Zweifelsohne eines der, wenn nicht DAS, wichtigste Werk politischer Belletristik.
Sobald Romane in das sprachliche Alltagsleben der Menschen übergehen (bei Orwell zweifach der Fall; "Big Brother is watching you" aus "1984" und "Alle Tiere/Menschen sind gleich, aber Manche sind gleicher" aus "Farm der Tiere"), lässt sich der Einfluß zweifelsohne nicht mehr bestreiten.
Wichtig für das Verständnis des Gesamtwerks Orwells, besonders aber seiner zwei wichtigsten Romane, ist es zu wissen, daß er als Freiwilliger im Spanischen Bürgerkrieg gegen Faschismus kämpfte und sich während seines letzten Lebensabschnitts selber als "konservativen Anarchisten" bezeichnete.
Bereits am Anfang seiner journalistischen Karriere wurde er freiwillig zum Obdachlosen, um aus dieser Position heraus über Armut schreiben zu können.
Während der bürgerliche Huxley senil wurde und sich in Religion flüchtete, lebte Orwell ein höchst bescheidenes und gleichzeitig sehr aktivistisches Dasein
In Gegenüberstellung schneidet "Schöne, neue Welt" u.a. für Viele subtiler ab, da Huxley einen weniger journalistischen Stil als Orwell hat. Sein Werk eignet sich auch exakt für die, die Unverständnis für Orwells Kritik am kapitalistischen Gesellschaftssystem äußern und gerne mit Begriffen wie "Konsumkritik" um sich werfen.
"1984" hat wenig mit der (bürgerlichen) Interpretation einer Kritik am Überwachungsstaat zu tun.
Orwell hegte mehr als nur Sympathie für die historisch revolutionäre Rolle des Proletariats, jedoch versetzte ihm das Scheitern der Oktoberrevolution und die wachsende Macht des Faschismus in Deutschland, Italien, Spanien und Japan so dermaßen zu, daß er sich nur schwer dagegen wehren konnte, die Menschheit als verloren anzusehen. Er zog sich auf ein einsames Landhaus zurück.
Die Intensität dieser Ohnmacht drückt sich im stark pessimistischen Ton von "1984" aus.
Aber wie hätte auch Autor Orwell mit etwas fertig werden sollen, daß selbst Trotzki fertig machte...
Insgesamt war Orwell sicherlich ein Beispiel dafür „der menschliche Kopf ist rund, damit die Gedanken ihre Richtung ändern können“, ohne dabei gänzlich richtungslos zu werden.
Kaum ein Romanautor (John Steinbeck und Upton Sinclair vielleicht) ist weiter gegangen in seiner Kritik am Kapitalismus. So enthält das Buch im Buch (die Schriften Goldsteins in "1984") u.a. bereits die Theorie des Rüstungskapitalismus a.k.a. Kalten Krieges. Die Aufteilung von Machtbereichen bzw. Kontinenten ist auch sehr realitätsnah geworden.
Die Art und Weise mit der beschrieben wird, wie jeder Krieg seinen eigenen Geschichtsrevisionismus mit sich bringt, ist klare Staatskritik und kann z.B. auf die Rolle bezogen werden, die bin Laden für die USA in Afghanistan einst spielte und wie später aus diesem Verhältnis das Gegenteil wurde.
Prophetisch war das Alles allerdings weniger als schlicht brilliant analytisch.
Für mich persönlich ist die Folter zu Ende des Buches und 2+2=5 der wichtigste Teil des Buches. Die Lüge kann noch so populär sein und von den Massen akzeptiert, weil über alle verfügbaren Quellen verbreitet, 2 und 2 bleibt trotzdem 4. Daß es kaum wen gibt, der die Folter übersteht, ändert daran nichts.