Für meinen Mann
Heute Abend möchte ich eine Geschichte beginnen, die hier einen besonderen Ort hat und besonderen Menschen gehören soll. Das Kaminzimmer war der Lieblingsort des Patriziers im Herrenclub. Die kleine Bar zu rummelig und zu laut für ihn. Hier hat er gern Platz genommen, euch beim Lesen zugehört, seine Platten gespielt und uns besondere Geschichten vorgestellt. Lernt ihn etwas besser kennen in den nächsten Tagen. Ich versuche Sprachlosigkeit und Stille mit meinen Worten zu füllen und zu verarbeiten, was gerade geschehen ist.
Einen Espresso und einen Sambuca mit drei Kaffeebohnen, bitte!
Vor einigen Jahren stolperte ich hier über einen Text in reinsten Pälzisch, bekam kugelrunde Augen beim Lesen und habe mich einfach nur gekringelt vor Lachen. In kürzester Zeit hatte ich Herbert und die anderen Bickelmännchen in mein Herz geschlossen und alles, was bisher veröffentlicht wurde, gelesen. Dem Autor schickte ich artig Komplimente, einen eigenen Kommentar unter die Geschichten zu schreiben traute ich mich anfangs nicht. Er antwortete höflich und freundlich, begann meine Bilder wertzuschätzen und fing an, geschriebenes von mir zu beachten. Mich, die Legasthenikerin mit der heißen Nadel, die immer nur Schnellschüsse produzieren kann. Zu der Zeit pflegte ich gerade einen eigenen Thread, der dank kompetenter Unterstützung eines klugen Freundes eine Zeitlang sehr erfolgreich war. Er, der Autor mit dem VIP-Status nahm ihn wahr und lobte mich in seinen Briefen. Eine gemeinsame Freundin schlug vor, ihn bei einer Lesung in Frankfurt zu erleben. Mein erstes Mitternacht-Event im Daniel’s und ein wunderschöner Abend. Sie wollte uns vorstellen, er sagte nur: „Gwen braucht man nicht vorstellen, die Beine würde ich überall erkennen.“ Zu viert verbrachten wir einen fröhlichen Abend und er fuhr die weite Strecke zurück in die Pfalz. Wir wussten, er pflegte seine schwerkranke Frau und wollte möglichst viel Zeit mit ihr gemeinsam verbringen. Ich traute mich und outete mich nun auch öffentlich als sein Gwen-Fan. Wir schrieben regelmäßig. Er wortgewandt aus dem Bauch heraus – ich, mit einem Tag Pause, Rechtschreibprüfung und zweimaligem Korrekturlesen, bevor ich auf Senden drückte. Einige Lesungen im Daniels und seine große Lesung in der Grande Opera habe ich noch besucht, dann machte ich eine längere Joypause. Wir haben nie telefoniert, mein freundschaftliches Angebot meine Gästecouch zu nehmen und nicht am späten Abend noch fahren zu müssen, hat er dankend abgelehnt. So wie ihr ihn alle kanntet, ein Herr und Gentleman durch und durch.
Über zwei Jahre haben wir nichts voneinander gehört. Eine gute Freundin redete mir zu, endlich zurück in den Herrenclub zu kommen. Ich ging online und hatte nach kurzer Zeit einen Teil meines alten Lebens und viele vertraute Menschen wieder um mich. Auch er meldete sich und erkundigte sich, was ich getrieben hatte. Er war überzeugt davon, ich hätte geheiratet und den Joy hinter mir gelassen. Wir schrieben wieder und er erzählte vom Abschied von seiner Frau und dem Jahr als Witwer, wie schwer es sei, ins Leben zurückzufinden. Mal ganz gute und viele schlechte, sinnlose Tage zu haben. Sein Mörfi tappe treu an seiner Seite die große Runde über das Feld nach Höhfröschen, manchmal aber auch nur die Straße runter auf den Friedhof.
Wir haben nie telefoniert, innerhalb der ersten Tage verabredeten wir uns auf einen Kaffee oder ein Glas Wein bei ihm. „Weißt du Gwen, es kann sein, dass ich kein guter Unterhalter bin.“ „Macht nichts, wir können auch zusammen schweigen.“
Ach ja, wer wolle schon mit einem über 60-Jährigen eine Beziehung anfangen, die Plattform wäre langsam nichts mehr für ihn, überlegte er in einem Brief. Ich antwortete ihm spontan aus dem Bauch heraus, er sei einer der attraktivsten Männer für mich und andere Damen hier. Keine blöden flachen Anmachsprüche, einfach jemand mit Niveau, Stil, Herz und Hirn am rechten Fleck. Ich habe einfach den Menschen, den ich kennenlernen durfte, beschrieben.
Am nächsten Samstag schloss ich nachmittags eine Bauphase an meinem Stall ab, hatte eine Sonnenblume besorgt und hüpfte frisch geduscht, mit Leggins und Top bekleidet und Flip-Flops an den Füßen, in meinen Ranger. Er schrieb schon im Vorfeld, er hätte eine breite Einfahrt und es wäre genug Platz für den weißen Elefanten. Etwas verwundert ging ich auf Fahrt. Fast jede Dorfstraße hatte Parkmöglichkeiten, aber sehr fürsorglich fand ich ihn schon. Beim Ankommen öffnete er mir gleich die Tür und freute sich sichtlich über die Blumen. Wir hatten uns über zwei Jahre nicht gesehen und kannten uns bisher zwar etwas persönlich, aber viel besser durch unsere Mails. Mörfi veranstaltete einen ziemlichen Budenzauber und umkreiste das riesige Auto und die kleine Frau argwöhnisch. So gingen wir in den ersten Stock und setzten uns ins Wohnzimmer. Ein Glas Wein sollte es werden, ein Abendessen im Hermesberger Eck und wenn ich möchte, eine Übernachtung im Gästezimmer. Ich war in seinem Höhfröschen, auf den Spuren des legendären Herbert Bickelmanns.
Fortsetzung folgt