Was liebst Du?
Das mit der Liebe ist so eine Sache. Wir können uns nicht aussuchen, wen wir lieben, es passiert einfach. Wir können uns auch nicht aussuchen, ob das Objekt unserer Liebe männlich oder weiblich, schwarz oder weiss, ein Arschloch oder ein Traumprinz ist.Und manchmal können wir uns nicht einmal aussuchen, ob das Objekt unserer Liebe ein Mensch oder, naja, eben ein Objekt ist. Kein Fetisch, sondern echte Zuneigung und Partnerschaft. So ist das bei Menschen mit Objektophilie.
Menschen lieben Grammofone, Flipperautomaten oder Dampflokomotiven. Wieder andere – und das dürfte einigen unter uns schon weniger bizarr vorkommen – lieben Autos.
Der Grad der Ausprägung ihrer Objektophilie lässt sich mangels wissenschaftlicher Kriterien vielleicht an der Zärtlichkeit ablesen, mit der sie bei der samstäglichen Wagenwäsche den Schwamm über Lack und Felgen kreisen lassen. Auf die Erhöhung der Benzinpreise reagieren sie so beunruhigt, als drohe nun der Hungertod eines nahen Verwandten. Nicht wenige geben ihren fahrbaren Untersätzen sogar Kosenamen.
Wen man liebt, das lässt sich oft leicht beantworten: Partner, Familie, Freunde.
Man liebt aber auch abstrakt: eine Musik, eine Filmszene.
Man liebt Bücher und Schallplatten, nicht aber als die Dinge, die sie auf den ersten Blick sind, vielmehr als magische Medien der Gedanken und Empfindungen eigentlich fremder, doch bald vertrauter Menschen.
Wo endet dann eine Liebe? Oder ist Liebe unendlich?
Und ganz konkret: das Cabrio.
Am Anfang ist es ein kurzer Moment, ein Reiz, der die Aufmerksamkeit auf dieses eine bestimmte Cabrio lenkt. Der Gedanke lässt einen nicht los, bis man es wagt, ihm näher zu kommen. Bald lebt man gemeinsam unter einem Dach.
Dass man dieses stets bei sich hat, mental oder physisch, beruhigt ungemein. Die Vertrautheit mit Formen, Gerüchen, dessen Reaktionen. Sie sind die Asservaten des eigenen Lebens, lauter Beweise, dass es einen gibt, Talismane, die verhindern, dass man seine Konturen verliert.
Stösst dem Cabrio etwas zu, so ist das Mitleid erweckt. Das Schicksal des Cabrio geht einem nah. Auch wenn es nur eine Delle aufweist, welche seine rein technische Funktion in keinster Weise beeinträchtigt: es tut in der Seele weh.
Gleichsam ist es kaum zu ertragen, wenn andere Menschen nicht pfleglich, geradezu achtlos mit ihrem Cabrio umgehen. Mag sein, dass jeder sein Cabrio anders benutzt - mehr oder weniger damit fährt, nur im Sommer oder auch bei Schmuddelwetter. Bedauert wird aber die mangelnde Wertschätzung für das Ding selbst.
Manchmal geht so eine Beziehung auch in die Brüche. So wie wortwörtlich die Ehe von Eija-Riitta Eklöf-Berlinmuren, als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fällt. Gut 10 Jahre waren die beiden offiziell verheiratet.
Ein Unfall, ein technisches Gebrechen beendet eine Cabrio-Beziehung mitunter. Die Liebe bleibt jedoch bestehen, überdauert die Trennung oder gar den Tod.
Was liebst Du?
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Objektsexualit%C3%A4t
https://www.tagesanzeiger.ch/komm-her-mein-kleines-thermometer-dir-ist-bestimmt-kalt-276315104882 (Paywall)
https://www.vice.com/de/article/jmnkm8/objektophilie-wie-es-ist-sich-in-gegenstaende-zu-verlieben395
https://www.zeit.de/zett/2016-04/objektophilie-ich-habe-sex-mit-einer-boeing-737-800
https://taz.de/Banale-Objekte-einer-obskuren-Begierde/!341151/
http://www.objektophilia.de/