„Dafür tolerierten meine neuen Mitschüler, wenn ich anfänglich noch die Uhrzeit mit "Viertel auf Zehn" bzw. Dreiviertelzehn angegeben habe [...]
Genau genommen ist es so: es sagt wohl jeder halb zehn, weil es die Hälfte der zehnten Stunde ist. Würde jemand klaren Verstandes auf die Idee kommen zu sagen, es sei halb nach neun oder halb vor zehn?
Somit lässt sich die österreichische Uhrzeit viertel zehn als Viertel der zehnten Stunde und analog dazu drei viertel zehn ganz klar und nachvollziehbar ableiten.
„In Wien hörte ich eine ältere Dame, die ich nach dem Weg gefragt hatte, sagen: "Sehn'S da auf der drüberen Seite das Schild?" Ich finde die "drübere Seite" entzückend, sie ist eben viel drüberer als nur drüben [...]
Eines vorweg,
@******uja als gestandene Tirolerin über die Eigenheiten der Wiener Sprache zu befragen, ist in etwa so wie die Sache mit dem Blinden und der Farbe
Zugegeben, drüben bedeutet bereits auf der anderen Seite. Der Wiener setzt aber den Pleionasmus "auf der drüberen = anderen Seite Seite" als bewusstes rhetorisches Stilmittel ein. Somit ergibt sich auch, dass es sich bei "drüberen" nicht um eine Steigerungsform handelt.
„Nie wirklich verstanden habe ich die Hinweisschilder in Wien, auf denen stand, dass etwas (z.B. ein Schalter in der U-Bahn-Haltestelle) "aufgelassen" wurde, wenn er doch de facto mit Brettern zugenagelt war. Das Wort "geschlossen" und "zugemacht" halte ich immer noch für sinnvoller.
@******uja: Kannst Du mich erleuchten?
Der Wiener verwendet aufgelassen (auch) im Sinne von aufgelöst. Wäre ein Schalter lediglich (vorübergehend) geschlossen, gilt er nicht als aufgelassen. Auch kann mir ein Geschäft vor der Nase zu machen, ohne dass es deswegen gleich aufgelassen wird. Wenn mich der Geschäftsinhaber jedoch heraneilen sieht, obliegt es ihm freilich das Geschäft noch aufzulassen (offen zu halten).
„Ein Wiener Apotheker, den ich um eine "Tüte" gebeten hatte, antwortete: "Bitte! Sie [er meinte die Deutschen] sind viel mehr als wir, haben das größere Land und einen Fußball-Weltmeister-Titel, aber hier heißt es immer noch Sackerl!"
Die Abgabe von Tüten mit einem THC-Gehalt von über 0,2% fällt in Österreich unter das Suchtmittelgesetz und ist somit auch in Apotheken verschreibungspflichtig.
Die deutsch Tüte kommt von der Tute (Trichterform) - vergleiche auch den Pflanzennamen Efeutute. Somit ergibt die Eistüte Sinn. Warum die 4-eckige Form des Sackerls als Tüte bezeichnet wird, erschließt sich aber nicht.
Die spitze Papiertüte bezeichnet der Wiener übrigens auch gerne als Stanitzel.
Das Sackerl in der vom Wiener geliebten Verkleinerungsform kommt natürlich vom Sack und der ist aus dem Lateinischen (saccus) bzw. Griechischen (sakkos) entlehnt.
Dem Wiener zu unterstellen, er ginge in Sack und Asche, wenn er ein schwarzes Sakko trägt, ist jedoch eine böswillige Verleumdung