Dominanz und Augenhöhe - wie geht sich das zusammen?
Ich möchte gerne ein Thema starten, welches mich lange Zeit selbst sehr beschäftigt hat, als ich BDSM als Spielwiese für mich entdeckte, um von euren Erfahrungen in solchen Situationen zu lesen und dem Einen oder der Anderen vielleicht sogar auch etwas mitzugeben. Erkenntnisse vielleicht, oder Mut. Hoffnung… Wir werden sehen.Damals, als ich lediglich „normalen“ Sex kannte und dann entdeckte, dass es Spielarten gibt, die ganz anders sind, bekam ich starke Zweifel, ob diese Fantasien wirklich zu mir gehören. Ob sie überhaupt sein dürfen. Ich fragte mich:
Wie schaffe ich es als Mann, gleichzeitig (der beiderseitigen Lust wegen) dominant einer Frau gegenüber zu sein und sie trotzdem weiterhin als starken, selbstbewussten Menschen auf Augenhöhe zu betrachten?
Dabei möchte ich darauf hinaus, dass es Männer hierzulande durchaus schwer haben können, richtig fies, gemein und vielleicht auch brutal gegenüber Frauen zu werden, auch wenn diese das möchten, also Konsens herrscht, weil das gegen ihre Überzeugung geht, Frauen dürfe man (Mann) doch nicht weh tun. Und obwohl beide sich eigentlich einig sind, dass beide genau das wollen, gibt es da diese Hemmschwelle, die ein Mann überwinden muss: er als vermeintlich stärkeres Geschlecht soll also ein vermeintlich schwächeres beherrschen, quälen, erniedrigen, schlagen. Und das, obwohl wir als Männer seit Jahren (und wirklich: zum Glück, das wird verdammt nochmal Zeit!) lernen, dass wir Frauen als uns gleichberechtigte Menschen ansehen und auch so behandeln sollen. Dass Frauen natürlich nicht das schwächere Geschlecht sind, sondern ebenso stark, selbstbewusst, wertvoll wie Männer auch.
Entschuldigt, wenn Non-Binäre alleine durch das Thema an sich ausgeschlossen werden. Es ist nicht meine Absicht, diese Mitmenschen zu diffamieren oder auszugrenzen, überhaupt nicht. Die althergebrachte Rollenverteilung gibt jedoch das Thema vor. Non-Binäre haben die hier geschilderten Probleme vermutlich schlichtweg gar nicht.
Kurzum, wir stecken also jetzt in einem ziemlichen Männer-Dilemma.
Und genau darum soll es hier gehen:
Darf ein Mann in bestimmten Situationen noch Macho sein?
Wie verträgt sich männliche Dominanz mit gelebter Gleichberechtigung?
Vor welchen Schwierigkeiten steht Mann, wenn er Dominanz lebt?
Es soll nicht darum gehen, wie fremde Kulturen diesen Spagat schaffen oder auch nicht, weil dort ganz andere Gepflogenheiten herrschen, ob veraltet und falsch oder auch nicht. Es soll nicht darum gehen, ob bestimmte Männer nur vortäuschen, dominant zu sein und sich bewusst keine starken, selbstbewussten Frauen suchen, um einen Stich zu landen. Es soll nicht darum gehen, die alten Rollen zu tauschen und dieses Thema mit einer FemDom und ihrem Bottom durchzuspielen – das wäre nicht das gleiche.
Nein, es geht mir hier einzig darum, welche inneren Kämpfe dominante Männer mit sich führen, wenn sie Frauen gegenüber Dominanz zeigen. Auf einer Seite die Lust, sie schwach zu machen und sie schwach zu sehen. Auf der anderen Seite das Wissen, eigentlich eine starke Frau bei sich haben zu wollen.
Auch ich hatte, als ich mich näher damit beschäftigte, was da in mir schlummert und geweckt wurde, wenn ich Fotos oder Videos sah, wo Frauen dominiert wurden, Zweifel, ob das für mich überhaupt tragbar, ja, sogar ertragbar(!) sein kann. Und obwohl meine Art BDSM eine sehr fürsorgliche, sachte Art ist, bin ich dabei immer auch gerne mal sehr gemein und regelrecht fies. Ich liebe es, zu demütigen. Und ich fragte mich: darf ich so sein? Darf ich sie so klein machen, wo ich doch unbedingt auf Augenhöhe sein möchte? Oder ganz direkt: darf ich zu diesem Zwecke in ein veraltetes Rollenbild verfallen?
Das Männer-Dilemma.
Und nun wünsche ich mir, dass wir über unsere Erfahrungen mit genau diesem Thema diskutieren können, freundlich und respektvoll. Dass wir unsere Sorgen und unsere Zweifel mitteilen können, auch wenn Andere eine abweichende Meinung dazu haben. Dass wir Männern, die sich gerade mit diesen Fragestellungen beschäftigen, Mut machen können, denn: es ist gut, sich damit auseinanderzusetzen, und wenn Konsens herrscht, darf die männliche Dominanz und die weibliche Schwäche auch sein. Oder?
Und noch ein prophylaktischer Disclaimer: Ich bin wahrlich nicht für die Unterdrückung der Frau oder irgendeines anderes Geschlechts. Ich bin weder für historische, veraltete Rollenbilder noch wünsche ich mir diese zurück. Ich bin gegen Gewalt und Unterdrückung, wenn diese nicht von beiden ausdrücklich gewollt ist. Aber ich liebe Schokolade.