Mörderisch
Mörderisches Hessen Blutbad in Bad Homburg
Spannung, Freizeitgestaltung, Geschichte oder Kulinarisches - Bücher mit regionalem Bezug sind stark gefragt. Das Angebot der Verlage wird immer größer. Hessen-Krimis boomen.
Entsetzen in einer Ferienhaussiedlung in der Rhön: Eine zweifache Mutter und Ehefrau liegt mit verrenkten Gliedern am Fuß der Treppe in ihrer Wohnung, vom eigenen Mann hinuntergestoßen. Eine Villa in Kronberg: Ein Hund buddelt die Reste eines verschollenen Adligen unterm Rosenbeet aus. Todesursache: Vergiftung mit einem Streuselkuchen. Die Serie ließe sich fortsetzten. Immer mehr Verbrechen gedeihen in Rhein-Main - zumindest in der Phantasie der Autoren. "Wir haben wachsenden Erfolg mit regionalen Krimis", sagt Frank Liebsch vom Gmeiner Verlag im Schwäbischen, der allein fünf aktuelle Hessen-Krimis herausgebracht hat.
Darunter das Kasseler "Kammerflimmern" von Matthias P. Gibert oder "Binärcode" von Christian Gude, der hinter die Kulissen Darmstadts als Wissenschaftsstadt blickt. Gude, selbst Darmstädter, der halbtags als Unternehmensberater arbeitet, schickt seinen zynischen und unkorrekten Kommissar Rünz zu Ermittlungen ins Europäische Raumfahrtkontrollzentrum. Es geht um ein Satelliten-Navigationssystem, verschlüsselte Daten, Mord - hochspannend und "auch überregional interessant", findet Liebsch.
Gibt es überhaupt den typischen Hessen-Krimi im Unterschied zum bayerischen oder niedersächsischen? "Ich sehe keinen", antwortet der Frankfurter Lothar Ruske. Er ist Herausgeber der neuen "Tatorte Hessen hochprozentig", eine Sammlung krimineller Kurz-Geschichten, in denen Cocktails eine entscheidende Rolle spielen. Was die zwölf Autoren eint: Alle hätten eine Beziehung zu bestimmten Gegenden der Region und könnten entsprechend Leute und Orte treffend skizzieren.
Autorin Krystina Kuhn hat für den "Tatort Hessen" ein "Blind Date" in Bad Homburg ausgewählt. Der Siamtempel im Kurpark kommt vor, die Tennisbar, in der sich ein einsamer Anwalt zum Blind Date mit gleichnamigem Cocktail verabredet. Warum Bad Homburg? "Es ist groß genug, um sich anonym zu fühlen, doch zu klein, um anonym zu bleiben. Ich habe dort in der Nähe gelebt und mag die Stadt wegen ihres Kur-Images. Ein schönen Schein, aber es gibt auch dunkle Seiten. Erst kürzlich wurde der Freund eines Bekannten einfach auf der Straße zusammengeschlagen. Diese zwei Seiten reizen mich. Mein Dorf in Bayern, wo ich jetzt lebe, würde ich nicht nehmen. Hier kennt jeder jeden, ich brauche den Abstand und den fremden Blick."
Die Autoren müssen also nicht aus Hessen sein. Was macht dann einen guten regionalen Krimi aus? Kommissare, die hessisch babbeln? Oder "Reiseführer mit Blut", deren Tat- und Spielorte die Fans wieder erkennen können? Keineswegs. "Lange Diskussionen gab es darum, weil Verlage diese Art von Regionalität als Verkaufsargument in den Vordergrund rückten - die Story dahinter war dabei oft gar nicht wichtig", meint der Wiesbadener Richard Lifka, Krimi-Autor und Journalist, der an der Volkshochschule Krimi-Workshops leitet. Aber das habe sich geändert. "Inzwischen steht auch bei regionalen Krimis literarische Qualität im Vordergrund".
"Grundsätzlich ist jeder Ort ein Tatort". Dazu eine spannende, ungewöhnliche, aber immer mögliche Geschichte. "Und dann kommt die Frage: Wie viel Lokalkolorit bringe ich rein? Es ist natürlich einfacher, die Geschichte dort anzusiedeln, wo man sich auskennt." Aber nicht jede Telefonzelle müsse beschrieben, jeder Platz real sein. Wie in dem Krimi "Schrei nach Stille" von Anne Chaplet, alias Cora Stephan, die im Vogelsberg lebt. Ihr Roman spielt wieder in dem fiktiven Dorf Klein-Roda mit seinen klotzköpfigen Bewohnern. Es geht um trügerische Erinnerungen, den heißen Sommer 1968 und eine Frau, die die Wahrheit erst erkennt, als es zu spät ist.
Hessische Krimiautoren
• Andreas Franz
• Anne Chaplet
• Anne Spitzner
• Ariane Focke
• Astrid Paprotta
• Bernd Schulz
• Dieter Kögel
• Frank Thonicke
• Gerhard Steines
• Horst Seidenfaden
• Jakob Arjouni
• Jan Seghers
• Jo Arnold
• Krystina Kuhn
• Mariela Milkowa
• Mathias Fischer
• Matthias Grünewald
• Matthias P. Gibert
• Nele Neuhaus
• Nikola Hahn
• Rüdiger Geis
Zusammen mit Matthias Grünewald hat der Bühnendarsteller, Autor, Journalist und Fotograf Dieter Kögel den zweiten „Hanau-Krimi“ vorgelegt. Nächste Woche kommt er auf den Markt.
Lokalkrimis haben in den letzten Jahren Hochkonjunktur. Kaum eine Stadt, die nicht einen Krimi-Kommissar hat. Manche schafften es sogar wochenlang in die Bestsellerlisten. Dabei gehören Schauspieler, Regisseur und Autor Grünewald (49) sowie Dieter Kögel zu den ersten Lokalkrimi-Autoren. Bereits vor sechs Jahren haben sie für unsere Zeitung Kriminalgeschichten mit dem Steinheimer Kommissar Herbert Schönfelder und seinem Großauheimer Kollegen Mario Weinrich verfasst. 2007 erschienen fünf Kriminalfälle unter dem Titel „Tatort Hanau“ als Buch.
Schönfelder und Weinrich in Hauptrollen
Nun folgt der zweite Hanau-Krimi, ein Roman unter dem Titel „Eine Leiche zum Espresso“. Mehr als ein Jahr haben Grünewald und Kögel, Jahrgang 1954, an dem Buch geschrieben. Diesmal gab es Absprachen, wie sich die Handlung entwickeln soll - auch wenn selbst für die Autoren die Täterfrage lange offen blieb.
Natürlich spielen auch im neuen Buch die Kommissare Schönfelder und Weinrich wieder die Hauptrollen. Da geht es nicht nur um eine Leiche, ein Familiendrama und um Technologieklau, sondern auch um das Privatleben der Protagonisten, um „alte und um junge Liebe“, wie Grünewald verrät. Und die Liebe hält die Kommissare bisweilen so gefangen, dass sie kaum zum Ermitteln kommen.
Öffentliche Präsentation des Buchs
Skurril und witzig soll sie sein, die Geschichte, die mit einer Leiche in einer Nobelvilla in Wilhelmsbad beginnt. Immer wieder taucht im Verlauf der Handlung Luigi mit seinem feuerroten Kaffee-Mobil auf. Den gibt es tatsächlich. An seinem auffälligen dreirädrigen Gefährt verkauft er unter anderem auf dem Wochenmarkt Espresso und Cappuccino.
Das humorvolle und bisweilen skurrile Programm ist nochmals in der „Zukunftswerkstatt“ des Familiennetzwerks an der Steinheimer Pfaffenbrunnenstraße (ehemals „Reutzelheim“) zu sehen. Dort treten Kögel und Grünewald am Donnerstag, 16. Dezember, ab 19.30 Uhr auf.