Social Distancing
Das Internet bietet tolle Möglichkeiten, um neue Kontakte zu knüpfen. Oder um alte Kontakte zu pflegen. Oder um vermeintliche Kontakte herzustellen, die es so eigentlich nicht gibt. Aus letztgenanntem Grund bin ich gerne hier im Joyclub. Hier kann ich mich mit Menschen austauschen, die ähnliche Interessen und Ansichten haben wie ich. Ideen, Projekte, das gemeinsame Verfolgen von kreativen Ansätzen: Hier ist all dies auch nicht immer einfach. Trotzdem ist es verblüffend, wen oder was man hier entdecken kann. Es ist ein wenig wie ein Bummel über den Markt, den man ohne feste Einkaufsliste unternimmt. Man schlendert herum, schaut mal hier und mal dort, führt einige Gespräche und Verhandlungen und stellt fest, dass sich der Einkaufskorb irgendwie doch langsam, aber stetig füllt.
Meinen Instagram-Account habe ich gestern gelöscht. Meine dortige Erfahrung? Diese Plattform ist eher eine Mülldeponie, die sich den Anschein eines Marktes gibt. Man stakst durch einen undefinierbaren Morast und macht Entdeckungen, die man gar nicht machen wollte.
Vor Urzeiten abgelegte Kontakte, die in der Vergangenheit und Vergessenheit perfekt aufgehoben sind.
Außerdem stellt das System Kontakte her, die keinen Sinn ergeben, allenfalls für einen computergenerierten Algorithmus.
Der Schwager meiner Ex-Freundin soll für mich interessant sein? Ich bin nicht einmal mit meiner Ex über Instagram vernetzt. Der ehemalige Uni-Dozent meiner Partnerin? Meine Partnerin nutzt gar kein Instagram und ist außerdem froh, diesem Dozenten nicht mehr begegnen zu müssen. Die Kassiererin aus der Aldi-Filiale am Wohnort meiner Eltern? die war vermutlich mal mit dem Bruder eines Mitschülers aus der 5. Klasse für die Dauer einer Klassenfahrt nach Strunzenöd liiert. Klar, dass sich daraus eine Verbindung bis zu mir generieren lässt.
Wem könnte ich noch folgen (wollen)? Einem nervigen Schlagersänger, einem fachfremden Arzt, der sich erfolgreich als Corona-Experte verkauft oder einem keifenden Koch?
Mein Fazit:
„Instagram brauchst du unbedingt!“, hat man mir vor Jahresfrist geraten. Zu welchem Zweck ich es angeblich benötige, ist mir allerdings bis heute ein Rätsel. Und auch die Tatsache, dass ich um Facebook und Twitter bis heute einen riesigen Bogen mache, hat mir weder emotional geschadet noch für erkennbare Bildungslücken gesorgt. Ich habe all dies bisher nicht gebraucht und halte es jetzt wie mit Netflix und dem Thermomix: Sobald ich mich dreimal richtig geärgert habe, die jeweilige „Innovation“ nicht zu nutzen, werde ich mich neu justieren. Bis dahin freue ich mich aber über meine halb-analoge Existenz.
Und ich hoffe, auch in Zukunft an meinem hiesigen Netzwerk selbst knüpfen zu können, ohne die fragwürdige "Hilfe" eines Algorithmus'.