Zu meinem SM-Stammtisch gehe ich als Bi-BDSM-Single ohne Insignien, wie ein Passant von der Straße. In meinen Worten und in meiner Körpersprache gebe ich zu verstehen, dass es in meiner Person gewisse Tiefen gibt, durchdachte Prozesse, andere Herangehensweisen, weniger Hemmungen, viel Lust, etwas Gewagtes auszuprobieren. Ich mache das oft unbeabsichtigt, meist aber mit voller Absicht, provokant, frech, spielerisch. Es hat die Funktion, dass meine Mitmenschen sich auch mal "verrückte" Gedanken leisten, dass sie ihre Gewohnheiten als Grenzen oder gar als Gründe für Entwicklungshemmnisse wahrnehmen. In meiner Arbeit spielen Transformationsprozesse eine große Rolle, deshalb ist dieser Anteil wesentlich.
Irritierenderweise fallen meine Leute beim SM-Stammtisch mir in den Arm, wenn mir darüberhinaus BDSM öffentlich herausrutscht. Sie warnen mich dann und sagen: Hier bei unserem Stammtisch kannst du das machen, bei Joy, in der Session, im Club, auf der privaten Party, ... überall kannst du das machen, wo die Leute es erwarten und wünschen. BDSM ist aber ein zweischneidiges Schwert, wenn die Leute es nicht erwarten. Du könntest die "Außenstehenden" zu scharf verletzen und die "Außenstehenden" könnten dich jetzt oder später attackieren.
Und so sitze ich wieder mal zwischen allen Stühlen: die Gesellschaft freier und toleranter machen - aber nicht zuviel. Meine eigene Neigung sichtbar und wahrnehmbar machen, damit die wenigen nichtliierten Femdoms mich auf den Schirm bekommen - aber nicht übertreiben. Meine eigenen Ängste verkleinern - aber die Ängste der "Außenstehenden" respektieren. Ich freue mich, wenn ich hier lese, dass die eine oder andere das alles hinter sich hat und eineindeutig lebt. Für mich ist das Zukunftsmusik, ich habe gerade erst angefangen, den Kokon abzustreifen.