Ich sehe die Herausforderung weniger beim Gewicht als vielmehr beim BMI und wo das Fett sitzt. Laut eurem Profil ist "sie" 187 cm bei 117 kg. Damit sind wir bei einem BMI von ca. 33,5. Ich habe Leute in dieser Gewichtsklasse und mit höherem BMI (bzw. kleinerer Körpergröße) gefesselt. In einem Fall lag zudem noch eine neurologische Erkrankung vor.
Grundsätzlich empfehle ich stark übergewichtigen Modellen (wie auch Modellen mit z.B. unfallbedingten Bewegungseinschränkungen) eine Beratung beim Arzt, d.h. Sportmediziner oder Orthopäde, und zwar zusammen mit dem Rigger. Die wird man vermutlich privat bezahlen müssen, aber die investierten ca. 100.- bis 150.- lohnen sich. Die Untersuchung ergibt i.d.R. Hinweise darauf, worauf man besonders achten muss. Nebenbei wurden bei einem meiner Modelle auch Ursachen für andere Beschwerden gefunden, die dann auch beseitigt werden konnten. Ein Arzt sagte einmal sehr trefflich zu mir: "Erst müssen die unerwünschten Schmerzen beseitigt werden bevor man die erwünschten genießen kann."
Bei den Seilen nehme ich bei stark übergewichtigen Bunnies nicht die Standardlänge von 8 m sondern 9 m (und ausnahmsweise auch mal 10 m), Durchmesser 6 mm, nicht 5,5 oder 5 mm. Wird ein Seil mit dem Körpergewicht belastet (z.B. bei Hängungen, halben Hängungen oder Abspannungen) kommt flächenmäßig auf die gleiche Seillage mehr Last. Sprich: Druck = Kraft / Fläche, der Druck steigt. Besonders belastete Seillagen wickele ich daher ggf. öfter (dreimal statt zweimal). Längere Seile haben auch den Vorteil, dass man weniger Seilverlängerungen machen muss. Die Verlängerungsknoten sind immer ärgerlich, wenn es um Druckpunkte geht, und Übergewichtige leiden darunter nach den Rückmeldungen, die ich bekommen habe, stärker als Normalgewichtige.
Bei Normal- oder Untergewichtigen Leuten kann man die Anatomie gut sehen (z.B. Beckenkamm). Abhängig davon, wo das Fett überproportional sitzt, kann man das bei stark übergewichtigen Menschen nicht. Ich ertaste dann nötigenfalls Knochen um die richtige Position für ein Seil zu finden.
Als ich das erste Mal mit einem extrem übergewichtigen Modell gefesselt hatte, habe ich ein großes Problem gehabt, einen Unterkörperharness zu flechten. Das war genau der Fall, bei dem ich den Beckenkamm ertastet habe. Außerdem hat mir das Modell bei meinen Versuchen, ein Seil sauber in der Leiste zu platzieren, irgendwann gesagt: "Nimm einfach den Fettwulst am Venushügel in die Hand und schiebe ihn zur Seite." Wenngleich ich extrem Übergewichtige als besonders fragil wahrnehme, muss ich manchmal energischer zugreifen.
Mit Übergewicht gehen i.d.R. Bewegungseinschränkungen und oft auch Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich Hand in Hand. Eine Reihe von Positionen gehen dann nicht oder nur bedingt (z.B. Scheidersitz, Fersensitz ("Zensitz"), stehen auf einem Bein). Bei Fesselungen wie Futomomo oder Chickenwing kann Fuß bzw. Hand nicht so eng an den Oberschenkel bzw. Oberarm gebracht werden. Beim Futomomo ist man abhängig von der Größe und der Fettpolsterung an den Beinen besser mit einem 10 m Seil bedient; das muss man ausprobieren.
Im Gegensatz zu Untergewichtigen erlauben stark übergewichtige weibliche Bunnys eine Reihe von Varianten für Brust-Bondage.
Bei gebäugten Haltungen ("Kopf zum Knie bei gestreckten Beinen" oder auch Pflughaltung "Halasana" im Yoga) wird evtl. Druck durch das Fett von außen auf innere Organe ausgeübt. Das Atmen kann z.B. schwierig werden, wenn sich das Bunny stark nach vorne beugt. Manche haben Atmungsprobleme, wenn sie auf dem Bauch liegen.
Generell gilt: Die Beweglichkeit und solche Probleme wie Druck auf die Lunge bei bestimmten Körperhaltungen erprobt man ohne Seile. D.h., man probiert die Körperhaltung länger als ein paar Sekunden aus.
Über 100 kg zu bewegen ist auch für einen ungefähr gleich schweren aktiven Partner etwas trickreich; zumindest gilt das für mich. Es kommt darauf an, was man tun will. In einer anderen Antwort wurde das empfohlen, was auch ich getan habe: Man befrage Krankenschwestern, Altenpfleger, Physiotherapeutinnen und ggf. auch Kampfsportler (Aikido, Judo; nicht die schlagenden Kampfkünste). Den Pflegern muss man allerdings sagen, dass sich der immobile "Patient" nicht an einem Stuhl festhalten wird.
Jeder lernt im Erste-Hilfe-Kurs (wann hattet ihr den letzten?), wie man einen Patienten in eine stabile Seitenlage bringt. Das geht über das aufgestellte angewinkelte Bein mit Hebelwirkung. Die Prinzipien der Hebelwirkung benutzen auch die Pflegeberufe und Kampfsportler. Man sollte in Erinnerung behalten, dass man einen Menschen bewegt und nicht einen starren Baumstamm rollt. D.h., man kann natürlichen Bewegungen folgend auch mal ein Bein anwinkeln o.ä., ehe man dann den ganzen Körper dreht.
Beim Fesseln arbeite ich mit dem ganzen Körper. D.h., ggf. schiebe ich mich auch ein wenig unter das Bunny, z.B. mit einem Knie, um den Körper anzuheben und dann Körperstellen für mich leichter zugreifbar zu machen.
Die Frage des "Anhebens" muss auch mit einem "kommt darauf an" beantwortet werden. Die Dame wird nicht in die Luft gewuchtet wie eine Hantel beim Gewichtheben. Wenn es (um das hier nicht erwünschte Thema) Hängungen geht: Kurs machen! Das Bunny wird nicht vom Boden hoch gewuchtet, es lehnt sich in das Hängeseil rein. Ich hatte auch schon Leute in der Gewichtsklasse in der Luft und bislang hatte noch niemand ein Problem damit, mich in die Luft zu kriegen.
Schwieriger ist es, ein am Boden liegendes Bunny abzuspannen. D.h., es liegt am Boden, einige Seile gehen nach oben zu Hängepunkten und man bringt so viel Zug auf die Seile, dass ein Teil des Gewichts von den Seilen getragen wird. Manche Bunnys wollen gerne "mehr" Zug, manche so viel, dass sie auf einmal ein paar cm über dem Boden schweben. Ich habe das mit 100 kg Bunnys nicht ausschließlich mit Körperkraft geschafft. Auch hier gilt: Hebelwirkung über entsprechende Seilkonstruktionen.