Meine Geschichte...
...muss ich immer mal wieder umschreiben, aber ich denke, die jetzige "Version" ist nah dran an der Wahrheit. Also, vor 2,5 Jahren hat mein damaliger Mann einen Knoten in meiner Brust gestastet. Nach einer OP und Entnahme eines 1/4 meines Brustgewebes habe ich einen Tag vor der zweiten OP erfahren, dass mir die linke Brust komplett abgenommen werden müsste, da die Krebszellen so verstreut waren.(Der Knoten war übrigens harmlos, aber als "Wegweiser" hatte er dann doch seine Funktion gehabt.)In einer dritten OP wurden mir noch meine Lymphknoten aus der Axilla entfernt und nach sechs heftigen Chemozyklen habe ich mich der empfohlenen Antihormontherapie, dich mich künstlich in die Wechseljahre versetzen sollte, verweigert und lebe gut mit der Entscheidung.
Parallel zur Diagnosestellung und den OPs haben wir ein Haus gekauft, ausgebaut und sind zwischen zwei Chemozyklen umgezogen.
Ich war so was von tapfer und zweckoptimistisch, eine Kommilitonin war mir ja 10 Jahre voraus und lebt immer noch, was sollte also passieren? Ich habe meine Umwelt getröstet als sie von meiner Diagnose erfuhren, habe meinen Mann bemitleidet und bewundert, weil er nach der Arbeit immer noch auf die Baustelle gefahren ist, mich zwischendurch im Krankenhaus besucht hat und mich ermuntert hat, mich auch mit Glatze zu zeigen. Mit einer Freundin habe ich mich zu einer (Akt-)Fotosession getroffen, u.a. auch, um anderen betroffenen Frauen Mut zu machen und zu zeigen, dass Erotik und Brustamputation sich nicht einander ausschließen. Nur für mich selbst habe ich nicht gesorgt.
Nach 9 Monaten bin ich wieder arbeiten gegangen und wollte so schnell wie möglich wieder in mein "altes" Leben zurück. Plötzlich war da aber so ein diffuses Gefühl, es war doch alles vorbei mit den Behandlungen, ich hatte mich so auf den normalen Alltag gefreut und der fühlte sich so falsch an. Ich habe nur geheult und mich nach Trost und Zärtlichkeit gesehnt. Um meine Familie nicht weiter zu belasten (meine Tochter war gerade süße 16), hab ich eine Psychotherapie begonnen. Die hat auch recht gut geholfen, die Haare wuchsen wieder und der Brustaufbau ging los. Und dann eröffnete mir mein Mann, der doch so toll zu mir gehalten hatte, er habe sich in eine Kollegin verliebt. Nach quälenden vier Monaten mit ganz vielen emotionalen Up and Downs hat er sich zur Trennung entschlossen, war aber mehr bei mir als bei der anderen, es gab immer wieder Streit und eines Tages habe ich ihn tot in der Garage gefunden als ich mit meiner Tochter von einer Wohnungsbesichtigung kam.
Ich habe funktioniert, die Beerdigung organisiert, das Haus verkauft, parallel dazu ein paar Dates über den JC und weitere OPs zum Brustaufbau gehabt. Der ist mittlerweile abgeschlossen, ich bin nicht mehr asymmetrisch und genieße es, gerade bei den aktuellen Temperaturen ohne BH und Epithese rumlaufen zu können.
Was der Krebs nicht geschafft hat, hat das Verhalten meines Mannes bewirkt: Ich wollte nicht mehr leben. Er konnte mit meiner Verkrüppelung noch schlechter umgehen als ich. Gesprächen ist er ausgewichen und auch seine Lügen und Feigheit am Ende haben mich mehr getroffen als alles andere. So weit die "Kurzversion".
Mittlerweile habe ich zumindest in Ansätzen gelernt, auch Schwäche zu zeigen und mir Hilfe zu holen und die rosarote Brille des Zweckoptimismus auch mal abzusetzen. Gleichzeitig ist mein Selbst-Bewusstsein größer und authentischer geworden. Die Unbefangenheit ist weg. Es trifft eben nicht immer nur die anderen. Aber ICH lebe und bin auf dem Weg zu mir ein ganzes Stück weiter gekommen.
Noch zwei Bemerkungen zu dieser Gruppe:
1. Ich finde es toll, auf welche Art und Weise hier kommuniziert wird (abgesehen von den missionarischen Einwürfen der Pharmakritiker - jeder muss sich für seinen eigenen Weg entscheiden dürfen.)
2. Manchmal hilft es auch, miteinander zu weinen. Es gibt nicht immer Trost. Auch Trauer und Angst brauchen ihren Raum.