Der neue Weg
Der Wecker meldet sich und dessen Klangfarben bohren sich in Lydia's Kopf. Sie liegt halb nackt im Bett in einem Doppelzimmer, dessen sie seit drei Wochen alleine in einem Sportinternat bewohnt. Ihre frühere Mitbewohnerin ist ebenso 19 Jahre alt, ist aber wegen einer komplizierten Sportverletzung in einer Rehaklinik.
Nun heißt es wieder aufstehen und den straffen Zeitplan abarbeiten, das frische Studium läuft auch noch nebenher.
Das Schwimmen ist seit ihrer Kindheit eine Leidenschaft, vielleicht auch mehr oder weniger von ihren Eltern, die die Weichen dafür gestellt haben.
Sie macht sich schon seit etwa einem Jahr oder schon viel länger Gedanken darüber, ihre frühe Jugend, auch Kindheit, vielmehr den Hunger auf Freiheit, Selbstbestimmung, sich selbst zu finden, sowie den schleichenden Hunger auf fremde Lippen und Haut, versäumt oder nicht gerecht worden zu sein.
Heute ist der Tag, wo sie zum ersten Mal überhaupt, ihr Schwimmtraining, die teils langweiligen Stunden im Klassenzimmer, vielmehr den ganzen Tag im Internat, ausfallen lässt.
Sie wird sich krank melden und sich von ihm abholen lassen, sie werden ein langes Wochenende haben.
Letzte Woche Samstag klingelte Lydia das erste Mal an seiner Haustür, trug unter ihrem Mantel eine Art Schuluniform, ahnte aber noch nichts davon, dass diese erste Begegnung in seinen vier Wänden, ihr Leben oder vielmehr ihre Sinne, umkrempeln, nein verhexen würden.
Es begann vor drei Wochen an einem Freitag Nachmittag, als sie nach dem Schwimmen ihrer 1000 Meter, was sie jeden Freitag als Nachtisch nach dem eigentlichen Schwimmtraining tat, auf dem Weg vom Schwimmbad zum Parkplatz und auch ins Wochenende, einen Mann, diesen ganz anderen Mann begegnete.