Nachdem ich mich die letzten Monate aus gesundheitlichen Gründen mehr um mich selbst kümmern musste, haben mir meine Ärzte heute angeraten, mich wieder mehr dem gesellschaftlichen Leben zu widmen, da ich dem Anschein nach wieder gesund bin. Vernünftig wie ich nun mal sehr oft bin, werde ich diesen Rat Folge leisten und meine bescheidene Meinung zu diesem Thema kundtun.
Mich lassen solche Threads immer wieder erstaunt feststellen, wie sehr von dem Modell Dom alleine aktiv, Sub alleine passiv als das gültige Grundmodell ausgegangen wird.
Das wird oft sehr extrem so gesehen. Ja, das wird fast schon mit ethischen Normen versehen, damit da möglichst keiner dagegen verstößt. Im Sinne von "wer sich so verhält", ist kein wahrer SMler oder wie in diesem Thread offenkundig kein:e echte:r Sub. Das ist so weltfremd für mich. Okay, da schon meine Mom an mir oft verzweifelte, muss man mich auch nicht verstehen.
Das entspricht nicht meinem erlebten menschlichem Verhalten, meiner menschlichen Interaktionen. Ich bin weiß Gott kein Sozialwissenschaftler, aber da sehe ich selten menschliches Verhalten, menschliches Handeln als einen Vorgang, der nur in eine Richtung geht und unbeeinflusst von anderen ist. Man spricht da eher und erwartet eher ein Austauschverhältnis der in einer menschlichen Gruppe, auch Kleingruppe, beteiligten Menschen.
Zu dem Rahmen eines solchen Modells gehört auch, dass jeder in einer Beziehung seine Wünsche auf und an den anderen anträgt, also sich mit den anderen entwickelt. Und dass auch das zur Interaktion gehört und dazu führt.
Jedoch spreche ich explizit nicht von Erwartungen und nicht von festgefahrenen Erwartungen wie sie bei vielen schon vor dem ersten kennenlernen projiziert werden und ein scheiterten dessen bereits vorprogrammiert ist. Wie ich das liebe…..(Brechreiz…).
Es muss nicht explizit erwähnt werden, dass jeder BDSM genauso individuell ist wie Sub und Dom, die diesen ausleben und mit Leben, Geist und Seele füllen. Es gibt nicht “das BDSM”, genauso wenig wie es “die” oder “den” Sub und “die” oder “den” Dom gibt. Gerade diese Vielfalt unter uns, dieser bunte Erfahrungsschatz, war eines der ersten Dinge, die mich an BDSM faszinierten, lange bevor ich eine Technik kennenlernte. Techniken und Praktiken genauso wie Spielzeug und Locations sind schmückendes Beiwerk und dienen als Mittel zum Zweck, sind jedoch niemals das Herzstück, einen speziellen Fetisch oder Kink dabei ausgenommen. Dieses Herzstück bilden Sub und Dom, die es mit Leben füllen.
Fisten, Kaviar, Ohrfeigen, Rapeplay, Partnertausch, Fremdbenutzung, Rollenspiele und so weiter sind alles Möglichkeiten der Auslebung, jedoch nicht zwingend notwendig und kein Indiz für BDSM. Zumindest nicht in meiner individuellen Auslegung der BDSM-Seele.
Jeder sollte in dieser Hinsicht selbstbewusst und zu den eigenen persönlichen Vorlieben stehen. Liebe:r Sub, auch wenn du kein Analverkehr magst, bist du nicht minder Sub. Liebe:r Dom, auch wenn du deine:n Sub nicht ohrfeigen magst, bist du nicht minder Dom. “Alles kann, nichts muss”, sagt der Volksmund so schön.
Auch das Thema Schmerzen kann erfüllend sein für die einen, für die anderen wiederum gehört es nicht zu ihrem gelebten BDSM. Es geht nicht darum, wer was am meisten aushalten kann oder wer besonders viele Techniken befürwortet und ausübt. BDSM ist kein Sport und keine Kompensierung für derartige Profilierung.
Ich möchte gar nicht bestreiten, dass sich seit dem Irrwahn von Fifty shads of Bananenbrot, in der BDSM-Welt immer mehr Menschen aufhalten, die nach meinem dafür einfach mal etwas Pep im Bett erleben wollen, jedoch mit BDSM so im Ganzen eigentlich nichts zu tun haben. Und ja, jede:r kann sich Sub oder Dom nennen. Wenn sodann festgestellt wird, und das bedauerlich mehr als man sich für sich selbst wünscht, dass die /der vermeintliche Sub oder die / der vermeintliche Dom, nun so nichts mit dem Grundgedanken von BDSM innehat und wie oben schon beschrieben eben einfach nur mal etwas Pep im Bett braucht, bleibt es leider nicht aus, dass oft dann der Begriff von Möchtegernsub / Möchtegerndom benutzt wird. Und wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, wer hat diese Begriffe nicht schon selbst in den Mund genommen?
Im Übrigen kann eine solche Dynamik auch Doms ganz schön unter Druck setzen und verunsichern. Einen solchen Beitrag oder Artikel nun zu lesen, muss nicht, aber kann unsicher werden lassen. Egal ob Sub oder Dom: Diese Gedanken zerstören und lassen nicht fliegen und haben von daher keinen Platz im BDSM, zumindest meines Erachtens.
Meine Worte sollen bitte niemanden kränken, triggern oder verletzen. Sie sind auch kein Muss, genauso wenig wie ich eine Fibel oder einen Ratgeber herausgebracht habe. Ich spreche von meinen persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen im Hinblick auf die Schönheit des Fetisches und der Akzeptanz dessen, so in meinem gewünschten Erachten.
Hätte ich als unerfahrener Dom so manchen Tweet oder auch das ein und andere Buch gelesen, wäre ich extrem verunsichert gewesen. Vielleicht hätte ich mich auch abgewandt und wäre von BDSM im Allgemeinen abgeschreckt gewesen. Einem Treffen hätte ich auf keinen Fall zugestimmt aus Angst, dass verschiedene Praktiken von mir erwartet werden würden.
Fisten, Ohrfeigen genießen, Rapeplay… Jetzt kann ich es genießen, jedoch auch nicht immer und nicht mit jeder Frau. Ist das schlimm oder macht mich das nun zum Möchtegerndom? Keinesfalls, das Gegenteil ist aus meiner Sicht der Fall.
Wir sind alle immer in einem Prozess und durchlaufen verschiedene Entwicklungsphasen in unserer Selbstfindung. Dabei gibt es zig Möglichkeiten der Auslebung und Instrumente der Unterstützung. Viel wichtiger finde ich es daher gerade bei den Menschen, die auch wirkliches Interesse haben, diese bei der eigenen Findung zu unterstützen und ihnen zu sagen, traut euch, diese zu nennen und steht zu euch! Jedoch auch immer und zu jederzeit mitzuteilen, auch ebenso, Nein zu sagen und Praktiken abzulehnen, hinter denen ihr nicht steht. Es ist vollkommen in Ordnung, nicht alles ausprobieren zu wollen. Lasst euch nichts anderes einreden und euch auch nicht untereinander vergleichen, egal ob Sub oder Dom. Sonst kann BDSM toxisch werden und euch auch nicht mehr guttun.
Der Mensch steht für mich persönlich sowieso immer, am Anfang von allem und ist Dreh- und Angelpunkt jeder weiteren möglichen Dynamik. Und das zu jeder Zeit und an jedem Ort. Gerade zu Beginn der Findung sollte man sich nicht verunsichern oder in Richtungen lenken, die eigentlich nicht dem Willen und dem Wollen entsprechen. Mutig sein und euch dem anderen Gegenüber zeigen, wie man tatsächlich ist und wie man tickt. Erst dann kann BDSM seine volle Magie entfalten und geschieht mit euch und nicht über euch hinweg. Dies wünsche ich jeder und jedem Sub und jeder oder jedem Dom. Wir sind alle unique und einzigartig – das macht es aus! Daher gibt es kein:e Möchtegern - Sub / Dom…
Das ist die Magie des BDSM.
Wie immer nur meine Meinung und keine Allgemeine….