Leben in Österreich 1950-1969
Nur eine geringe Minderheit hatte ein Eigenheim und wenn war dies sehr klein. Die Normalfamilie wohnte in einer Zimmer-Küche-Wohnung, Substandard, also WC am Gang und kein Bad oder Dusche. Im Zimmer schliefen alle Familienmitglieder, die Küche war eine Wohnküche. Kinderreichere Familien hatten ein Kinderzimmer mehr, wo 3-5 Kinder in Stockbetten schliefen. Kleiderkästen waren selten überfüllt, denn jeder hatte für jede Jahreszeit zwei „Brauchgewänder“ und ein Festgewandt. Berufstätige Erwachsene noch 1--3 Stück Reserve-Sets an Kleidung für „schön“ oder als Mann einen Anzug.
Waschtag war ein Mal die Woche und benötigte je nach Familiengröße mindestens einen halben Tag. Dabei musste zuerst der Wasserkessel in der Waschküche aufgeheizt werden. Danach kochte die Wäsche so eine Stunde im Kessel, wurde dabei mittels Holzspachteln regelmäßig untergetaucht und zwischendurch herausgefangen, dat sie mit Hirschseife über der welligen metallenen Wäscherumpel nachgereinigt und wieder ins Kochbecken transferiert wurde. Schließlich wurde sie mehrmals im kalten Wasser des steinernen Schwemmbeckens ausgespült, ausgewrungen und auf die Wäscheleine aufgehängt.
Holz-Kohle-Öfen und in der Küche ein befeuerbarer Tischherd mit Warmwasserschaff war üblich, auch dass sich die Familienmitglieder im Waschbecken in der Küche wuschen. Jährlich wurde der Keller mit Holz und Kohle gefüllt.
Gegessen wurde mit den Jahreszeiten. Auch im Geschäft gab es das an Obst und Gemüse, was draußen gerade reifte. Es war die große Zeit der Heim- und Schrebergärten. Jede Familie pflanzte auf der von der Gemeinde oder Stadt spottbillig zur Verfügung gestellten Fläche von 50-100 m² ihr gesamtes Gemüse an.
Im Schulwesen waren neun Klasse Volksschule üblich und gratis. Besser lernende Schüler durften nach vier Klassen Volksschule in weitere vier Klassen Hauptschule, danach ein Jahr Polytechnikum zur Feststellung des Berufsinteresses.
Jedes Jahr wurde jedes Schulbuch am Jahresende genau auf Eselsohren, Tintenflecken, Kritzeleien und Beschädigungen untersucht. Diese neu entstandenen Mängel mussten dann in einem Namensstempel auf der Innenseite des Einbandes vermerkt werden und dafür gab es Strafgeld zu zahlen. Die Schulbücher wurden im nächsten Jahr den neuen Schülern dieser Schulstufe wieder ausgefolgt.
Der Besuch eines Gymnasiums war schwierig.
Es gab keine Gratisschulbücher, diese mussten privat gekauft werden.
Es gab keine Schulfreifahrt, die Eltern mussten für Bus, Bahn, Straßenbahn bezahlen. Dazu waren die Bus- und Bahnverbindungen für Nicht-Städter sehr schlecht und Gymnasiasten hatten täglich etliche Wartestunden. Essen und Getränke zu kaufen war zu kostspielig – es gab keine übergewichtigen Gymnasiasten.
1970 änderte sich alles grundlegend. Bruno Kreisky von den Sozialdemokraten hatte die Wahl mit absoluter Mehrheit gewonnen.
Er öffnete die Gymnasien, berufsbildenden höheren Schulen und Universitäten gratis für Jedermann.
Er führte die Schulfreifahrt und die Gratisschulbücher ein, sehr zur Kritik der konservativen Kreise. Dazu verbesserte er die Erreichbarkeit der Städte mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Politisch agierte er antizyklisch und pulverte hunderte Milliarden Steuergelder in die öffentliche Infrastruktur , den sozialen Wohnbau und die Arbeitsplatzssicherung.
Damit begann ein Bildungsboom, aber auch ein Bauboom für Privathäuser und bald gehörten Fernseher, Waschmaschine & Co zum Standardhaushalt. Auch ein Familienauto gehörte 1976 durch den zugenommenen Wohlstand dazu. Selbstverständlich sollte nun jedes Kind ein eigenes Zimmer bekommen. Schrebergärten wurden als Hobbysache zu „Heimgärten“ oder aufgelassen, man benötigte sie nicht mehr.
Es war eine wunderbare Zeit des zunehmenden Wohlstandes, die diese neue Zeit eingeläutet hatte. Aus dem Auto wurde ein Zweit- und Drittauto und eigentlich geht alles Richtung Überfluss-Gesellschaft. Die „Geiz ist geil“ und „Mir alles“ Parole gipfelt sich immer weiter.
Ist aber schade, weil wie soll die jetzige „Alles haben“-Jugend ohne Aggressivität mit einer schlechter werdenen Wirtschaftslage und einem enger geschnallten Gürtel zurechtkommen, wenn sie es nie gelernt hat.