Gilbert und Anouk

»Wo bist du gerade, süße Maus?« In ihr herzzerreißendes, inzwischen fast erleichtertes Jammern mischt sich ein kurzes Lachen, die Verniedlichung holt sie zurück ins Leben. »In deinem Zimmer, Daddy. Jon war gerade bei mir. In mir. Er läuft gerade aus mir heraus. Und das ist mir peinlich. Ich wollte so nicht mit dir telefonieren. Aber es ist einfach eben passiert. Und ...« »Schon gut, Anouk. Ich kenne das schon.« Sie beginnt erneut, zu weinen. »Wo ist er gerade?« »Joggen.« Ich rolle mit den Augen. Nach dem Sex. Er ist als Kind in ein Fass aus Stamina gefallen. »Du weißt, dass du wieder fällig bist, wenn er zurück ist?« Anouk lacht. »Daddy! Er ist unglaublich. Wie kann das sein?« »Ich habe keine Ahnung, Anouk.« Mit ihr zu sprechen, fühlt sich erstaunlich gut an. Auch wenn es mal wieder darum geht, dass mir Hörner aufgesetzt werden. Ich spüre, dass es anders ist. Ich spüre, dass Anouk die Welten trennt. Ich verstehe, dass sie bei mir ist. Anders als Claire. Zumindest reagieren sie auf Jon unterschiedlich. »Gil, ich verstehe deine Frau. Wirklich. Jon riecht fantastisch, bewegt sich gut, ist empathisch, aber dabei stets in charge, ist alles, was man als Frau braucht, wenn man in diesen zuckersüßen, libidinösen Schwindel abtauchen will. So als schneide man sich eine Scheibe Testosteron ab, direkt von der heiligen Quelle, wenn man vor Hitze kaum mehr laufen kann, und legte sie sich auf wie ein erlösendes Pflaster. Auf irgendeine Stelle der Haut. Bis er dir am Abend das Pflaster einfach entfernt, es abreißt, rough. Nur, um dich dann mit phallischer Glückseligkeit ins Universum zu schießen. Mit einer Leichtigkeit, als sei es ein verfickter Linienflug. Er ist irgendein Liebesgott, Gil. Nur kochen kann er nicht.« Ich strahle, ringe um Fassung, diese fünfundzwanzigjährige Frau, wie konnte ich sie vorher nicht sehen? Was außer meiner fast väterlichen Arroganz hielt mich ab? Sie ist fantastisch. »Daddy, ich will zu dir. Hast du Platz für einen sehr durchgefickten Engel? Ich möchte in deinen Schoß kriechen. Ich möchte dich an meinen Zehen lutschen sehen. Ich will mit dir nackt im Meer schwimmen. Einen wilden Griechen vor deinen Augen zum Glühen bringen. Dich trösten. Dich küssen. Deine wundervollen Lippen spüren. Deine Wärme. Diese ganze Liebe in dir, Herr Bach, ich kann sie bis hierhin fühlen. Schenk sie mir. Lass sie zu. Lies mir vor. Füttere mich mit deinem Intellekt. Füttere mich mit kretischen Feigen, atme mich ein. Öffne dein Herz für mich, du großartiger Mensch. Ich habe mich sehr in dich verliebt.«