Schamlos ? - Sexualmoral im Wandel
Die Bonner werden es sicherlich wissen, die auswärtigen Bonn-Besucher eher nicht, und weil sonst im Forum keinen Hinweis, daher hier dieser Tipp:
Im
Haus der Geschichte in Bonn findet in der Zeit
vom 30.05.
bis 14.02.2016
eine Ausstellung zum Thema des Wandels der Sexualmoral in (Gesamt-)Deutschland statt.
Der Eintritt ist frei.
Öffnungszeiten:
Di-Fr 9-19 Uhr
Sa,So, Feiertage 10-18 Uhr
Was erwartet den Besucher dort? Dem Auftrag des Hauses, die neuere Geschichte Deutschlands zu dokumentieren, wird der Wandel von den mehr oder weniger sexuell verklemmten Wirtschaftswunderjahren bis zu unserer vermeintlich freien, alles erlaubenden Gegenwart dargeboten. So versichert die Regisseurin der Ausstellung Kornelia Lobmeier.
Der Einstieg in die Ausstellung wird durch die Gegenüberstellung der Rollenmuster der DDR, die die werktätige Mutter als Ideal sah und der Bundesrepublik, die die Frau so sah: „Mutterberuf ist Hauptberuf“ – zumindest nach den Worten des damaligen Familienministers Franz Josef Wuermeling. Die obrigkeitsstaatliche Einstellung gibt ein dort ausgestelltes Urteil der BGH aus dem Jahre 1966 wieder: „Die Ehe fordert … von der Frau die Gewährung des Beischlafs in Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.“ In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass bis 1998 ein Mann sogenanntes „Kranzgeld“ an seine Verlobte zu zahlen hatte, wenn er ihr die Ehe versprochen, ihr – so die seinerzeitige juristische Sprache – „beigewohnt“ und dann das Verlöbnis gelöst hatte.
Auch das Thema Emanzipation der Frau wird in der Ausstellung angemessen, unter Beachtung des Themas, behandelt.
Einen großen Raum nimmt dann das Thema Homosexualität ein. Dokumentiert wird beispielsweise der Argwohn gegenüber Frauen, die lange Hosen trugen, oder die Entwicklung, die schließlich 1969 zur Aufhebung des seit 1949 bestehenden Paragrafen 175 des StGB – der unter Strafe Stellung der sexuellen Beziehung unter Männern – führte.
Ausführlich wird auf die Rolle der Medien eingegangen, wobei an Oswald Kolle mit seinen Report-Filmen (z. B. Schulmädchen-Report) oder Dr. Sommer als Ratgeber in Liebesdingen in der Jugendzeitschrift BRAVO und weiteren Protagonisten erinnert. Natürlich wird auch die neuere Literatur, wie Feuchtgebiete, und Filme, wie „50 Shades of Grey“ eingegangen. Letztere wurde übrigens inzwischen weltweit 100 Millionen Mal verkauft.
Die Darstellung des Rotlicht-Milieus mit Prostitution und Sexindustrie erfolgt dann in einem engen Gang. So erfährt man unter anderem dort, dass in Deutschland jährlich 14,6 Milliarden Euro – fast soviel wie im deutschen Tankstellennetz – umgesetzt wird, dass 18 Prozent der Männer regelmäßig zu Prostituierten gehen und im Durchschnitt 25Euro etwa auf dem Straßenstrich lassen.
Die Ausstellung bringt in Text- und Bild-Dokumenten, sehr plakativ und anschaulich, alle Facetten des Themas, auch die dunkelen, dem Besucher näher. Ältere werden sich erinnern „wie es war“, Jüngere werden erstaunend zur Kenntnis nehmen können, was sich alles in der neueren Geschichte Deutschlands bewegt hat. Ob sich noch mehr ändern muss oder sollte, werden die Besucher hinterher unter sich diskutieren können, Gesprächsstoff gibt es darüber allemal.