Fernbedienung
Sie kam sich ziemlich albern vor. Nackt, mit verbundenen Augen und einer Fernbedienung in der Hand stand sie in der Mitte ihres Wohnzimmers. Um sie verstreut lagen genau 20 Glasmurmeln, die sie heute Morgen in einem Spielwarengeschäft gekauft hatte. Irgendwo auf dem Boden stand auch eine kleine Schüssel aus Kunststoff, wo genau, konnte sie nicht mehr sagen, weil sie sich, nachdem sie die Murmeln mit bereits verbundenen Augen über den Boden geschüttet hatte, fünf Mal um die eigene Achse nach links und dann wieder fünf Mal um die eigene Achse nach rechts gedreht hatte. Alles ziemlich albern, aber so waren nun einmal ihre Anweisungen für diese Aufgabe. Und wenn sie sie nicht richtig lösen konnte, würden die Folgen alles andere als albern sein.Seufzend ließ sie sich auf die Knie nieder, eine weitere Schikane, die er ihr verordnet hatte, und begann mit der freien linken Hand nach den Murmeln zu tasten. Sie hatte bereits drei davon gefunden, als der Küchenwecker zu piepsen begann. Die ersten beiden Minuten waren um, und sie musste nun auf den Selbstauslöser der Kamera drücken. Das Verschlussgeräusch ertönte und sie wusste, dass dieses erste Bild sie von hinten zeigen würde, wie sie auf Knien zwischen Glasmurmeln auf dem Boden herumrutschte, vermutlich in relativer guter Qualität, da die Kamera auf einem Stativ stand und den gesamten Raum überblickte. Na toll …
Sie folgte dem Piepsen des Küchenweckers, den sie schlauerweise neben die Kunststoffschüssel gestellt hatte. War das erlaubt? Jedenfalls hatte er es ihr nicht verboten. So konnte sie die drei gefundenen Murmeln in die Schüssel legen, ohne lange suchen zu müssen. Dann drückte Sie einmal auf die Taste des Küchenweckers, um das nervtötende Piepsen zu stoppen, und dann noch einmal, um die Zeit wieder zu starten. Ihr standen fünf Mal zwei Minuten zur Verfügung, um alle Murmeln zu finden und in der Schüssel abzuladen. Und bei jedem Alarmton des Weckers musste sie auf den Selbstauslöser drücken. Nervös tastete sie auf dem glatten Boden herum und stieß dabei mehrere Murmeln an, die sich in der Folge auf den Weg in entfernte Ecken des Zimmers machten, möglicherweise gar unter ihrer braunen Ledercouch landeten.
Zwei Kugeln später ertönte der Wecker erneut und das nächste Foto war fällig. Kugeln in die Schüssel - Wecker aus - Wecker an - weiter geht es. Sie konnte ja rechnen und wusste, dass sie ihre Aufgabe bei diesem Tempo nicht rechtzeitig würde lösen können. Verdammt! Sie war mit dem Ellenbogen gegen ein Regal gestoßen und hatte dadurch eine soeben gesammelte Kugel wieder verloren. Sie merkte, wie sich oberhalb der Augenbinde Schweißperlen bildeten. Eine Kugel, noch eine …. Schon wieder der Wecker! Das nächste Foto. Sie würde es nie schaffen.
Hektisch rutschte sie über den Boden, als die Zeit zum dritten Mal zu laufen begann. Wohin waren die Scheißdinger nur verschwunden? Als sie gegen das Sofa stieß, legte sie sich flach auf den Boden und tastete mit der Hand darunter herum. Schon wieder der Wecker! Das konnte doch nicht sein! Noch so ein tolles Foto! Als sie auch während der vierten Etappe nur zwei Kugeln gefunden hatte, gab sie auf und setzte sich einfach mitten im Raum auf den Boden und wartete, bis der Wecker zum letzten Mal klingelte. Dann erhob sie ihren Mittelfinger in die Richtung, in der sie die Kamera vermutete, und drückte auf den Selbstauslöser.