Philip Kerr
Schon lange im Literaturgeschäft und trotz allerhöchster Auszeichnungen kaum bekannt ist der Schotte Philip Kerr, der mit Thrillern wie "Das Wittgenstein-Programm" oder "Game over" bekannt geworden. Während diese beiden Werke leicht SF-angehaucht sind (ersteres spielt im Jahr 2013, zweiteres beschäftigt sich mit der Verselbstständigung künstlicher Intelligenz), hat sich Kerr mit seinem Hauptwerk, den bis dato sieben Romane umfassenden Thrillern um den desillusionierten Antihelden Bernhard (Bernie) Gunther, mit der deutschen Geschichte beschäftigt und dabei die Zeit zwischen Ende der Weimarer Republik und den 50iger Jahren beschäftigt. Auf diesen Zyklus gehe ich nachfolgend ein wenig näher ein.
Was Philip Kerr in meinen Augen so deutlich von anderen Autoren mit dem gleichen Themenschwerpunkt positiv abhebt, ist seine Kunst, historische Fakten und reale Persönlichkeiten mit Fiktion zu vermischen und zugleich höchst spannende und äußerst kurzweilige Spannungsromane abzuliefern. In seiner bisherigen Romanreihe (bestehend aus der Berlin Noire-Trilogie mit den Einzelromanen "Feuer in Berlin", "Im Sog der dunklen Mächte" und "Alte Freunde - Neue Feinde" sowie den Einzelromanen "Das Janus Projekt", "Das letzte Experiment", "Die Adlon-Verschwörung und "Mission Walhalla") begleitet der Leser den Kriminalkommissar Bernhard Gunther über die Jahre hinweg, in denen er als bekennender Nicht-Nazi immer wieder zwischen die Fronten gerät, von Heydrich sogar für die Nazis vereinnahmt wird, die Russische Kriegsgefangenschaft überlebt, nur um dann als Nazi verfolgt zu werden und im Argentinien, und Kuba der 50iger Jahre wieder Fuß fassen zu können. Schließlich landet er im Auffanglager für ehemalige russische Kriegsgefangene in Friedland und gerät zwischen die Fronten der Siegermächte.
Was jetzt in der Schnellaufzählung als sehr überfrachtet klingen mag, entpuppt sich beim Lesen der einzelnen Romane als überaus professionell recherchierten und höchst spannenden Geschichtsunterricht bei dem wir miterleben, wie Gunther es mit namhaften Größen des dritten Reiches, aber auch der Zeit danach zu tun bekommt, als da auszugsweise wären Josef Mengele, Adaolf Eichmann, Reinhard Heydrich, Erich Mielke, Juan Péron oder amerikanische Gangster-Größen.
Ich habe noch nie so unglaublich geschickt sich zwischen Fakten und Fiktion bewegende historische Thriller gelesen, die sich mit der deutschen Historie des 3. Reiches sowie ihrer Vor- und Nachgeschichte so unterhaltsam und gleichsam kritisch beschäftigen. Philip Kerr hat hier wahrlich ein Meisterwerk in bisher 7 Bänden abgeliefert, wobei es immer noch weitergehen könnte mit Bernie Gunther - einem Antihelden, dem man seine zynische und desillusionierte, aber gleichzeitig auch wieder sympatische und liebenswerte Art gerne abnimmt und der die inkarnation eines Wiederaufstehmännchens zu sein scheint.
Auch denjenigen unter Euch, die eher nicht so auf historisches Schmökern stehen (zu denen ich im Übrigen auch zähle), seien diese Romane, die sinnvollerweise auch in der entsprechend oben aufgezählten Reihenfolge zu lesen sind, wärmstens empfohlen.