Wenn man auf der Erde geraten bekommt, besser zuhause zu bleiben, dann gehen wir mal nach Traduum. ...
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5. Einreiseformalitäten
Der dritte Hyperraumflug brachte sie in das Traduum-System. Fünf Tage hatten sie für ihre Reise benötigt. Das war rekordverdächtig schnell. Für gewöhnlich dauerte diese Strecke deutlich länger. Aber auch das konnte schon mal passieren. Nicht immer nur über die Zeit als geplant.
„So, da wären wir schon! Wir hatten freie Fahrt und offensichtlich kräftigen Rückenwind.“, scherzte Pho. „Wir müssen jetzt in den speziellen Empfangsbereich der Station. Es sind etliche, besondere Formalitäten zu erfüllen, wenn wir einen der Planeten besuchen möchten und nicht nur in der Station einem Geschäft nachgehen wollen. Das regle alles ich. Wir müssen persönlich vorstellig werden und uns auch einer peniblen Körperkontrolle unterwerfen, völlig nackt. Etwas nach Traduum zu schmuggeln ist eigentlich unmöglich. Wir nehmen also nichts mit, außer uns selbst. Wir können immer beisammenbleiben, denn zwischen Männern und Frauen wird nicht unterschieden. So wie ich es sehe, sind wir gerade die einzigen einreisenden Besucher hier. Nun ja. Wer will auch schon nach Traduum?“
„Hier scheint es wirklich übel zuzugehen, wie ich bisher gehört habe. Auris und Doro wollten nie mehr hierher zurück und ihr Sklavendasein weiterführen.“
„Deine Mädchen kann ich gut verstehen.“, stimmte Pho ihm mit trauriger Miene zu.
Nachdem Pho den Anweisungen der Flugleitzentrale Folge geleistet hatte und sie das Schiff in Parkposition gebracht, erklärte sie ihm eindringlich: „Also, Alex. Wir ziehen alles hier so durch wie besprochen. Bleibe dieser Linie immer treu, während des gesamten Besuches. Und ich frage dich jetzt ein letztes Mal: Du willst tatsächlich deine beiden Prinzessinnen besuchen? Heilige Galaxis!! … Warum?!“
Er druckste verlegen: „Nun … also … ich meine … Ich möchte einfach wissen, ob ich sie geschwängert habe. Der Gedanke, dass von meinen Kindern welche dabei sind, die ein gewaltiges Sternenreich erben werden … fasziniert mich schon.“
„Meine ich halt.“, fügte er rasch hinzu, nachdem er sah, wie Pho mit den Augen wild rollte. „Du hast wirklich keine Ahnung, mein Schatz!“, jammerte sie. „Deine Kinder mögen wohl dein Erbgut in sich tragen. Aber schon nach wenigen Erziehungsjahren wirst du sie nicht mehr als deine Kinder titulieren wollen! Sie werden ebenfalls zu solchen Sklavenschindern werden wie ihre verfluchten Mütter. Glaub‘ mir. … Aber wenn es dein innigster Wunsch ist, so werde ich versuchen, dir dabei zu helfen.“
„Vielen Dank, Pho. Wir bleiben hier nicht länger als notwendig. … Und dich wird es wirklich nicht stören, wenn ich den sexwilden Bullen mache, dessen Aufpasser und Beschützer du bist?“
„Weißt du einen besseren Vorschlag? Alle kennen dich als großartigen Bullen! Wirklich kein Bulle der Galaxis würde je seinen Job ändern, solange er es tun kann. Niemand würde dir das glauben! Wirklich N-I-E-M-A-N-D!! Du bist ein freier Bulle und mich hast du gefunden als deine Managerin und Bodyguard. Wir sind also gleichberechtigt. Von solchen Pärchen reisen einige in der Union herum. Nur hat bisher noch keiner je eine echte Goldene zur Seite gehabt. Du darfst gerne Stolz zeigen darum, mein Lieber! Dann scheint dir immer noch nicht klar zu sein, was es bedeutet, eine Empathin zu lieben. Zwar kann ich deine Gedanken nicht klar lesen, aber ich fühle, wie du zu mir und unserer Beziehung stehst. Ziemlich deutlich! … Und solange es mir passt, solange kannst du deine wertvollen Gene in Frauen verspritzen, wie es dir beliebt. Es bringt uns viele Credits ein. Solltest du aber, wenn wir beide uns lieben, nicht voll auf mich konzentriert sein, ist es aus mit uns, für alle Zeit. Darauf reagiere ich verdammt sensibel! Ich merke das! Ich prüfe das! Nur so bekomme ich auch einen Orgasmus. Aber Eifersucht auf dich habe ich nicht. Nur wenn ich mit dir alleine Sex haben möchte. Es wird nicht zu oft sein. Goldene Schwestern sind lesbisch und Goldene Männer schwul. … Alles klar, mein Schatz?“
„Alles klar, mein Goldschatz!“
„Gut! Dann los! Folge mir! Die Flugscheibe, die uns zur Einreisestation transportiert, hat angedockt.“
Wie alle Einreisende Traduums, waren sie verpflichtet, ihr Schiff in einer ihnen zugewiesenen Parkposition zurückzulassen. Einen Schiffshangar für Gäste gab es nicht. Bevor eine der üblichen Flugscheiben sie abholte, waren sie gehalten, genau mitteilen, was sie mit ihrem Besuch bezweckten und wo sie gerne hinmöchten. Daraufhin wurde entschieden, wo die Flugscheibe sie hinbrachte. Dafür gab es eine Anzahl von an Stationen, die das Sternentor umgaben. Jede Einzelne war für einen definiten Zweck. Eine für Reisende, die hier nur auf Transit waren. Eine gab es für Geschäftsleute, Vertreter und Botschafter, die für ihre Konsultationen keinen Planeten explizit aufsuchen brauchten oder wollten. Dann gab es eine für Lieferanten von georderten Waren. Die vierte Institution war ihr Ziel voraus. Diese diente für alle Besucher zur Einreise, die tiefer in das System hinein mochten. Ob sie das durften, wurde darin entschieden. Ein langwieriger Prozess, mit vielen Nachprüfungen ihrer Angaben. Während dessen musste man auf eigene Kosten eine Suite mieten. Bis man endlich eine Einreiseerlaubnis bekam, konnten nicht selten ein paar Tage, Wochen oder gar Monate vergehen. Schon deshalb besuchte niemand nur zum Spaß das Zentralsystem. Dazu gab es viele andere Systeme im Großfürstentum Traduum, von Gottesgnaden, den man hier Ra nannte. Wie ehemals bei den alten Ägyptern.
Übrigens baute man nicht nur im Stile Ägyptens, zu Zeiten der Dynastien, sondern lebte und glaubte wie sie! Man ehrte Ra, Osiris, Anubis und fürchtete sich vor deren Zorn. Der aufwändige Totenkult feierte ebenso fröhliche Urständ, mit Leicheneinbalsamierung, Mumifizierung und teuren Gräbern mit reichen Opfergaben für das Jenseits, wie damals halt. Oder war hier damals … das Heute? Das alte Ägypten … in ferner Zukunft? Sie glaubten an eine düstere Unterwelt und reisten gleichzeitig zu den gleißenden Sternen. Verrückt, das Ganze.
Das Personal des Empfangsbereiches bestand gemischt aus Menschen, Droiden und allerlei bunt leuchtender Terminals. Für Alex war es völlig undurchschaubar, wo Pho sie in irgendwelcher Art von Zeremonie von einem zum anderen führte. Aber sie vollführte es mit traumwandlerischer Sicherheit und tief unterkühlter, stoischer Ruhe. Lächeln konnte hier scheinbar niemand. Martialisch aussehende Soldaten, bärengroße Roboter und manchmal geifernde Monsteraliens mit Mittelfingerlangen, nadelspitzen Zähnen, standen neben jeder Tür, die sie weiter in die Station hineinführte. Allein der Anblick deren grausiger Waffen ließ Alex kalt werden, in seiner bizarren Nacktheit zwischen alldem. In seiner alten Zeit wäre er schreiend davon geflüchtet.
Nun aber überraschte ihn seine eigene Coolness, wie er hier mit seiner goldenen Liebe herumlief. Ihr merkte man das noch weniger an. Sie tat ihre Arbeit, als wäre sie gekleidet in asexueller Bürokleidung. Zugeknöpft von den Knöcheln bis zu Kinn. Wobei die menschenähnlichen Zollbeamten sie mit gierigem Blick von oben bis unten musterten. Er hätte ihnen allen am liebsten den Schädel bis zur Gurgel eingeschlagen. Pho verlor nicht die geringste Mine. Ihr Gesicht blieb die gesamte Zeit unbeweglich. Wie eine eiskalte Stahlwand wirke sie.
Dann … ENDLICH!!! … Sie waren in einem der Appartements, die wieder genauso aussahen, wie überall auf den Raumstationen mit Besuchsverkehr. Ausschließlich die Farben variierten. Die Tür schloss sich automatisch hinter ihnen.
Erschöpft ließ er sich auf das Bett fallen: „Ich bin fix und fertig, Pho.“
„Warum?“, schaute sie ihn entgeistert an. „Du hast mir doch nur hinterlaufen müssen!“
„Ach … Liebes … wie soll ich dir das nur erklären?.“, seufzte er aus tiefem Grunde. „Aber meine Dankbarkeit zu dir ist so groß wie unser Universum. Hier ist alles so gruselig.“
„Hab‘ ich dir das nicht vorher schon gesagt? Niemand geht zum Spaß nach Traduum! … Übrigens ein weit verbreitetes Sprichwort, Liebster.“
„Jetzt verstehe ich es.“, seufzte er erneut, mit müdem Blick. Es war eine Sache, Monster nur in Filmen zu sehen, aber eine andere, wenn solche leibhaftig den üblen Atem einem ins Gesicht pusteten. Manche von denen waren einige Köpfe größer als er!
„Dann ruh dich jetzt aus. Ich lese derweil am Infoterminal. Vielleicht tätige ich auch noch einige Anrufe.“
Er war vor mentaler Erschöpfung schnell eingeschlafen. Seine Träume belebten Monsteraliens. Er brauchte Kuscheleinheiten, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, dachte er beim Erwachen. Pho lag entspannt neben ihm. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Hand berührte sanft seine Brust. Sein Blick reiste über ihre goldglänzende Körperlandschaft. Abermals konnte er seine Situation nicht greifbar fassen. Sie war so betörend! … Und er erregt auf alles von ihr!
„Danke für das Kompliment.“, schnurrte sie verführerisch, ohne dabei die Augen zu öffnen. Sie umschlang ihn und er sie. Bevor er sich versah, saß sie auf ihm und beide verschmolzen im Liebesrausch ineinander.
Mehrere Stunden verstrichen ansonsten ereignislos. Die Verpflegung in der Station war zum Glück nicht so grausig wie manche der bewaffneten, zähnebleckenden Monster, die in den Gängen Wache schoben.
Während ihrer Mahlzeit gab ihm Pho mit den Fingerspitzen auf seiner Hand abgesprochene, unverdächtige Zeichen, dass er vorsichtig sein musste, was er von sich gab. Oder besser ganz still. Vermutlich war der Raum mit Abhörgeräten verwanzt. Er solle ihr vereinbartes Spiel vortäuschen.
„Wir sind fast durch“, sagte Pho. „Aber etwas will der Letzten Instanz merkwürdig erscheinen. Wir müssen noch zum Einzelverhör. Du als erstes.“
Ihm plumpste das Herz in den Hintern.
„Keine Sorge. Wir haben nichts zu verbergen. Es kann nur passieren, dass die Letzte Instanz uns verweigert oder nur unter gewissen Auflagen weiter lässt. Sonst nichts. Es ginge auch nur um dich! Warum hat sie nicht gesagt. Hab‘ keine Angst. Ich darf dir vorher noch einige Informationen geben. Also kann es nichts Schlimmes sein. Hör zu! Sehr wichtig: Rede in ganz Traduum jede ranghöhere Person immer in der dritten Person an. Abwärts gilt immer das Du. Zum demütigen Gruß legst du vor dem Gesicht die Handflächen aneinander, senkst die Augen und den Blick. Auf diese Weise!“
Es war exakt das südostasiatische Wai, welches sie im vormachte!
„Auch diesen Gruß immer nur rangmäßig nach oben, nie nach unten!“
Das war nun wieder nicht wie das Wai.
„Nach unten grüßt man grundsätzlich nicht. Den Sklaven gibt man allenfalls einen Tritt in den Hintern.“, raunzte Pho verärgert. „Ansonsten gilt, was die ranghöhere Person dir erlaubt. Während du schliefst habe ich dem obersten Eunuchen von Prinzessin Wayana eine kurze Nachricht geschickt. In deinem Namen und darin übermittelt, dass diese dich persönlich zu sehen wünschte, solltest du jemals nach Traduum kommen. Vorsichtshalber habe ich das Gleiche von Nyala behauptet. Hoffentlich hast du mit allem Recht, was du mir erzählt hast, Alex. Nyalas Tiger ist immer hungrig!“
„Es geschah so, wie ich erzählte. Auch wenn mir damals alles so unwirklich erschien“, versicherte er.
Pho wiegte den Kopf mit skeptischer Miene: „Nun gut. Hoffen wir das Beste. … Übrigens habe ich herausgefunden, dass Valini die frisch vermählte Gemahlin Prinz Rah’maas ist. … Schon der Hammer, meinst du nicht auch?“
Ihm wurde mit einem Mal schwindelig. Es fehlte nicht viel und er wäre vom Stuhl gefallen.
„Ich … was … also … äähh ...“, mehr vermochte er nicht zu äußern.
„Deine Meinung ist echt super! … Du solltest jetzt rasch zur Anhörung gehen. Die hier ansässigen Beamten warten nicht gerne. Das gibt sonst Minuspunkte. Ich führe dich bis zu deren Tür und warte dort. Es ist nicht weit. Zur Not kann ich dich auch hintragen.“