Die Sonne geht unter. Der Wetterfrosch prophezeit eine kühle Nacht. Wir nähern uns dem Frühling, zumindest hier bei uns am Rhein bauen die Spatzen schon an ihren Nestern und neulich fand sich der erste Reiher auf dem nachbarlichen Zaun. Die Ausbeute im Fischteich schien allerdings wohl noch nicht zu genügen.
Die Kaminfeuerchen werden seltener, je mehr es dem Frühling zugeht. Aber noch können wir sie genießen. Also los, Feuer an, heute mal einen Cocktail aus der kleinen Bar nebenan und die obligate Zigarre. Zigarre? Ein gutes Stichwort, denn dabei fällt mir der kleine Heinrich wieder eine, von dem ich euch neulich schon einmal berichtete. Heute ein anderes, nicht minder spannendes Abenteuer:
Der Donnerbalken
In Heinrichs kleinem Prämienhäuschen gab es zu jener Zeit keine Toiletten. Zu Winterzeiten oder auch bei Nacht, hatte jede Familie einen Eimer, in den alle ihre Notdurft verrichteten und so konnte man fröhlich Vatern kacken sehen, während die Kinder am Tisch das Abendbrot zu sich nahmen. Als unappetitlich hat das niemand empfunden. Merkwürdigerweise gab es in dieser Hinsicht auch kein Schamgefühl.
Für alle anderen Fälle stand im Garten ein kleines Gemach, ca. 1,20 m mal 1,20 m im Geviert, mit einer vorgenagelten Holztür an quietschenden Angeln und einem seitlichen Guckloch in der Größe eines fehlenden Backsteines.
Die Innenausstattung war denkbar einfach: Zwei rechtwinklig zusammengeschusterte Bretter bildeten eine grobe Sitzbank. In das obere Brett war ein kreisrundes Loch von rund 30 cm Durchmesser gesägt. An einem rostigen Haken in der Wand hingen einige alte Zeitungen.
Schon die Nutzung des Donnerbalkens konnte zum massiven Problem werden. Je nachdem welche Menge Kohl gerade zur Entsorgung anstand und je nach Ausmaß der bereits vorhandenen Gasfüllung und damit des Überdrucks im Gedärm, war ein Zeitung lesender, temporärer Donnerbalken-Besitzer entweder nur ein Ärgernis oder aber die Hölle auf Erden. Stau entstand z.B. regelmäßig sonntags nach dem Mittagessen. So mancher Schlaumeier versuchte sich auf diese Art vor dem umfangreichen, abzuwaschenden Geschirrberg zu drücken.
Auch zu Unterhaltungszwecken wurde der Donnerbalken gern aufgesucht, denn zu Lesen gab es reichlich, an diesem illustren Ort. Toilettenpapier war zwar schon erfunden, aber aus Kostengründen obsolet.
An dieser Stelle sei erwähnt: Die raue und saugstarke Tageszeitung wurde zur Endreinigung stets gern genommen. Magazine, wie Stern oder Spiegel boten zwar höheren Unterhaltungswert, waren wegen des glatten Offset-Papiers aber von deutlich schlechterer Wischleistung. Versteht sich von selbst, dass mit der Zeitung sparsam umgegangen werden musste. Mehr als eine Seite wurde niemandem zugestanden.
Auf diesem Donnerbalken rauchte der kleine Heinrich im zarten Alter von etwa acht Jahren seine erste Zigarette. Papa Jakob drehte seinen Rauchbedarf aus Kostengründen selbst. Als Kind hatte man diesen Bogen schnell heraus und Papa freute sich, wenn er sein Tagesquantum von Heinrich fix und fertig „vormontiert“ erhielt.
Es kam, wie es kommen musste. Eines Tages fühlte Heinrich sich alt genug, um die wichtige Tätigkeit des Rauchens selbst zu versuchen. Um diesen Versuch zu verhindern oder wenigstens lange hinauszuzögern, erklärte Mama Rosemarie, die Nichtraucherin war, stets, Kinder würden sich vom Rauchen in die Hosen machen.
Als intelligenter Knabe begab Heinrich sich also in einer unbewachten Stunde aufs Gartenklo, lies vorsichtshalber die kurzen Hosen herab und nahm bequem Platz. So gerüstet, konnte er die erste Kippe in Angriff nehmen.
Der Rauch schmeckte furchtbar. Er musste husten, hielt jedoch tapfer durch. Schließlich war er auf dem Weg zum Manne und was Papa und die anderen Männer konnten... Bereits nach kurzer Zeit wurde ihm in dem engen Raum, der ja kaum eine Lüftung hatte, speiübel. Unter uns: Er hat sich ziemlich vollgekotzt. Die heruntergelassenen Hosen hatten also wenig gebracht.
Immerhin blieb Heinrich für die nächsten Jahre Nichtraucher.
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