Von Dom und Sub und Hund und Katz'
"Bist du ein Katzen- oder ein Hundemensch?", ist eine häufig gestellte Frage, wenn es darum geht, einen anderen Menschen einschätzen zu können. "Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal", sagt man. Viele Menschen halten Katzen für intelligenter als Hunde, obwohl objektiv Hunde über eine deutlich höhere Intelligenz verfügen. Während Hundebesitzer ihre Lieblinge für deren Ergebenheit, den Wunsch zu gefallen und die unheimliche Begeisterungsfähigkeit lieben, finden Katzenliebhaber an ihren Tieren gerade deren Unabhängigkeit und (angebliche) Unzähmbarkeit faszinierend. Man könnte sagen, Hunde werden als devot wahrgenommen, Katzen als dominant.Und hier beginnt der Bezug zu BDSM.
Mit das erste, was man als angehender BDSMler lernt, sobald man beginnt, sich mit diesem Etikett zu identifizieren, ist ja, dass man sich nicht nur als "sadistisch" oder "masochistisch" definieren kann und sollte, sondern auch als "dominant" oder "devot". Das klingt erstmal sehr gut und vor allem nicht so pervers wie "sadomaso"; man schmückt sich also in der Regel sehr gern mit diesen Etiketten.
In der Szene werden jedoch mit den Attributen "dominant/devot" oft haufenweise weitere Charakteristika verknüpft, die damit strenggenommen gar nichts zu tun haben. Wenn "dominant" jemand ist, den die dominante Rolle sexuell erregt, dann muss er nicht auf alle Welt auch dominant wirken. Und nur, weil alle Subs sich Doms wünschen, die verantwortungsbewusst, stilsicher und von unzweifelhafter Moral sind, sind all dies keine Eigenschaften, die zwangsläufig mit "Dominanz" zusammenhängen (weder im Sinn des BDSM noch im Kontext der Verhaltensforschung). (S. auch BDSM: Dom/Sub: Neigung – Rolle – Außenwirkung)
Umgekehrt wird zwar durch die Bank politisch korrekt behauptet, ein devoter Mann sei keinesfalls weniger "wert" als ein dominanter – jedoch berichten immer wieder Frauen, dass sie einen Dom, der switcht, nie mehr als Dom (bzw. Sexualpartner) erstnehmen könnten. Und bei Frauen findet sich häufiger eine Selbstcharakterisierung als "Submissive Alpha Female", d. h. zwar sexuell devot, aber "alltagsdominant", als eine als "immer devot".
Mein Eindruck ist folgender: Während der Begriff "dominant" in der Szene zwar fast durchwegs positiv besetzt ist, werden mit "devot" Eigenschaften verknüpft, die für Männer ebenso wie für selbstbestimmte, emanzipierte Frauen als unerwünscht gelten.
Woran liegt das, wenn es sich dabei doch "nur" um sexuelle Neigungen handelt?
Ich denke oft, dass sich unter dem Mäntelchen "dominant/devot" meist eine ganze Reihe von Eigenschaften verbergen, die eigentlich ganz andere Aspekte des Charakters betreffen – die aber, sobald das Mäntelchen sitzt, nicht mehr von diesem unabhängig wahrgenommen werden. Über diese Aspekte möchte ich hier diskutieren.
Spontan fallen mir da folgende ein:
• Das Autonomiebedürfnis bzw. der Wunsch nach Selbstbestimmung.
• Der Wunsch zu gefallen.
• Das Bedürfnis nach Anerkennung (mit verschiedenen Formen, es zu erreichen).
• Das Bedürfnis nach Sicherheit durch Führung.
• Souveränität, die daraus entsteht, dass man weiß, was man tut.
• Das Streben nach Harmonie.
• Empathie und Sensibilität (vgl. auch Edgeplay: Empathie und Sadismus).
• Psychischer Sadismus/Masochismus.
• Diverse Persönlichkeitsstörungen oder -akzentuierungen (nicht immer sind die entsprechenden Charakteristika ja ausgeprägt genug, dass man von einer echten Störung sprechen kann): Narzissmus, Dependenz, BPS, mangelndes Selbstwertgefühl, psychopathische Züge …
Während einige dieser Aspekte völlig normal und praktisch allen Menschen zu eigen sind, sind andere grundsätzlich negativ assoziiert – jedoch verlieren sie diese negative Assoziation, wenn sie unter dem Mäntelchen verschwinden.
Ich freue mich auf eure Gedanken zu dem Thema!