Kein Platz im Schrank
Kein Platz im Schrank:Es war mal mein Platz. Mein weg-von-der-Welt. Sie hat mich dorthin geführt und auch wieder zurückgeholt. Sie hat bestimmt, wann ich dort sein durfte, an dem Ort, wo ich wirklich ich sein durfte. Ein schöner Ort war es. Klein und dunkel, wie angegossen passend für mich. Wie ein Ei, in dem das Küken sicher ist vor der Welt. Ein Ort an dem mein kleines Ich ungestört da sein durfte ohne von dem großen Ich des Alltags ständig beiseite gedrängt zu werden.
Jetzt steht der Schrank schon lange voll mit Zeug. Der Alltag ist eingekehrt. Es gibt diesen Platz nicht mehr, da es niemanden gibt, der mich dorthin führen möchte. Es gibt kein weg-von-der-Welt mehr, in dem mein kleines Ich sich entfalten könnte.
"Das muss so sein", sagt mein großes Ich. Schließlich möchte meine Partnerin mich als Partnerin haben. Als Freundin. Als starke Helferin. Als Beraterin. Als Stütze. Dabei ist so ein kleines ich nur im Weg und nicht nützlich.
"Das muss so sein", denkt das kleine ich. Ich will nützlich sein und geliebt werden. Wenn ich im Weg bin, bin ich nicht nützlich und werde nicht geliebt. Ich muss auch gehorsam sein, denn das ist mir sehr wichtig. Raum zu beanspruchen ist nicht gehorsam. Deshalb mache ich mich so gut es geht unsichtbar und hoffe, trotzdem gelegentlich bemerkt und gebraucht und gewollt zu werden, obwohl ich nicht kann, was dafür nötig ist. Ich bin keine Freundin, keine Partnerin. Ich kann nicht auf die benötigte Weise helfen. Ich bin nicht auf diese Art nützlich. Das ist nicht meine Stärke, meine Fähigkeit, meine Funktion.
Das muss so sein, also ist es so. Erzwingen will ich nichts, weil das auch nichts bringen würde. Das muss von Herzen kommen. Ich wehre mich nicht. Wir wehren uns nicht. Aber ich leide. Und ich hoffe. Darauf, dass ich irgendwann wieder gewollt und gebraucht und geliebt werde. So wie mein großes Ich gewollt, gebraucht und geliebt wird.
Darauf, dass irgendwann die Ansage kommt "räum den Schrank auf. Du brauchst Platz darin. -- Für dich."