büchertodesengel
nun... ich als fast fertig studierte bibliothekarin habe ein zwiespältiges verhältnis zum buch. da ist zu einem die leserin, die sammlerin, bibliomanin und vor allem privatperson und auf der anderen seite die professionelle informationsvermittlerin.
privat gibt es bei mir gewisse abstufungen in der handhabung der bücher. ich habe schätze, die ich nur mit handschuhen berühre, vorsichtig durchblättere und lese; alte (d.h. bücher vor ca. 1925) bücher, die einfach sorgfältiger behandelt sein wollen, weil der leim brüchig geworden oder der einband schlicht besonders kunstvoll ist über alltagsbücher die ich lese, gerne auch verleihe und - was ja das eigentliche thema des threads ist - munter aufgeklappt überall herum liegen lasse bis hin zu meinem ständigen begleiter: ein rilke-bändchen, das ich wenigstens ein dutzend mal neu geklebt, die seiten sorgsam mit tesa stabilisiert und innen mit weiteren meiner lieblingsstücke des dichters ergänzt habe (aber
nur! mit bleistift) und es aussieht als müsste es trotzdem jeden moment auseinander fallen und es gerade wegen des aussehens mindestens so sehr liebe wie um dessen inhalt...
meine alltagsbücher müssen einiges, aber nie zu viel mit machen. ich nehme sie gerne überall hin mit - auch in die badewanne, achte aber darauf mit trockenen händen zu lesen.
taschenbücher behandel ich wegen ihrer leimung zu mindestens so, dass ich höchstens beim lesen, weil ich geradezu in das buch und die story hinein krieche, einen rückebruch verursache - und auch das nur selten. wegen herumliegens entstehen noch seltener brüche. das mag daran liegen, dass ich auch mangas lese und es bei den dünnen comicbüchlein mit der leimung noch schlimmer ist als bei den tb's. da
muss man mit dem rücken aufpassen, weil sonst ganz schnell eine seite herausflattert.
hardcover haben neben ihrer leimung auch eine wunderbar stabile fadenheftung und es ist ihnen fast egal ob sie aufgeschlagen liegen oder nicht. natürlich kracht mal der rücken, wenn es besonders brutal war. aber wie gesagt: es ist weniger der leim als viel mehr der faden der sie beisammen hält und daher weniger entscheidend. mehr sorgen mache ich mir bei den büchern um die kanten, denn die neigen dazu zu bestoßen.
im übrigen: eselsohren wird man in keinem meiner bücher finden, aber auch keine lesezeichen. ich merke mir einfach die seite. lesezeichen sind fürchterlich unpraktisch. ständig muss man aufpassen, dass sie nicht herausfallen, verloren gehen und beim lesen lenken sie mich mit diesem umstand einfach vom genuss des inhalts ab.
was das verleihen angeht, so bin ich schon aus berufsbedingten gründen für die weitergabe von wissen egal welcher art
zum glück geht man in meinem freundeskreis mit den büchern sorgfältig um.
allerdings habe ich auch nichts gegen bücher die gebraucht und vor allem nach eigener geschichte aussehen (s.o. der rilke). das wird dadurch begünstigt, dass ich quasi nur noch gebraucht und fast nur in antiquariaten kaufe.
der berufliche part sieht die bücher aus einer anderen sicht. natürlich müssen sie erhalten werden, damit möglichst viele nutzer etwas von den büchern (und auch anderen medien wie cd's und ähnliches) haben. daher werden sie in folie eingeschlagen, bekommen ihre kriegsbemalung (die signatur) und werden ins regal gestellt.
aber da ist ein buch nur ein buch - eine gewisse (auch finanzielle) werteinheit.
bibliothekare sind unter anderem verwalter. ist das buch noch aktuell? wie beschädigt ist es? wieviele exemplare haben wir? wie oft wird es ausgeliehen?
fällt die abwägung zu ungunsten des buches aus - wird es bestenfalls für den flohmarkt bei seite gelegt, bei zu üblem zustand entsorgt und ggf. ersatz beschafft.
mir persönlich reißt es dabei jedes mal das herz heraus. gerade die total zerfledderten bücher möchte ich unbedingt retten.
fassen wir zusammen... bücher dürfen, ja fast müssen, gelebt aussehen. bekomme ich eines neu, wird es sorgsam behandelt, auch wenn der rücken mal kracht. das ist aber kein beinbruch.
eselsohren jedoch sind, neben kuli- oder sonstiger permanenter eintragungen eine todsünde für mich.