Bondagephilosophie - Probleme mit dem Wiedereinstieg
Hallo zusammen,mir schwirrt seit einigen Tagen immer klarer ein Thema durch den Kopf. Weil das immer konkreter wird dachte ich mir, vielleicht geht es anderen ja genauso:
Die Probleme mit dem Wiedereinsteig.
Dabei meine ich nicht einmal das Finden einer neuen Partnerin oder nur das rein technische wieder reinkommen in den Flow, sondern eine Mischung aus vielen Dingen, die genau dieses "wieder in den Flow kommen" blockieren kann.
Mir geht es um die generelle Frage:
Hattet ihr schon Probleme mit dem Wiedereinstieg?
Vielleicht gar Blockaden?
Eventuell Hemmungen, weil ihr vorher mit einer festen Partnerin, der romantischen Beziehungspartnerin etwa, über Jahre fesseltet und sich dieses Gefühl mit der Person verwob?
Hat es eventuell ganz andere Gründe gehabt?
Mein subjektiver Punkt - wer keine Lust auf einen langen Text hat kann hier überspringen
An dieser Stelle möchte ich nicht werten, wie es im Internet so gerne direkt, implizit oder auch nur unterstellt wird. Mir geht es nicht darum darzustellen, dass das Fesseln mit einer festen Partnerin grundsätzlich "tiefergehender" sei als wechselnde Fesselpartner:innen oder Fesselpartnerschaften. Bei mir ist es so und mir ist bewusst, dass das ein sehr subjektives Gefühl ist.
Mit dem Bondage, eher mit Shibari, verbinde ich ein Gefühl. Jaja, das sagen sie alle. Gleich kommt bestimmt ein Hoch auf die emotionale Tiefe, die nur Shibari bietet. Nicht. Denn darum geht es mir nicht. Mir geht es um mein Gefühl in Bezug zum Fesseln.
Vor Jahren habe ich mit wechselnden Partnerinnen gefesselt. Das war okay, als dem so war. Irgendwann habe ich bemerkt, dass ich eine gewisse emotionale Tiefe bei mir im Flow nicht erreiche, wenn der Mensch, den ich dort fessele wahlweise austauschbar ist oder, selbst wenn die Person keine austauschbare Fesselpartnerin auf einem Treff ist, sondern eine Freundin, die mir aber dennoch romantisch, oder wie immer man das nennen möchte, nicht nah ist. Neben dem Umstand dieser Erkenntnis habe ich auch aufgrund der negativen Erfahrung, die es mit sich bringt alle paar Monate eine neue Partnerin zu suchen, da Menschen auf einmal keine Lust mehr haben, jemand anderen fanden, keine Zeit mehr finden, etc. fast vollständig aufgehört zu fesseln. Ich war es schlicht leid immer wieder mit einem neuen Menschen, der genauso gut gleich wieder weg hätte sein können - was durchaus aus verschiedenen Gründen immer wieder passierte (heute hier, morgen da) oder mit dem mir das letzte i-Tüpfelchen fehlte, weil man sich primär zum Fesseln sah, selbst wenn man ansonsten auch platonisch befreundet war, beginnen zu müssen, denn mit jedem Menschen fühlt sich das Fesseln für mich anders an, hat einen ganz eigenen Vibe.
Und da sind wir auch bei dem Punkt: Der Vibe.
Der ist mir sehr wichtig. Und er machte mir irgendwann Sorgen, weil ich ihn nicht mehr fand.
Zudem neige ich dazu Dinge zu vergessen, wenn ich sie lange Zeit nicht praktiziere. Das ist normal. Ich bin jedoch ein Mensch der sich sehr auf etwas fokussieren kann und der, wenn es dann einmal ruht, gerade wenn es technische Dinge sind, diese schnell wieder aus dem Gedächtnis verliert, auch wenn das dann nur die Details sind.
Das Gefühl verliere ich aber nicht.
Shibari war für mich seit Jahren, seitdem ich 2017 das erste mal ein Seil in die Hand nahm, immer mit einem sehr besonderen Gefühl verbunden. Ich erinnere mich an jede einzelne Person, die ich jemals fesselte. Ich erinnere mich an das erste Mal auf einem Workshop, an das Getüddele in einem kleinen Wohnzimmer vor Youtube-Videos im Vorfeld zum ersten Workshop. Für mich hat der Flow etwas magisch-meditatives, selbst ohne japanophil zu sein und obschon ich die Glorifizierung von Shibari als "intimstes und tiefgehenstes Ding im Universum seit dem Urknall" so massiv ablehne. Für mich war Shibari nie automatisch emotionaler oder intimer als irgendetwas anderes, weil alles sowieso subjektiv ist. Für mich war es einfach "speziell", besonders, allein von dem Gefühl, dass es in mir auslöst. So besonders, dass es sich in den letzten Jahren so anfühlte wie es sich für jemanden anfühlen muss, der eine Leidenschaft liegen lässt, Jahre nicht betrachtete, sich immer daran erinnert wie an ein Leben, dass er einst lebte und der nun wieder damit konfrontiert wird. Sobald ich einen Raum voller Juteseile rieche sind die Implikationen sofort da, ist dieses Gefühl sofort da.
Irgendwann, zusammen mit anderen negativen Bindungserfahrungen, baute sich eine gewisse Blockade in mir auf, die den Wiedereinstieg erschwerte. Es hat mit Mühe bereitet das erste mal bei meiner Expartnerin das Seil wieder in die Hand zu nehmen und auf den ersten Wiedereinsteigsworkshop zu warten, weil ich eine Erwartung daran hatte wie es sein würde und fürchtete, dass das Gefühl nicht aufkommt, dass ich an meinen eigenen Erwartungen scheitern könnte, gerade weil ich dazu neige perfektionistisch zu sein, wenn ich mit etwas beginne. Ich hatte zudem die Befürchtung, dass ich wieder reinkomme und genau dieses Gefühl wieder verliere, wie einige Male davor. Und ich hatte Sorge, dass ich nicht genügen könnte in diesem großen Shibari-Universum voll der Superlative, weil auch das schon vorkam und das Wort "Anfänger" oder "Wiedereinsteiger" in einigen Kreisen durchaus negativ konnotiert ist, gerade wenn dort plötzlich der "Bunnymarkt" (gruselig!) umkämpft wird und potentielle Bunnys umworben werden wie sonst noch etwas. Es war am Ende wie Obi-Wan, der jahrelang als farmer im Exil lebte und vor seinen Fähigkeiten zurückzuckt, die er nicht mehr aktivieren kann. Es ist nicht nur das technische Wissen, die einschlief, sondern auch das zurückzucken vor einem Gefühl.
Es fiel mir schwer wieder einzusteigen und so bin ich zu meinem ersten Workshop seit 2020 nach einem langen Wochenende gefahren, an dem ich kaum schlief und massiven Stress hatte. War das eine gute Idee? Eher nicht. Ich konnte grundsätzlich aufgrund der eigenen Überstressung keine fünf Meter weit denken. Dazu mischte sich mein Anspruch, der diese Überstressung noch potentierte. Am Ende habe ich eine Fesselung gemacht, konnte mich aber am Ende schon an den Anfang nicht mehr erinnert und fühlte mich...dumm, weil mein Hirn blockte. Selbst die logischsten Bewegungen, die ich alle schon kannte, wollten nicht. Das Erlebnis war unfassbar frustrierend.
Das gute an dem Erlebnis war, dass es meine Partnerin nicht störte, die mir im Nachhinein eher Mut machte.
Die den Workshop dennoch schön fand, weil sie keine Erwartungshaltung über die gemeinsame Zeit hinaus hatte und sich sicher war, dass das schon wird.
Die auch einfach nur zum Üben seit vorbeikommen wollte, dies auch in den letzten Tagen tat, sei es auch nur für eine halbe Stunde und die nicht auf reine Satisfaktion aus war oder aus ist, auch wenn sie davon natürlich auch etwas "haben" will. Für sie ist "gemeinsam üben" aber nicht mit "dann halte ich ja nur hin" negativ konnotiert.
In den letzten Tagen habe ich immer wieder mehr das und mehr das Gefühl in den alten Flow zurückzukommen, auch wenn das zaghaft passiert und auch wenn ich eher übe, mein Muskelgedächtnis wieder anschmeisse und das Gefühl habe ich würde gerade wieder Laufen lernen.
Es lohnt sich den Punkt der Hemmung zu überwinden und sich auch einzugestehen, dass man nicht dort wieder ansetzen kann, wo man mal vor einiger Zeit "voll im Saft" stand. Auch wenn Shibari für mich kein Leistungssport ist bemerkte ich doch, dass da immer der Vergleich mit einem früheren Wissensstand meinerseits war, der mich frustierte, weil es sich anfühlte - als loser Vergleich, wie geschrieben ist das für mich kein Sport - wie es sich anfühlt wenn man immer mehr und mehr und länger und länger wanderte, dann zwei Jahre nichts machte und auf einmal nicht mehr an die "Leistung" - und Leistungsanspruch ist generell schon bescheuert - von früher kommt, wenn selbst die kleinsten Dinge wieder Mühe kosten.
Aber irgendwo muss man ja wieder ansetzen und den toten Punkt überwinden, den Einstieg wieder schaffen und Altlasten, die hemmten, überwinden um zu sehen, dass es geht, auch wenn es zunächst Mühe und Überwindung kostet.