Angeschossen

Am Morgen ruft sie an, schon bereit fürs Frühstück. Ich bin verkatert, halte meinen Ringfinger in den heißen Kaffee, um sie zu spüren. Und ihrer Fröhlichkeit etwas entgegenzusetzen. »Gil, es ist ein Risiko, aber er hat den Schlüssel zu deinem Käfig. Heute Abend sehen wir uns wieder. Mit etwas Glück.« Ihr selbstverständlicher Ton lässt mich erstarren. Kaum Zweifel, keine Gnade. Das, was es zu erwidern gäbe, fällt mir nicht ein. Ich hänge fest, höre im Echo: »Mit etwas Glück.« Mir wird übel. Der Rotwein als akute Linderung half in der Nacht, jetzt vermischt er sich mit meiner peinlichen Lage zum ersten Schmerz des Tages. Claire redet einfach weiter. »Eigentlich wollte er dich auch per Messenger etwas weiterquälen. Er hat aber deine Nummer nicht, keine Sorge. Nur den Schlüssel. Na ja, und Pläne will er ändern, heute also nochmals in die Hotelbar. Das könne gelingen, wie er meint. Zur Sicherheit solle ich den Slip weglassen. So sind sie alle. Was soll’s, aufregender Typ. Rotzfrech, schöner Schwanz, fester Griff und weiche Stimme.« Sie erzählt das im Fahrstuhl, ich höre die typischen Etagengeräusche und zwischendurch ein »Guten Morgen«. Mir wird schwindelig, als stürzte ich in ihrem Aufzug ab. Claire ist ohnehin nicht zu bremsen: »Ein rosafarbener Peniskäfig, beste Idee meines Lebens, Gil. Wie er dich ›Loser‹ genannt hat! Fantastisch. Er wollte deine Ehefrau vögeln, dich gleich mit. Nicht irgendeine Barbekanntschaft. Deine Frau, Cucki. Oh, das war gut. Hach, schön. Okay. Hoffentlich schafft er es heute Abend. Schick mir ein Foto in Halterlosen und Käfig. Weißes Papier, mit meinem Lippenstift schreibst du nur ›Danke‹ drauf. Ich leite es weiter, dann kommt er bestimmt. Es sei denn ... du willst, dass er mit deinem Käfigschlüssel über alle Berge verschwindet. Ich kenne nicht mal seinen Namen.« Sie lacht. Und legt einfach auf.

© Gilbert Bach. 2023