein sehr geiles fesseln, ich fühlte mich hervorragend. Mein Bunny war gut drauf, ich konnte hören und spüren, das es ihr gut ging. Und natürlich habe ich mich auch aktiv rückversichert. Es war einfach eine sehr intensive Session. Das Seil lief, eins ums andere, hier ein Tsuri, da noch eine wenig mehr Spannung, dort noch eine Restriktion. Es war toll und ich war einfach grandios! Ein absolut großartiger Fessler… Oder?
Nach dem Rausch dann der Kater. Es waren kleine Blessuren und sie waren nach 3 Tagen wieder völlig weg. Es gab keine tauben Gliedmaße, kein Blut, nix was eigentlich der Rede wert ist. Außer… Ich wollte diese Ropemarks nicht. Ich war einfach zu übermütig und dadurch habe ich mich mitreißen lassen. Bin über das Ziel hinaus geschossen und habe mich selbst überholt.
"Ja was hat der Bub denn? Is doch nix passiert!" "Haja, so was bassiert halt emol!" "Komm, gehört doch dazu!" oder eben was meine Fesselpartnerin sagte: "Aber nein, ich mag das doch! Das weißt du." - Ja so kann man das sehen. Und damit den ersten Schritt machen auf dem Weg zur eigenen Haltung, die mit Übermut sehr gut beschreibbar ist. Übertreibe ich? Mag sein. Bin ich zu streng zu mir? Hoffentlich! Sollte ich das alles mal etwas lockerer sehen? Äh… Nein!
Wenn sich ein Mensch in mein Seil begibt, dann beweist er einen großen Mut zur Hingabe und vertraut mir. Und wenn er das tut, dann sollte ich dieses Geschenk vorsichtig behandeln. Und nur damit keine falsche Vorstellung aufkommt: Das beinhaltet auch gerne forderndes, schmerzhaftes Spiel und wenn gewünscht auch Spuren. Ich liebe Semenawa und verstehe durchaus die reinigende Wirkung von Schmerz. Darum geht es nicht.
Ich spreche darüber, das ich mich gefälligst ständig selbst hinterfrage, um nicht auf einen gefährlichen Weg zu gehen. Übermut führt zu Überschätzung und nur ein oder zwei Schritte weiter dann zur Hybris. Und ja, ich habe bei diesem Satz ein paar Gesichter vor meinem inneren Auge, an die ich besonders denke.
Für mich hat es im großen nichts geändert, diesen Denkprozess hinter mich zu bringen. Im kleinen aber schon. Da hat es mich gemahnt, noch vorsichtiger zu sein und mit Demut jedes Seil zu nehmen um nach einem kleinen "Ups" möglichst kein größeres erleben zu müssen.
Ja, fesseln ist gefährlich. Ich sage ganz oft: Es ist nicht die Frage, ob ein Rigger sein Bunny verletzt sondern lediglich wann! Und ich stehe zu diesem Satz. Aber sowohl das "wann" als auch das Ausmaß hängt meiner Meinung nach entscheidend davon ab, wie viel Demut da ist, um dem Übermut entgegen zu wirken.
Beste Grüße,
DerDichter