Leseprobe 3: "Hinter dem Schmerz nichts als Romantik"
Jetzt schon als Taschenbuch im Handel erhältlich. ISBN: 9783757852948Überall dort, wo ihr eure Lieblingsbücher kauft.
Das E-Book folgt in Kürze.
Kapitel 2, 04 Wannenbad
Erst einfließendes Wasser, dann Musik aus der obersten Etage. Klingt nach Lana Del Rey. Ich muss lächeln. Ihr geht es gut. Wie es mir geht, frage ich mich nicht. Nicht mehr. Sie steigt in die Wanne, sanfter Balanceakt. Eine Hand am weißen Panton Chair. Der Schwung ihrer Beine. Eines nach dem nächsten. So macht sie es stets. Ich bilde mir ein, es zu hören. Das Haus ist so offen wie unsere Ehe. Langsam weicht die Schamesröte, behutsam kehrt Ruhe ein.
Die erste Nachricht nach fünf Minuten. Von ihrem Smartphone. Ich höre sie nicht. Lautlos. Inzwischen stehe ich vor dem Fenster. Was will der Herbst mir sagen? All diese Farben. Draußen bewegte Bilder. In mir turbulente Skizzen. Ich drehe mich herum, kreise mit dem Kopf. Als müsse ich eine Verspannung lösen. Die große Küche. Ihre Wäsche auf dem Tisch. Ich atme tief durch.
Claires zweite Nachricht bemerke ich zuerst. „Wie geht es dir?“ Ich antworte nicht, sehe, dass zuvor ein Video angekommen ist. Eine Minute und dreiunddreißig. Ich begreife sofort. Noch vor dem „Wie geht es Dir?“ also ein Eindruck von letzter Nacht. Ich sehe sie auf Knien, noch sind die Halterlosen an ihrem Körper. Die Schuhe verliert sie bei 0:59. Seine linke Hand in ihrem Haar. Bei 1:09 kommt die rechte dazu. Gemeinsam drücken sie ihren Kopf an seinen Unterleib. Ich sehe es in Zeitlupe. Sie würgt, keucht. Dann wird das Tempo rau. Heute nicht zusehen? Ich erlebe das Gegenteil. Nicht mal anwesend wäre mehr dabei gewesen. Abwesenheit, ein Privileg der Ahnungslosen. Bei 1:29 stößt er sie zurück. Im Bild nur noch seine pulsierende Härte. Fünf ewige Sekunden. Selbstbewusster Taktgeber, sichtbare Stärke.
Ich bemerke, wie mir eine Schweißperle von der Stirn herunterrinnt. Heißer Herbst. Ihre dritte Nachricht: „Er heißt Jon.“ Ich bleibe unfähig, zu antworten. Erneut Scham. Aber auch Lust. Ich hänge meiner Verwirrung noch nach, als sie mir seinen Kontakt hinterherschickt. „Abspeichern!“ Ganz trocken in Nachricht vier. Wahrnehmbarer Herzschlag, ich scheine noch zu leben.
Oben im Bad verstummt die Musik. Ich glühe. Fühle alles. Alles gleichzeitig. Ambivalenter Erregungszustand, schummriger Verstand. Nachricht fünf: ein zweites Video. Vier Minuten und achtundvierzig. Ich keuche. Mein Herz schlägt jetzt bis zum Hals. Ein nächster Text, eine weitere Schweißperle, der inzwischen feuchte Nacken. „Schick‘ den Ton per Airplay auf meine Box hier oben. Ich will uns hören, während du es dir anschaust. Love you, Baby.“
Copyright: GIlbert Bach. 2023.