Feierabend
Hamburg im Regen. Ein 9-Stundenjob in der Gastronomie liegt hinter ihnen. Mit müden Füßen stolpern sie durch die Straßen, begierig, sich endlich setzen zu können und ein deftiges Frühstück im „Fetter Eber“ am Schlachthof einzunehmen. Ein Szenelokal für hungrige Nachtschwärmer aller Couleur. Die Aussicht auf ein Zwiebelmettbrötchen, ein paniertes Schnitzel, ein Schinkenomelette oder gar ein Schweinefilet lässt sie das Schmuddelwetter wie eine erfrischende Brise wahrnehmen, die kühle, nasse Luft tut gut. Eng umschlungen weichen sie immer wieder Pfützen aus, und als der Regen stärker wird, stellen sie sich für ein paar Minuten in einer Toreinfahrt unter.
Nur ein kleiner Schauer, geht gleich vorbei.
Streichelnde Hände, zärtliche Küsse, Regentropfen von ihren Gesichtern schleckend. Nasse Haare, strahlendes Lächeln und erwachendes Verlangen. Selbst ein vorbeiknatterndes Mofa kann sie nicht stören, dieser frühe Sonntagmorgen, dieser Moment, gehört nur ihnen, ihnen allein.
„Deinen Tabernakel der Lüste, ich will ihn dir öffnen“, flüstert er salbungsvoll, weiß genau, wie sehr es sie erregt, wenn er Umschreibungen wählt, für das, wonach sie sich sehnt.
„Du willst mein Allerheiligstes? Mein Innerstes, du Schurke?“, antwortet sie keuchend und drückt sich eng an ihn, spürt sein Begehren.
„Aber vorher habe ich noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen, Kleines, zu heftig hast du vorhin mit Werner geflirtet!“
„Oh weia, ich fürchte, ich habe eine kleine Strafe verdient. Nachher, wenn wir zu Hause sind? Hm?“
„Wie sagte weiland Goethe schon: Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten.“
„So will ich schauen, dass ich mein Federgewand behalte.“ Sie lacht herzhaft auf. Sie lieben die kleinen und großen Wortspiele, neckischer Schlagabtausch mit Worten, unterbrochen von liebevollen Küssen. Weiche Lippen, die den anderen erforschen. Zeit spielt keine Rolle, weder für ihn, noch für sie. Zusammen sind sie. Ein Paar, Mann und Frau, sich Tag für Tag aufs Neue für einander entscheidend und JA! sagend. Egal, ob die Sonne scheint, oder der Himmel weint.
„Komm!“, sagt er und zieht sie hinaus auf die Straße. „Es tröpfelt nur noch. Lass uns weiter gehen, mir knurrt der Magen.“
© Bernd Walhorn