Das Schelling-Projekt
"Manchmal frage ich mich, ob ihr Intellektuellen nicht eine Schraube locker habt ..".
Peter Sloterdijk: Das Schelling-Projekt, Suhrkamp-Verlag, 249 Seite, hier S. 40
Zumindest eine gute Frage! Wenn man den Kern des Romans, die Formulierung eines Forschungsthemas, für das fünf Wissenschaftler aus dem Bereich der Kulturfakultäten einen mehr als lästigen Förderantrag stellen um den Gegenstand ihrer Begierden auch finanziert zu bekommen und sich über ihre Geilheit, sapiosexuelle Ambitionen und Argumentationsstrategien per Email austauschen.
Zwischen Biologie und Humanwissenschaften: Zum Problem der Entfaltung luxuierender weiblicher Sexualität auf dem Weg von den Hominiden-Weibchen zu den Homo-sapiens-Frauen aus evolutionstheoretischer Sicht mit ständiger Rücksicht auf die Naturphilosophie des Deutschen Idealismus.
Ehrlich gesagt: hätte ich diese recht schwerfällige Umschreibung des erotischen Motivs zu Beginn des Romans des Philosophen Peter Sloterdijk gelesen, das Buch wäre in die nächste Ecke geflogen und hätte mein Vorurteil bestärkt, dass deutsche Philosophen alles Mögliche können, z.B. unsinnige Exzellenzanträge stellen, nur nicht einen Roman, und schon gar nicht einen erotischen Roman, schreiben. Das können nur Franzosen, Italiener, vielleicht noch Südamerikaner.
Kern der Betrachtung: wie erlebte wohl eine Neandertalerin der Frühsteinzeit den Orgasmus und gab es einen G-Punkt? Und wie spitz ist heute eine Homo-sapiens-Frau an der Uni, die sich mit dem Deutschen Idealismus auskennt. Und da kommt der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 - 1854) ins Spiel, der zu seinem Glück längst verstorben ist, ansonsten er nicht wüsste, wie ihm geschähe - in diesem Roman.
Und nun versteigen sich die Protagonisten in wenig nachvollziehbare Reflektionen des Themas und Ihrer selbst, in die ein oder anderen erotischen Erinnerungen der Studentenzeit, bevor sie bestallte Diener des Uni-Betriebs wurden, und in gegenwärtig amourös-erotische Bettgeschichten, die zumal im gesetzten Alter zu Katerstimmungen am nächsten Morgen und den darauf folgenden Tagen führen.
Der Roman hinterlässt denn auch bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Viele, die die Philosophie P. kennen, werden sich leidlich in diesem Roman zurechtfinden. Viele, die ihn nur aus dem philosophischen Quartett des TVs kennen, werden sich wundern, zu was der Philosoph in der Lage zu sein scheint; einige werden verzweifelt die Lektüren beiseite legen müssen und in Zukunft den Deutschen Idealismus und die Gegenwartsphilosophie um der eigenen geistigen Gesundheit willen meiden wollen.
Ich hatte dann während der Lektüre für mich eine andere Strategie gewählt: ich las den Roman als einen Schwank, eine Pose, 1. auf die Zeit des Autors auf seine TV-Karriere im philosophischen Quartett (mit Rüdiger Safransky als "Kurt") 2. auf den heutigen Universitätsbetrieb und deren Verwaltungspraxis.
Und so muss offen bleiben:
1. Ob die Höhlenfrau damals wirklich bei der Besteigung orgasmusfähig war und die Homo-sapiens-Frau an der Uni es je sein wird?
2. Ob dies je ein Thema sein könnte in den öffentlich-rechtlichen Medien?
Denn wie vorauszusehen geht der Antrag auf die Förderfähigkeit des Forschungsthema nicht durch. Und zumindest bei mir der Roman als ein erotisch philosophisches Projekt auch nicht. Aber ich habe ohnehin in diesem Bereich nix zu sagen ...
(c)Dreamy2017
Alle Rechte beim Autor