Spinnweben der Lüfte
."Hol mal den schwarzen Rucksack, er steht im Flur!"
Augenverdrehend tapse ich barfuß, eben noch bei ihm kuschelnd von der Couch los und schnappe mir der Rucki. Ganz schön schwer denke ich, was hat er da bloß alles drin?
Neugierig schaue ich auf den ersten Beutel und auf einen großen Edelstahlring an dem, so erklärt er mir, die Anbauteile aus Bergsteigerkarabinerhaken und einem Wirbel befestigt sind.
Sieht wirklich robust und einladend aus, das Metall fühlt sich kalt, gläzend glatt an.
Meine Neugier lenkt sich dann auf den Beutel und den Inhalt.
8 in sich verschlungene Seile sind darin. Ich hole eines davon heraus und schaue es mir an, während meine Fingerkuppen über die verdrillten Juteschnüre streicheln.
In meinen Gedanken stelle ich mir gerade vor, wie ich ihm dieses Seil umlege. Meine Fantasie überschlägt sich unvermittelt und wird jäh ausgebremst, als meine, nach Ihm greifenden Hände, abgewiegelt werden. Anscheinend habe ich das Seil falsch geöffnet und seine Ordnung durcheinander gebracht.
Herrlich, ich muß schmunzeln, kichern und kann mir einen spitzbübischen Kommentar nicht verkneifen.
"Stell dich hin!"
"Aber ich wollte doch eigentlich ..."
"Zieh dich aus!"
Gierige Blicke wandern über meine Haut und hängen an meinen Brüsten, während ich das Kleid süffisant von den Schultern herabrutschen lasse.
"Mit dem Rücken zu mir, ja da, so!"
"Du machst nichts, nichts, es sei denn ich sage es dir oder ich drehe dich, dann wirst du dich mit einer Vierteldrehung hinstellen! Beine zusammen!"
Seine Worte sind bestimmend und präzise und lassen keinen Raum für Wiederworte.
Mein Herz schlägt von nun an schneller und lässt meinen Blutdruck vorwärts rasen.
Er nimmt erst die eine und dann die andere Hand, führt sie auf meine Rückenseite und verschlingt sie in das Seil.
Dann führt er es nach oben, zwei mal um meine Schultern herum und macht zwischen den Schulterblättern eine Verschlingung. Er geht um mich herum, fügt beide Seile in einem weiteren Knoten auf meinem Brustbein zusammen. Das sieht interessant aus.
"Kopf hoch, steh gerade!"
Verlegen und aufgebracht über die schafe Ansage ziehe ich die Luft ein und füge mich. Wie gern würde ich ihm den gefangenen Ellenbogen in die Seite stupsen.
Er dreht mich mal nach links, dann nach rechts und immer werden die Seile irgendwo hindurchgezogen oder verknotet.
Und dann, auf einmal wird der Zug heftig, es wird eng. Meine eben noch freie Beweglikeit beim Atmen wird nun deutlich eingeschränkt.
Durch diese Verschnürung drückt es überall.
Wie von selbst fallen meine Augenlieder zu und reduzieren meine Wahrnehmung nur noch auf das Fühlen der vibrierenden Seile, die über meine Härchen gleiten.
Als Hautfetischist mache ich gerade einen Senkrechtstart in den Himmel auf meine ganz eigene Wolke zu.
Das ist Genuss!
Auf mir breitet sich in Schüben eine Gänsehaut aus, die so schön ist, so herrlich erregend und meine Synapsen in ein rauschähnliches Hochgefühl versetzen.
Der Kontrast seiner warmen, weichen Finger und die Grobheit der kratzenden Seile ist wie eine Droge, ich kann garnicht genug davon bekommen.
Möge doch die Zeit jetzt anhalten und dieser Moment ewig wären.
Du hast einmal zu genau hingesehen und nun ruhen unsere augenlosen Blicke aufeinander.
Wir haben uns unsere Seelen wie in einem Spiegel offenbart, klar und verwundbar.
Das Siegel ist gebrochen-
Herr der Dunkelheit und Tochter der Nacht.
Du siehst mich,
so wie all die anderen Augen, nur niemals genug.
Wir müssen fliehen, wir wollen nicht erinnert werden an das, was war und das, was kommen wird.
Wir sind jetzt und in dieser, unserer eigenen kleinen Blase.
Abgehoben zwischen oben und unten.
Außerhalb der bodennahen Reichweite spüre ich dich rund um mich, du bist so nah.
Zarte Lippen auf den meinen lassen mich hier, zwischen Himmel und Erde, schweben.
Deine Fingerspitzen schnipsen an meinen Nippeln und sie richten sich dir flehend entgegen auf.
Es gibt kein Entkommen. Nein, ich will Dir nicht entkommen.
Du hältst mich mit Spinnweben der Lüfte und ich kann mich furchtlos fallen lassen.
Hier am Stützpunkt unserer Festung.
"Ich hoffe du hattest einen schönen Flug?"
"Ja, danke" stöhne ich, immernoch träumerisch in deinen Armen, während du die Seile über meine Haut rollen lässt.
"Halte mich einfach noch ein bißchen fest!" Sage ich, während ich meine Tentakel um dich schlinge.
Halbzeitteufel, September 2023