Leseprobe..
...ich wollte es als Datei hochladen, geht anscheinend nicht, oder ich bin zu doof
Kapitel 19 – Wenn nichts mehr geht, geht Paisley
Bevor ich mich diesem Kapitel widme, sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich Gegner des Paisleymusters bin. Ich meine, es soll jeder anziehen womit er sich wohl fühlt. Aber ich habe noch nie einen Menschen getroffen – und sei er auch noch so schön – dem so ein Muster geschmeichelt hätte. Als Handtasche lasse ich mir das Muster ja noch gefallen, aber definitiv nicht als Kleidungsstück. Uah!
Und wieder ein Mann, der mein Profil schon öfter besucht hatte und irgendwann beschloss, mich doch noch anzuschreiben. Das werde ich auch nie verstehen. Müssen sie erst Mut sammeln bevor sie eine Mail mit einem: „Hallo, wie geht´s dir?“ herausbringen oder googeln sie erst nach sinnreichen ersten Mails? Wenn ich ein Profil sehe, weiß ich doch, es gefällt mir oder nicht. Also schreibe ich denjenigen an – oder eben nicht! Aber doch nicht erst zig Wochen später. Nun ja, ich habe beschlossen in meinem nächsten Leben ein Mann zu werden, dann guck ich mir die Angelegenheit mal aus der anderen Perspektive an! Ich halte dich auf dem Laufenden…
Auch diese erste Mail war nicht sonderlich sinnig, aber solange sie nicht extrem nervig oder gar unverschämt ist, ist man als Frau ja schon zufrieden. Eigentlich Wahnsinn, wie sehr man mit der Zeit abstumpft. Da auch ich sein Profil demnach schon öfter bemerkt hatte, aber nichts wirklich Reizvolles daran fand, überlegte ich, was ich tun würde. Manchmal antworte ich dann gar nicht. An anderen Tagen antworte ich so, dass ich zwar höflich bin, aber nicht so höflich, dass die Unterhaltung weiter geht. Und in just diesem Moment war mir einfach langweilig, so dass ich dachte: „Ok, überrasch mich!“. So schrieb ich ihm zurück.
Da ich mir im Lauf der Zeit ja so meine Gedanken gemacht habe, dass ich eigentlich unfair bin und viele Männer live eher eine Chance hätten zu überzeugen, versuche ich mich mit denen, die nicht gleich als Vollkatastrophe zu outen sind, relativ schnell real zu treffen. Sei´s drum, sie sollen ein Date bekommen und mich von sich überzeugen. So auch bei Frank.
Auch er fragte mich, was ich gerne unternehmen würde. Und da bin ich eigentlich sehr unkreativ und sage: „Lass uns etwas trinken gehen!“. Klar könnte man einige andere Dinge unternehmen, aber wenn man miteinander am Tisch sitzt und keine Konversation zustande kommt – was soll ich dann mehr mit ihm unternehmen? Entweder man hat einen Draht zueinander und zwar von Anfang an oder eben nicht, dann kann ich mir weitere Dates schenken.
Frank hatte nur ein einziges Bild im Profil. Das ist eigentlich nicht so schlimm, aber wenn dieses Bild dann mit Mütze, Sonnenbrille oder so ist, dann mag ich das nicht so gerne, da man den Menschen dann doch nicht wirklich erkennt. Und Frank hatte auf diesem Bild eine Mütze auf. Man sah also zwar, dass er soweit vom Gesicht her ganz nett aussah und dass die Haare schulterlang waren, aber irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass ich mir doch keinen wirklichen Eindruck von diesem Mensch machen kann.
Wir vereinbarten, dass wir uns am Kino treffen würden und ich fuhr rechtzeitig los. Ich stand also am Kino herum und wirkte einfach wie jemand, der auf sein Date wartet, um in die 20 Uhr Vorstellung zu gehen. Es warteten noch mehr Menschen um mich, daher kam ich mir nur ein klein wenig blöd vor, weil alle anderen auf ihre Dates trafen – nur ich stand noch allein herum. Wir hatten allerdings auch keine Handynummern ausgetauscht, was in diesem Moment irgendwie unpraktisch war.
Ich loggte mich also bei der Singlebörse ein, aber er war nicht da. Ich schrieb ihm trotzdem, dass es jetzt halt ein wenig blöd sei, weil ich schon eine Weile hier stehe und auf ihn warten würde, aber keine Ahnung habe wo er sei. Vereinbart war 20 Uhr, ich war schon zehn vor acht da und mittlerweile war es fünf nach acht. Sicher, man kann sich verspäten, aber bis er die Antwort las, war es zehn nach acht. Und was war seine Antwort? Er schrieb: „Lauf los, ich bin da.“.
Lauf los? Wohin soll ich laufen du Vollhorst? Ich steh am Treffpunkt den wir vereinbart hatten!!! In diesem Moment dachte ich mir schon (und das sind wohl wirklich mittlerweile Erfahrungswerte): „Ok, wieder ein Abend, an dem man Betreuer für jemand psychisch höchst besonderen ist!“, atmete durch und schrieb zurück: „Wohin soll ich laufen???“.
Auch die nächsten zwei oder drei Nachrichten waren höchst kryptisch und ich beschloss, ich warte noch genau fünf Minuten. Wenn er es bis viertel nach acht weder geschafft hat mir eine klare Aussage zu geben, bzw. am vereinbarten Treffpunkt zu erscheinen, dann dreh ich rum und fahr heim. Er schrieb mir nämlich lustigerweise, er stünde am Kino…
Da ICH aber am Kino stand, wusste ich, dass er a) nicht hier war oder b) wo ganz anders stehen musste. An Variante c), dass er in einer anderen Stadt am Kino steht und auf mich wartet, hatte ich zwar gedacht, aber – na ja – für so blöd halt ich eigentlich nicht mal einen Mann. Dies zu ihrer Verteidigung!
Ich weiß noch, dass ich echt genervt war, weil ich das Gefühl habe, dass es wirklich nicht einmal einfach ablaufen kann. Wir treffen uns um acht am Kino und zack, stehen beide um acht am Kino. Aber nein, nicht in meiner Welt…
Nun gut, ich stand also da, guckte immer wieder wie blöd auf mein Handy und versuchte nicht allzu genervt aus der Wäsche zu schauen. Immer wieder sah ich mich um, ob da jemand aufs Kino zulaufen würde, der so aussähe wie Frank. Tja, bis ich mal weiter nach rechts schaute.
Rechts neben dem Kino ist erst eine Durchgangspassage und daneben ein Reisebüro. Es standen einige Autos davor und zwischendrin, ziemlich dämlich grinsend und winkend – Frank! Warum kam dieser Depp nicht einfach auf mich zu, wenn er schon sah dass ich da stand?
Ich musste wirklich an mich halten nicht einfach rumzudrehen und wieder zu gehen. Kopfschüttelnd natürlich! Aber da ich ja vom Sternzeichen her Schaf bin – mit Aszendent „Besonders beklopptes Schaf!“ – lief ich auf ihn zu.
Wie bereits bei Eric konnte ich mir ein erneutes Gefuchtel nicht verkneifen und so sagte ich wild mit den Armen wedelnd: „DAS hier ist ein Reisebüro und DANEBEN ist das Kino! Wenn du gesagt hättest, du stehst vor dem Reisebüro, hätte ich nicht so bescheuert da drüben gewartet!“. Aber er grinste nur ziemlich dümmlich und sagte: „Ach, das ist doch das gleiche.“.
Ganz ehrlich, bei solchen Aussagen bleibt mir immer die Spucke weg. Wie überleben solche Menschen im Alltag? Ob ich Nutella auf´s Brot oder Dachpappe schmiere ist „fast das gleiche“?! Ob ich mir jetzt den Schlüpper über oder unter die Hose anziehe ist „fast das gleiche“??? Nenn mich von mir aus Zicke, aber wenn´s schon so anfängt, hab ich meist eh keine Lust mehr weiter zu machen. Aber ich wäre ja nicht ich und ich bräuchte kein Buch schreiben, wenn ich dusselige Pute nicht doch jedes Mal weitermachen würde!
Er freute sich jedenfalls dass ich da war und ich sah ihn mir erst mal genauer an. Ach je, was soll ich sagen… Hier hatten wir wieder das Problem eines offensichtlich alten Fotos im Profil. Dort war er doch einiges schlanker und durch die Mütze (und da das Foto in schwarz-weiß war), sahen die Haare nicht gar so ungepflegt und fettig aus wie live. Sie waren nicht fettig, das möchte ich ihm nicht unterstellen – aber sie hingen so lätschig an seinem Kopf, dass man sich nur dachte: „Brr, da möchte ich nicht hinfassen!“.
Es waren also schon mal die Haare, die etlichen Kilo mehr (wie gesagt, hab ich auch, aber ich steh von Anfang an dazu), das grenzdebile Grinsen – UND – ein Hemd mit Paisleymuster. Klar, er konnte nicht wissen, dass ich diese Hemden schlichtweg grauenvoll finde und vermutlich dachte er noch, er putzt sich für mich mal richtig fein raus. Frei nach dem Motto: „Frauen stehen auf sowas!“. Aber da war er bei mir halt leider an der völlig falschen Adresse.
Wann immer ich so ein Hemd sehe, noch dazu wenn es in Grüntönen gehalten ist, dann denke ich mir: „Das Hemd ist super für nen Saufabend. Du siehst keine Flecke darauf und wenn du kotzen musst und das Hemd triffst, fällt es auch keinem auf, weil das Muster alles überdeckt. Sieht ja schon vorher zum Kotzen aus! Einzig der Geruch könnte dich verraten…“.
Sei´s drum, das Elend stand also vor mir, schenkte mir sein glückseligstes Lächeln und ich konnte ja schlecht sagen, dass ich keine Lust mehr hätte und wieder gehen wolle. Wobei das wohl das Ehrlichste gewesen wäre. Aber manchmal muss man eher höflich als ehrlich sein und so atmete ich durch und blieb stehen. Bereits schreibenderweise hatten wir beschlossen etwas trinken zu gehen. Demnach fand ich seine Frage: „Und was machen wir jetzt?“ eher überflüssig. In solchen Momenten muss ich an mich halten, damit mein stellenweise sehr derber Sarkasmus nicht die Führung übernimmt. Aus der Nummer komm ich nämlich dann so schnell nicht wieder raus.
Also versuchte ich es mit einer kleinen Erinnerungsstütze: „Wir wollten doch etwas trinken gehen?!“, aber da lächelte er tapfer weiter und meinte, wir sollten eher ein wenig durch die Stadt laufen. Oh man, also gut, laufen wir durch die Stadt. Es war noch nicht dunkel, daher war´s ok. So konnten wir immerhin nicht in dunklen Hauseingängen landen. Denn blöderweise hatten wir vorab beim Mailen das Thema Knutschen und ich erwähnte, dass ich gerne küsse. Und so befürchtete ich, dass er es ausprobieren wolle.
Ich blieb also immer ein wenig auf Abstand und versuchte unverfängliche Themen zu finden, über die wir reden konnten. Wie bei Frauen nicht erstaunlich, war das Thema der Wahl: Schuhe. Allerdings bin ich da wohl doch ein wenig anders, da ich mich stundenlang über Turnschuhe unterhalten kann und welche cool sind, wo man tolle bekommt, welche Marken die schönsten Schuhe haben, etc. Da auch er Turnschuhe gerne mochte, war das ein gutes, aber fallenfreies Thema.
Wir liefen einfach quer durch die Stadt und da Fischmarkt war, lief ich irgendwie automatisch darauf zu. Nicht dass ich Fisch besonders mag, aber vermutlich dachte ich: „Wenn ich schon kotzen muss…“.
Na ok, ich bin fies. Er war soweit ja echt ganz nett, da will ich nix sagen. Aber wenn wir etwas aus den voran gegangenen 18 Kapiteln gelernt haben, dann, dass nett sein nicht ausreicht. Ich erwarte ja nicht von der Liebe wie von einem Komet erschlagen zu werden. Da hätte ich echt Angst, dass ich zu viel mieses Karma gesammelt hätte und als Ameise wieder das Licht der Welt erblicken würde (ich liebe das Buch „Mieses Karma“ von David Safier!). Aber man sagt ja so schön, nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Und nett reicht für eine Beziehung (oder den Start einer solchen) einfach nicht aus.
Als er mich dann mal fragte, wo wir hinlaufen und ich leicht verdutzt sagte: „Zum Fischmarkt“, sah er mich ein wenig verwirrt an. Also fragte ich unschuldig, ob er da nicht hin wolle und als er den Kopf schüttelte, dass die Pappsträhnen nur so flogen, zuckte ich mit den Schultern, drehte mich rum und sagte: „Eijo, dann gehen wir halt was trinken.“. Basta, da hab ich auch gar nicht weiter nachgefragt, sondern lief einfach in Richtung der Bar, in die ich von Anfang an gehen wollte. Denn manchmal hilft in solch einer Situation nur ein Cocktail. Ja, ehrlich!