Etwas zum Nachdenken
Hallo, keine Sorge, ich poste hier nun keine nachdenklichen Gedankengänge. Genau genommen ist das der Titel eines Kapitels des neuen Romanes über Odine und Amelie. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen. Natürlich freue ich mich über Anregungen und Kritik. Aber mich würde auch Eure Meinung zum Inhalt sehr interessieren.
Der nächste Morgen kam viel zu früh. Odine war wie immer als Erste wach und machte das Frühstück. Sie stellte die Kaffeemaschine an und ging dann duschen, als sie aus dem Bad kam, und gerade den Tisch decken wollte, überlegte sie. Porridge oder Rührei und Brötchen, das war hier Frage. Sie entschied sich für Porridge. Rührei und Brötchen gab es nur am Wochenende und zu besonderen Feiertagen. Jetzt in dem Moment war aber Stabilität das Wichtigste, also setzte Odine das Porridge auf und füllte sich einen Kaffee in einen Becher. Dann sah sie aus dem Fenster, das Wetter würde heute ungemütlich werden. Aber es war wie jedes Jahr um ihren Geburtstag ein typisches Novemberwetter. Nachdenklich nippte sie an ihrem Kaffee. Wie sollte sie Amelie nur klarmachen, dass sie sie niemals verlassen würde? Dass es nicht in ihrem Naturell lag, bewusst Dinge zu tun, die sie gefährden würden. Sie verstand sich als Caregiver als Mensch, der die Menschen, die er liebt, umsorgen und beschützen will. Das würde nur funktionieren, wenn sie leben würde. Aber es gehörte eben auch zu ihrem Beruf, Risiken einzugehen. Und diese würden dann eben doch Gefahren mit sich bringen. Aber sie würde niemals bewusst Amelie wehtun wollen. Amelies wunder Hintern waren das kleinere Übel gewesen. Amy wollte die Grenzen ausweiten, sich gegen Odine durchsetzen, und das durfte nicht passieren. Wenn ihre Frau, wenn Amy anwesend war, dann könnte sie aus Impulsivität Dinge tun, die nicht gut für sie waren, und genau das wollte Odine verhindern. Das würde sie immer verhindern wollen. Notfalls auch mit einem wunden Hintern. Der wunde Hintern war weitaus weniger schlimm als das, was passieren konnte, wenn ihr blonder Engel komplett frei drehte. Aber wie sollte sie Amelie das klarmachen? Wie sollte sie ihr klarmachen, dass sie mitunter keine andere Wahl hatte? Ja, Amy hatte erkannt, dass Odine sie immer beschützen würde, immer für sie kämpfen würde. Aber würde diese Erkenntnis anhalten? Würde Amelie wieder anfangen zu vertrauen? Und viel wichtiger würde Amelies kleine Seite, würde Amy ihr wieder vertrauen? Amy und Amelie waren natürlich keine grundlegend verschiedenen Menschen. Amy war einfach impulsiver, hatte sich das kindliche Gemüt bewahrt und gerade dieser so verletzliche Teil in Amelie war es, der gerade versuchte Amelie vor weiteren Verlusten zu beschützen, sie vor weiterem Schmerz zu bewahren wollte. Amelies Persönlichkeit war wie bei jedem Menschen in mehrere Ebenen aufgeteilt. Zum einen war da die brillante Polizistin, die Odine für ihren Intellekt und ihre Zähigkeit schätzte, seid sie sie kannte. Dann war da Amelie, eine wunderhübsche, erwachsene Frau, mit Witz und Humor, aber auch mit vielen Unsicherheiten, zumindest im Privatleben. Amelie fiel es schwer zu vertrauen, sie hatte zu vieles erlebt, um schnell jemandem zu vertrauen. Und dann war da Amy, dieser Teil von Amelie, der nur dann zum Vorschein kam, wenn sich Amelie absolut sicher fühlte, oder wie gerade absolut verunsichert war. Odines erneute Entführung hatte Amelies Grundvertrauen erschüttert und Odine musste einen Weg finden, das wieder aufzubauen. Sie musste einen Weg finden, Amelie wieder zu zeigen, dass sie für sie da war, dass Amelie in ihren Armen den sichersten Platz der Welt hatte. Unwillkürlich musste Odine schmunzeln. Als die beiden ihre Flitterwochen in Florida verbracht hatten, hatte sie genau diese Worte gegenüber Erikas und Kassys Daddy Dom gebraucht. Da hatte sie die Arme von Odine und Frank als sichersten Platz der Welt beschrieben. Und ja, genau das sollten sie auch sein. Genau das wünschte sich Odine sehnlicher als alles andere. Odine war nicht gerne streng zu Amelie. Sie liebte sie, wollte, dass ihre Frau glücklich war. Aber ihre vier Grundregeln gab es nicht ohne Grund in Odines Leben. Sie wollte nicht, dass dem Menschen, der ihr ganzes Leben war, irgendetwas passierte und nur deswegen hatte sie damals die Regeln für sich und ihre Beziehungen etabliert. Sie fing an, über diese Regeln nachzudenken.
1. Bring Dich nicht in Gefahr!
Bei einem Job als Polizistin war diese Regel für sie und auch für Amelie nicht immer umsetzbar. Das wusste sie nur zu gut. Aber wie sollte sie es Amelie klarmachen? Dass diese Regel beruflich nicht immer umsetzbar war? War diese Regel überhaupt noch praxistauglich? Auf der anderen Seite ging der Wortlaut der Regel darüber, sich nicht in Gefahr zu bringen, also es aktiv zu tun. Diese letzte Aktion war keine aktive Aktion von Odine. Anders, wie bei Junovic hatte sie das hier nicht geplant.
2. Sei stets respektvoll zu anderen!
An dieser Regel müsste sie Amelie bestimmt noch eine Weile arbeiten. Auch wenn es nie böse von ihr gemeint war. So hatte sie dennoch in letzter Zeit wieder gezeigt, dass sie diese Regel nicht verinnerlicht hatte.
3. Sei Gehorsam!
An dieser Regel würden die beiden immer mal wieder arbeiten müssen. Mitunter gingen mit Amelie halt die Pferde durch. Aber das war nichts, was für Odine nicht handhabbar war. Diese Regel müsste mit Sicherheit nicht angepasst werden.
4. Beschütze unsere Familie!
Genau das hatte Odine versucht, sie hatte versucht Amelie so gut es war zu schützen, sie hatte sich den beiden, als sie im Haus waren gestellt. Aber nicht, weil sie es wollte. Sondern, weil sie keine Wahl gehabt hatte. Sie und Amelie waren eine Familie und sich einfach von den beiden umbringen zu lassen, wäre gleich ein mehrfacher Verstoß gewesen. Ja, sie hätte versuchen können, zu fliehen. Aber wie wäre das weitergegangen? Die ganze Nachbarschaft in Gefahr bringen?
Odine rührte gedankenverloren im Porridge und merkte gar nicht, dass Amelie in die Küche kam. Erst als diese sie von hinten umarmte, wurde Odine aus ihren Gedanken hochgeschreckt.
„Alles in Ordnung, Schatz?“, fragte Amelie besorgt.
„Nein, ich denke gerade nach“, antwortete Odine wahrheitsgemäß.
„Worüber?“
„Darüber, was hier gerade passiert.“
„Und was passiert hier?“
„Das versuche ich gerade herauszufinden.“
„Bekomme ich Ärger?“, fragte Amelie mit zögerlicher Stimme.
„Nein, ich muss mir nur über einiges klar werden“, sagte Odine mit sanfter Stimme.
„Wie meinst Du das?“
„Darüber reden wir nachher, wenn wir von Angus zurück sind? Einverstanden?“
„Solange Du wirklich mit mir redest, ja. Ich will Dich nicht verlieren, Odine.“
„Du wirst mich nicht verlieren, wie soll ich das nur endlich in deinen Dickschädel bekommen?“, kam es härter als gewollt aus Odines Mund.
„Dann bringe Dich nicht immer in Gefahr. Ich hätte für so einen Scheiß schon lange kassiert“, schrie Amelie.
Odine atmete durch, nahm das Porridge vom Herd, nahm Amelies Hand und zog sie in Richtung Couch. Eigentlich wollte Odine noch warten bis sie es selbst genau greifen konnte, aber dieses kleine Streitgespräch zwischen ihnen beiden hatte ihr wieder gezeigt, dass es besser war, nun das Gespräch zu führen. Sie setzte sich hin und dirigierte Amelie neben sich. Amelie sah Odine verwirrt an, sie hatte mit einer anderen Reaktion von Odine gerechnet. Sie hatte damit gerechnet, dass ihr Hintern gleich in Flammen stehen würde. Aber anstatt, dass sie sich über Odines Knien wiederfand, saß sie neben ihrer Frau und diese begann zu sprechen.