Die Ringparabel und der Gegenwartsbezug...
Wenn wir die Entstehung der Ringparabel in den historischen Kontext stellen, dann steht da ein Streit, den Lessing mit dem Hamburger Hauptpastor Goetze - einem Dogmatiker der haarigsten Sorte - hatte. Er hatte diesen Streit zunächst als Theologe ausgefochten - und sein damaliger Arbeitgeber, er Herzog von Braunschweig, hatte ihm einen Maulkorb verpasst. Lessing wich daraufhin aufs Theater aus mit der Anmerkung. "Ich bin gespannt, ob man mich auf meiner alten Kanzel (d.i.der Bühne) noch wird predigen lassen." Es war also zunächst einmal ein politisches Stück, in dem Lessing ganz konkret Toleranz einforderte.
Dass gerade in Deutschland dieses wunderbare Solo für Heldenbariton - eben die Ringparabel - so wenig Resonanz gefunden hat, ist doppelt beschämend....
Gehen wir rein textimmanent an die Entstehung der Parabel heran, fällt uns folgendes auf: Nathan wird zum Sultan berufen - und er weiß, diese "Einladung" bedeutet nichs Gutes - und egal, wie er ihm antwortet: die Antwort kann nur falsch sein. Und dann die Erleuchtung:" Nicht nur die Kinder speist man mit Märchen ab..." - mit seiner Fabel von den drei Ringen gibt er den Schwarzen Peter an den Fragesteller zurück - und der ist - glücklicherweise - so verständig, dass er den Seitenhieb versteht..
Aber genau diese Verständigkeit ist es, die den Fanatikern ALLER Religionen fehlt. Sie ist ein Kind der Aufklärung und das Resultat der Kantschen Forderung "Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen..". Und HIER liegt eigentlich der Hase im Pfeffer: viele von uns DENKEN nicht , sondern LASSEN DENKEN. Toleranz ist eben gerade NICHT die locker-flockige Multikulti-Haltung die die liebe Göttin eine gute Frau sein lässt, weil in einer säkularisierten Gesellschaft die Religion keine wesentliche Rolle mehr spielt - sondern harte Arbeit, unerbittliche Selbstprüfung und der liebende Blick...
Alles Dinge, die leider selten sind - und nicht nur im Hinblick auf Religionen. Ich kann die Frage, wie man besser mit einander auskommen könnte leider auch nur mit Lessings Worten beantworten: "Es eifre jeder seiner reinen, von Vorurteilen freien Liebe nach - versuche mit Wohltun, mit herzlicher Ergebenheit in Gott .... die Kraft des Rings an Tag zu legen..."
Die Ringparabel ist eins meiner Lieblingsstücke - nur leider werde ich manchmal melancholisch, wenn ich sie lese....