Esclavizacion
Eine Finca mit weitläufigem Freiland irgendwo in der Region de Murcia, von mannshohen Mauern umgeben. Es gab keine Nachbarn, nur Ölweidengebüsche und Ödland. Die größte Wasserknappheit des Jahres war überwunden. Die Höchsttemperaturen lagen nur noch bei 34˚ im Schatten. Der aber war fast überall von Menschen gemacht.Im Eingangsbereich, der dem Foyer eines kleineren Hotels ähnlich war, trank Señor Dueno, an einem Tresen stehend, den Rest seines Kaffees und brachte die leere Tasse in den kleinen Nebenraum, der als Tee- und Kaffeeküche für das Personal diente. Señor Dueno war nicht Teil des Personals, ihm gehörte die Anlage. In Wahrheit hieß er nicht Dueno, er war nicht einmal Spanier. Anfang der Neunziger Jahre hatte er als Mittelgewichtsboxer im Norden Deutschlands von sich Reden gemacht, wobei nicht jeder beim Anblick seines Gesichtes darauf geschlossen hätte. Er war kein tumber Draufschläger gewesen und er hatte gute Ärzte gehabt, die ihr Handwerk verstanden. Sein Gesicht könnte nicht als tadellos beschrieben werden, aber die Nase war nur wenige Male gebrochen. In dem enganliegenden schwarzen Langarmshirt mit der perfekt sitzenden schwarzen Stoffhose machte er immer noch eine gute Figur. Er trug das dunkelblonde Haar zwei Finger breit länger als früher, als er noch in Deutschland lebte.
Er öffnete eine Tür, indem er an einem Tastenpaneel einen vierstelligen Code eingab, trat ein und verschloss die Tür wieder. Hier war es ebenso ruhig wie im Eingangsbereich, nur in diesem Teil des Gebäudes waren die Wände nicht verputzt. Das Rotbraun der herausgearbeiteten Ziegelsteine erinnerte an ein Fort des 19. Jahrhunderts. Er war nun in einem Gang, in dem auf der linken Seite drei Türen waren und der nach höchstens zehn Meter abbog. Vor einer der Türen, die alle ein Sichtfenster in Kopfhöhe hatten, stand ein Mann in einem schwarzen Anzug. Beide Ohren des Mannes waren mit jeweils vier Ringen aus Gold geschmückt. Er schaute durch das Fenster in den Raum hinein. Señor Dueno, der ihn mit seinen 1 Meter und 85 leicht überragte, trat an ihn heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Na Micha, wie siehts aus?“
Der Mann, den er Micha nannte, schaute weiter durch das Sichtfenster. „Hanna hat sie gemeinsam mit Ramon eingecheckt; im Südteil der Anlage, mit Seilen und dem Kartoffelsack.“ Señor Dueno schaute jetzt auch in den Raum hinein. Auf einer schlichten Pritsche, ansonsten war kein weiteres Mobiliar zu sehen, lag in Bauchlage eine Frau, bekleidet nur mit BH und Slip und mit blickdichten, schwarzen Strümpfen. Sie hatte langes braunes Haar. Hand und Fußschellen aus Edelstahl, die durch eine kurze Kette miteinander verbunden waren, hielten ihre Hände auf dem Rücken und ihre Füße eng zusammen. Ihre Beine waren an den Knien nach oben angewinkelt. Das Gesicht hatte sie der Tür zugewandt. Señor Dueno sah, dass sie stark überschminkt war. „Die Strümpfe, … hat sie die angehabt?“, wollte er von Micha wissen. „Nee, nee, das war Hannas Idee. Sie hat wohl ein Auge auf die Kleine geworfen.“ Dueno schaute kurz in die Richtung des Ganges, aus der er gekommen war, als wäre dort etwas zu bemerken gewesen, dabei schien er aber nur zu überlegen und blickte dann wieder in den Raum auf die gefesselte Frau. „Und die Schminkerei, was soll das?“ Jetzt schaute er den Mann neben sich direkt an. Der zögerte. „Hanna hat sich wohl verliebt. Sie würde die Kleine sofort zur Braut nehmen“, sagte er grinsend. Señor Dueno schloss belustigt die Augen und schüttelte den Kopf.
Er nahm seinem Mitarbeiter, so könnte man ihn wohl bezeichnen, ein Klemmbrett mit einigen Papieren aus der Hand und öffnete die Tür, ging hinein und verschloss die Tür wieder. Es war sehr warm in dem Raum, denn er war nicht wie der Rest des Gebäudes klimatisiert. Er suchte und fand hinter dem Ende der Pritsche eine Wasserflasche aus Plastik mit einem längeren, geriffelten Trinkschlauch daran, die halb gefüllt war. Er hob die Flasche auf. Die gefesselte Frau beachtete er vorerst nicht. In einer Ecke des Raumes, von der Tür aus nicht zu sehen, stand ein schlichter Stuhl. Dueno legte das Klemmbrett neben die Pritsche auf den Boden, holte sich mit einer Hand den Stuhl heran und setzte sich zu der Frau an das Kopfende. Ohne etwas zu sagen, reichte er ihr das Mundstück des Trinkschlauchs an die Lippen und hielt die Flasche dabei so, dass sie leicht daraus trinken konnte. Sie nahm mehrere große Schlucke, bis die Flasche fast leer war.
„Geht es dir gut?“ Die Frau auf der Pritsche nickte. Er hatte diese Frage schon viele Male gestellt. Seit Jahren tat er das, bevor andere die restlichen Formalitäten übernahmen. Das waren meistens Hanna oder Micha. Er sah einen blauen Fleck an ihrem rechten Oberarm und fuhr ganz leicht mit dem Zeigefinger darüber. Sie reagierte auf die Berührung, atmete erschreckt aus. „Hast dich gewehrt?“ Es war nicht nötig, dass sie ihm antwortete, denn alles an ihrer Mimik jetzt gerade verriet ihm, wie es gewesen war. Hanna und Ramon waren in dieser Form des Eincheckens von Gästen eingespielt. Blaue Flecken waren hinnehmbar.
Er nahm das Klemmbrett vom Boden auf und las in dem obersten Blatt. „Du hattest storniert und es dir vorgestern wieder überlegt. Das Restgeld war noch nicht rücküberwiesen, deshalb habe ich deiner Aufnahme zugestimmt.“ Er machte eine Pause und schaute vom Blatt auf. Ihr Gesicht lag seitlich auf und es fiel ihr schwer, seinem Blick zu begegnen. Er schätzte, dass sie bereits seit einer Stunde so dalag. „Du hattest ein Hotelzimmer in Lorca. Hast du da ordentlich ausgecheckt?“ Wieder nickte sie. „Fein, dann präge dir alles gut ein, was ich dir jetzt sage.“ Er legte die Unterlagen zu Boden, denn das, was er zu sagen hatte, war nicht Teil einer Liste der üblichen Formalitäten, es war das, was er der Frau an Nützlichem mitgeben wollte, die da vor ihm auf dem Bauch lag.
„Ich bin Señor Dueno. Mir gehört hier alles. Die Übrigen sind für dich auch Señor oder Señora, bis auf Ramon. Den hast du ja bereits kennengelernt. Der ist El Criado, Knecht, Diener sozusagen, kein Herr in unserem Sinne. Mach nicht den Fehler und heule dich bei ihm aus, nur weil er dir verständnisvoll vorkommt. Mehr dazu nicht. Es kann sein, dass er sich bei dir einschleimt. Sei also vorsichtig! Wie du hier abbrechen kannst, erfährst du gleich noch von meinen Leuten. Sieh zu, dass du deine Blase unter Kontrolle bekommst; du musst jeden Toilettengang eine halbe Stunde vorher mit einer Bitte anmelden. Niemand will hier deinen Namen hören, also vergiss ihn für die nächsten Tage am besten. Du hast dich für die Kategorie „Sklavin“ entschieden. Das bedeutet nicht, dass du deine Vorstellungen vom Sklavinnensein hier einbringst.“ Er musste eine aufkommende Verärgerung unterdrücken, für die die Frau vor ihm nichts konnte, denn er hatte allzu oft erlebt, wie unnötig blockierend erwartungsfrohes Kopfkino war.
„Du wirst gleich, nachdem du gereinigt wurdest, mit einem Halseisen und Eisenschellen an Händen und Füßen versehen werden. Das macht Ramon. Wir haben hier ein ganz altes Verfahren, um sie zu verschließen. Es gibt keine Schlüssel dafür. Nur ich, ein weiterer Señor und Ramon können sie öffnen, weil es dazu eines besonderen Werkzeugs bedarf. Wenn es dir nicht gut geht, rate ich dir, rechtzeitig um Befreiung zu bitten. Es dauert einige Minuten, um die Schellen oder das Halseisen zu öffnen. Tritt dieser Fall ein, ist dein Aufenthalt auf meinem Anwesen allerdings beendet. Wir gehen da kein Risiko ein.“
Er sprach jetzt nicht weiter und betrachtete die Frau. Weil er nicht noch einmal in den Unterlagen nachschauen wollte, schätzte er ihr Alter auf Anfang Vierzig. Vielleicht war sie auch schon 45, es spielte keine Rolle. Sie gefiel ihm, er war sich aber noch nicht sicher, was ihren besonderen Reiz für ihn ausmachte. Er hatte schon viele Frauen in diesem Raum „in Empfang genommen“ und selbst unter den weiteren acht aktuellen Gästen waren zwei Frauen, deren gutes Aussehen zu leichten Rivalitäten unter seinen Leuten geführt hatte. Zeichen setzend hatte er die beiden bereits an ihrem zweiten Abend gemeinsam in seine Räume bringen lassen, wo er sie bis zum frühen Morgen behielt.
Am Sichtfenster hatte sich Micha klopfend bemerkbar gemacht. Er gab Zeichen, dass es Zeit war. Señor Dueno, aus seinen Gedanken gerissen, stand von dem Stuhl auf. „So, das wars erst einmal von mir.“ Er holte tief und hörbar Luft und fasste in seine Hosentasche, um ein kleines Klappmesser herauszuholen. Die Augen der Frau weiteten sich, aber das kannte er so schon. Er beugte sich über sie, zerschnitt erst den BH und dann den Slip und zog die Stoffetzen unter ihr hervor. Die Strümpfe ließ er ganz und fädelte sie durch die Fußschellen hindurch. Noch einmal berührte er sie leicht mit der Hand zwischen den Schulterblättern, weil er das Gefühl hatte, ihren Körper zu wenig angefasst zu haben. Dabei spürte er, wie sie zitterte. Er hob das Klemmbrett auf und schob es unter ihre Arme hindurch, bis es für sein Gefühl auf ihrem Rücken richtig lag.
Mit den zerknüllten Stoffen in der Hand verließ er den Raum, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen. Vor der Tür warteten drei schwarz vermummte Gestalten, von denen nur er wusste, wer sie waren. Er ging grußlos an ihnen vorbei, und sie gingen nacheinander in den Raum hinein. Als er den Türcode eingab, konnte er zum ersten Mal die Stimme der Frau hören. Er kannte diese Schreie und er wusste, dass er sie noch oft hören würde.
m.brody
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