Ich kann den Spruch "Lesezeit ist vergeudete Zeit" durchaus verstehen, auch wenn ich selbst gerne und viel lese. Es gibt z.B. Menschen, die lieber im eigenen Leben bleiben, dabei sehr bewusst mit sich und der Welt umgehen und die "Flucht" in Geschichten anderer, egal ob als Film oder Lied oder Buch, nicht mögen - und zwar nicht mal, weil sie es noch nie ausprobiert und kennen gelernt haben, sondern weil sie festgestellt haben, dass es nicht besser ist als sich intensiv um sein eigenes Leben zu kümmern.
Das mag zwar auf die im Eingangsbeitrag angesprochene Dame nicht zutreffen, aber wer weiß? Eine TV-Zeitung zu haben bedeutet nicht, dass man ständig fernsieht. Es kann auch heißen, dass jemand gezielt und ganz bewusst nach Nachrichtenmagazinen o. ä. sucht.
Fast tun mir solche Menschen Leid, die nie die Erfahrung machen konnten wie schön es sein kann, in eine Geschichte einzutauchen, völlig die Realität zu vergessen und zumindest für kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen.
Es sind Aussagen wie diese, die mir persönlich nicht gefallen. Die Realität vergessen zu wollen und dem Alltag zu entfliehen ist etwas, das ich nicht gut finde. Gerade wenn Alltag und Realität (gemeint ist hier wohl ein wesentlicher Teil des eigenen Lebens) entfliehenswert erscheinen, sollte man sich meiner Meinung nach lieber real darum kümmern, dass das Leben besser, schöner, glücklicher wird, als dass man sich nur von Geschichte zu Geschichte anderer Menchen hangelt. Genau das würde ich dann nämlich wirklich als "Vergeudung eigener Lebenszeit" bezeichnen.
Ich verstehe gut, wenn jemand die "Flucht" in Bücher oder auch Filme, Musik oder andere Medien bewusst ablehnt. Ich verstehe weniger, wenn jemand dem eigenen Leben durch solche Medien entfliehen will.
Klar gibt es nicht nur diese beiden Extrema, sondern viele Facetten. Ich wollte aber zeigen, dass man auch als Bücher liebender Mensch unter gewissen Umständen lesekritisch sein kann, und dass man Menschen nicht unbedingt bemitleiden muss, nur weil sie nicht gerne lesen.
Viele Grüße
Ch.