Was ich liebte
Hier möchte ich euch ein Buch ans Herz legen, welches mich unendlich berührt hat. Es geht um Liebe, zum Kind, zum Partner und zur Freundschaft und auch um Sex, die Sehnsucht danach. Sicher sehe ich das heute auch aus meiner eigenen Perspektive und etwas desillusioniert, Was ich liebte ist nicht mehr präsent in meinem Leben.
Viele Passagen des Buches sind so einfühlend geschrieben, dass sie zu Herzen gehen und wenn der Erzähler im Buch das Leben und Lieben beklagt, hatte ich oft das Gefühl er beschreibt mein eigenes Empfinden. Wie schreibt die Rezensentin dieses Buches? Die Tragik des Lebens.
Nun ist das Buch nicht eine einzige triefende Gefühlsduselei, aber es ist in diesem Sinne keine leichte Bellestristik. Zur Autorin ist noch zu sagen, sie ist die Frau von Paul Auster (Mond über Manhattan, Die Brooklyn-Revue), ebenfalls ein sehr bekannter amerikanischer Schriftsteller. Aber dazu ein andermal mehr
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Siri Hustvedt: Was ich liebte
Nach zwei bisher veröffentlichten Romanen („Die unsichtbare Frau“ 1992 und „Die Verzauberung der Lily Dahl“ 1997) liegt nun ein neues Buch der norwegisch-amerikanischen Autorin Siri Hustvedt (*1955) vor.
Darin berichtet der jüdische Kunsthistoriker Leo Hertzberg, dessen Sehvermögen sich fortschreitend verringert, rückblickend (in drei Teilen) von seiner langjährigen Freundschaft zu dem eigenwilligen Künstler Bill Wechsler.
Die Erzählung beginnt 1975 in New York, als Leo in einer Kunstgalerie auf Bills Arbeiten aufmerksam wird und ein Gemälde von ihm erwirbt. Es handelt sich um einen Frauenakt, der aber merkwürdigerweise den Titel „Selbstporträt“ trägt. Die Lebenswege der beiden verschränken sich: So beziehen Bill und seine Frau Lucille eine Wohnung in dem Haus, in dem bereits Leo mit seiner Frau Erica lebt.
Erica, sensibel und nervös, ist als Anglistin tätig, während Lucille, sehr zurückhaltend mit ihren Gefühlen, Gedichte verfasst. Beide Frauen bringen im selben Jahr einen Sohn zur Welt: Matthew und Mark. Somit entwickelt sich zwischen den zwei Künstlerfamilien eine intensive Freundschaft, bei der philosophische und künstlerische Fragen häufig thematisiert werden.
Siri Hustvedt gelingt es im ersten Teil des Romans, durch die präzise Beschreibung der Kunstwerke (die beim Leser einiges an Kunstsachverstand voraussetzt) und die Beschäftigung mit psychologischen Studien zur Hysterie genaue Psychogramme ihrer Figuren zu entwerfen.
Das langsame Erzähltempo bereitet unmittelbar auf die Schicksalsschläge, die das Leben der beiden Familien erschüttern werden, vor. Bill trennt sich von Lucille, um mit der lebensfroh-sinnlichen Violet zusammenzuziehen, die für das Gemälde „Selbstporträt“ Modell gestanden hat. Mark muss von dem Zeitpunkt an zwischen seinen Eltern hin- und herpendeln. Dagegen erfahren Leo und Erica einen schmerzhaften Verlust, als ihr Sohn Matthew bei einem Kanuunfall ums Leben kommt. Beiden gelingt es nicht, sich gegenseitig dabei zu helfen, ein gemeinsames Leben ohne Matthew zu führen. Daher entschließt sich Erica, eine Lehrtätigkeit in einer anderen Stadt anzunehmen. Leo bleibt in New York zurück und gerät in zunehmende Einsamkeit.
Mit sehr viel Einfühlungsvermögen beschreibt Hustvedt in diesem zweiten Teil, was es für Eltern bedeuten muss, ihr Kind zu verlieren. Es lässt sich leicht erklären, dass Leo daran liegt, zu Mark, dessen persönliche Entwicklung bis dahin fast ungeachtet blieb, ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. Als sich jedoch herausstellt, dass Mark heimlich Geld entwendet und in der Raverszene mit Drogen in Kontakt kommt, geraten die Erwachsenen in einen inneren Konflikt: Einerseits möchten sie Mark weiterhin vertrauen, andererseits gibt er ihnen immer wieder erneut Anlass, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Selbst als Bill plötzlich an Herzversagen stirbt, verstrickt sich Mark weiter in seinen Lügen.
Siri Hustvedt liefert mit dem dritten Teil eine gelungene Charakterstudie über einen Jungen, der immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert und unaufhaltsam auf die schiefe Bahn gerät.
Der Roman enthält sehr viele Details aus verschiedenen Wissensgebieten, die Siri Hustvedt in klarer und schnörkelloser Sprache geschickt miteinander verbindet.
„Was ich liebte“ ist sicherlich für Leser geeignet, die an (vor allem bildender) Kunst mit ihren unterschiedlichen Wahrnehmungsformen und der „Tragik des Lebens“ interessiert sind.
(Isabelle Reichherzer, Praktikantin der HdM Stuttgart)