Jeff Loom (2. Priscillas Rettung)
An der Tür hielt ich inne. Wenn ich noch ein paar Jahre durchhielt, war meine Büroeinrichtung wieder im Trend, Vintage kam ja gerade wieder in Mode. Außerdem stapele ich manchmal zu tief, so altmodisch war ich gar nicht. Ich hatte jetzt sogar einen IBM-Computer, den ich zwar nicht bedienen konnte, aber immerhin hatte ich einen. Cilla hatte ihn eines Tages angeschleppt und spielte des Öfteren daran rum, sie recherchierte für mich, wie sie mir zwinkernd anvertraute. Arbeitsteilung. Meine Ermittlungsmethoden waren wohl ähnlich antiquiert wie mein Büro, die Einrichtung und die Gegend, in der es sich befand. Trotzdem erfolgreich. Ich steckte mein Mobiltelefon ein: Ja, ich habe eins, wenn auch ohne diese schachbrettgroßen Displays, auf denen Gott und die Welt dauernd mit wichtigem Gesichtsausdruck herumtippte. Meins war schwarz-weiß und so klein, dass ich kaum… egal.
Den Türgriff in der Hand drehte ich mich noch mal um. Meine Sekretärin hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht, sie zog mit den Fingerspitzen ihre halterlosen Nahtstrümpfe zurecht, die bei ihrem Besuch unter meinem Schreibtisch etwas aus dem Lot geraten waren. Von Arbeitskleidung verstand sie was. Hing wohl mit ihrer Vergangenheit zusammen. Sie sah weder wie eine Sekretärin aus, noch war sie eine, auch wenn ich sie in ihrem Arbeitsvertrag so bezeichnete. Bis zu ihrer Anstellung bei mir war sie eine Nutte, offenbar eine talentierte, aber auch die greifen mal daneben. So auch Cilla.
Sie hatte sich, wohl nicht zum ersten Mal, auf ein Geschäft eingelassen, bei dem sie es mit mehreren Freiern gleichzeitig trieb. Kann gutgehen, muss es aber nicht. Damals ging einiges daneben, die Typen waren zahlungskräftig, aber betrunken, unter Drogen und enthemmt. Es war reiner Zufall, dass ich ihr unterdrücktes Gejammer hinter der Zimmertür des Palace-Hotels gehört hatte, weil ich gerade den Korridor zum Lift entlang ging. Als auf mein Klopfen niemand öffnete, aber die unterdrückten Schreie umso nachdrücklicher klangen, trat ich die Tür ein. Ich hätte auch die Polizei rufen können oder sollen, aber wenn Eile geboten ist, werde ich nun mal aktiv.
Das Bild, das sich mir hinter der eingetretenen Tür bot, bestätigte mich. Ein einvernehmliches Rudelbumsen sieht anders aus. Es soll Frauen geben, die Vergewaltigungsphantasien haben. In diesem Fall war es aber weniger eine Phantasie und meiner Meinung nach war es auch kein abgesprochenes Rapeplay. Wenn man vom Fach ist, merkt man sowas.
Zum langen Überlegen war eh keine Zeit. Ich stand jetzt schon im Türrahmen, Holzsplitter um mich rum. Vier Kerle machten sich gleichzeitig über eine auf dem Bett liegende, gefesselte Frau her. Während einer sie fickte, stopfte ein anderer Ihr mit seinem Schwanz den Mund und die anderen feuerten sich gegenseitig, Bierflaschen in der Hand, an.
So wie ich da neben der windschief im Rahmen hängenden Tür lauerte und die Szene analysierte, machte sich einer der gestörten Helden leicht torkelnd auf den Weg zu mir. Er war der Einzige, der noch die Hosen anhatte, vermutlich, weil er seine Nudel unter dem Fettwanst eh nicht mehr gefunden hätte, um irgendwas damit anzufangen.
Ich war damals schon nicht leicht, aber der Typ wog geschätzt einen Zentner mehr als ich, obwohl er einen Kopf kleiner war. Er sah ein bisschen aus wie Jabba the Hutt mit Beinen. Sein fettiger Kopf saß auf einem bikonvex pyramidal verlaufenden Schwabbelhals. Flink war er trotzdem, so flink, dass ich überrascht war. Unterschätze nie einen Gegner wegen seines Äußeren. Mein damaliger Boxtrainer hatte das immer wiederholt. Leicht gesagt, wenn sich ein hässliches Walross faustschwingend auf einen zubewegt und man ein Lachen unterdrücken muss. Dennoch, sein Schlag verfehlte mich nur um Haaresbreite, weil ich es noch schaffte mich rechtzeitig wegzuducken, und so landete seine Faust am Türrahmen, was er mit einem lauten Schrei und seine Hand mit einem unschönen Knacken quittierte.
Ich ging auf Nummer sicher und schob vorsichtshalber noch einen Aufwärtshaken hinterher, der irgendwo zwischen dem zweiten oder dritten Doppelkinn von unten in ihm versank. Es könnte ungefähr die Höhe des Kehlkopfes gewesen sein, grob geschätzt. Auf jeden Fall gurgelte er lauthals und legte sich dann schlafen. Die drei anderen waren leichte Beute. Mit heruntergelassener Hose kämpft es sich schlecht und besonders kampferfahren war die Bande auch nicht. Ich machte kurzen Prozess, obwohl eine der Bierflaschen auf meinem Schädel landete. Wenn ich aber erstmal in Schwung bin, motiviert mich sowas zusätzlich. Keine Minute, einige Knochenbrüche und großes Ach- und Wehgejammer bei der gegnerischen Mannschaft später verließ ich die Szene. Die misshandelte Lady hatte ich in ihren Trenchcoat gewickelt im Arm.
Ich klaubte noch schnell die Barschaft der Brüder aus ihren Brieftaschen. Unten beim Concierge angekommen, gab ich einen Teil des Bündels zur Wiederherstellung der ramponierten Tür ab, verbunden mit dem ausdrücklichen Bedauern der vier Herren, in deren Namen ich mich für das Missgeschick mit der Tür und den unaufgeräumten Zustand der Suite entschuldigte. Den Rest des Geldes begriff ich als Entschädigung für die erlittenen Blessuren der Lady. Ich selbst ging leer aus, vom Vergnügen den Vieren die Leviten gelesen zu haben, abgesehen.
Ich nahm sie mit in mein Büro, das nur wenige Straßen weiter lag und sie gestand mir unter Tränen, eine dampfende Tasse Tee in der Hand, womit sie ihr Geld verdiente und wie sich alles im Detail zugetragen hatte. Vereinbart hatte sie mit ihren Freiern wohl tatsächlich eine etwas härtere Gangart, aber das Ganze war dann außer Kontrolle geraten. Soll vorkommen. Ladys aus der Branche, die allein unterwegs sind, überschätzen ihre Erfahrung gerne mal und es kommt der Tag, an dem sie mit ihrer Menschenkenntnis gründlich daneben liegen, eine Zeitfrage. Dann wird’s auch mal ungemütlich. Insgesamt hatte sie wohl noch mal Glück gehabt. Sie kam mit ein paar kleineren Blessuren und einer weiteren Erfahrung davon und hatte vielleicht was dazu gelernt.
Ende Teil 2.
© Pibro 06/22