Anchlussfähig
Ich sitze bei Rotwein und Kerzenlicht. »Mach es dir hübsch, Sissy.« Claire ist in ihrem Element, schon seit einiger Zeit. »Du kennst die Schublade im Bad. Suche dir rosafarbenen Nagellack. Passend zum Cage. Hände und Füße! Mehr trägst du nicht. Dann bestellst du dir eine Pizza.« All das kommt in vier Textnachrichten. Die fünfte: »Vielleicht spart dein Mund dir das Trinkgeld.«Draußen peitscht der Regen gegen die große Fensterfront. Im Haus ist es behaglich und warm. Ich friere, bin nackt und jedem Luftzug ausgesetzt. Und sei dieser noch so eingebildet. Der Bote belieferte unsere Adresse nicht das erste Mal, sein irritierter Blick jedoch war neu. Ohne Bademantel traute ich mich nicht. Nun lasse ich den Wein auf meiner Zunge wirken, gehe Möglichkeiten durch. Sie blieben uns beiden in Scham verwehrt. Das ist erregender, als ich mir eingestehen will. Der Käfig erinnert mich sofort.
Um zwei Minuten nach zehn ruft sie an, zu hören ist der unbekannte Keyholder. Mit tiefer Stimme, ruhiger Melodie. »Der Schlüssel hängt wieder um ihren Hals, du Pussy. Dein Puls kann wieder runter.« Stattdessen geht er nach oben. Meine Aufregung verhindert jeden Ton. »Ich bin heute Abend nicht allein gekommen. Zweiter Mann am zweiten Abend. Das schien mir passend, verschlossener Freund. Er ist schon mit ihr aufs Zimmer. Ich trinke noch aus und zahle. Dann gibt es einen späten Snack für eine wunderschöne Frau. Deine wunderschöne Frau.« Er pausiert ohne Nebengeräusche, ich zittere mich fast vom Stuhl. Die Welt verengt sich vor meinen Augen, er hat keine Eile, spricht langsam und klar. » Sie wird es vertragen, mein Lieber. Nur ganz leichte Kost. Sandwich und Saft.« Ich sinke hinab auf den Holztisch, vergrabe meinen Kopf in beiden Armen. Neben Pizza und Wein.
© Gilbert Bach. 2023