Der Tanz
Nach einem langen Tag sitze ich hier in diesem Nachtcafé. Nur der Rock und die Bluse sind von der Konferenz noch übrig. Die hochgesteckten Haare fließen nun in blonden Wellen um meinen Hals, der rote Lippenstift verblasst. Den Tag allein und doch unter Menschen ausklingen lassen. Sich mental mehr und mehr in die Wogen der entspannten Atmosphäre fallen zu lassen, einfach loszulassen und zu spüren, wie sich alles im Körper entspannt. Innerlich bedanke ich mich für diesen erfolgreichen Tag, schenke mir selbst ein stolzes Lächeln. Nach und nach komme ich im Hier und Jetzt an, in der Nacht zum nächsten Tag. Völlig ohne Erwartungen kopfüber im Trubel abtauchen, nicht im Mittelpunkt stehen, sich nach niemandem richten und nur mit meinem Gefühl gehen.Ein Glas guten Whiskeys erfreut meine Sinne. Wie ein unsichtbarer Beobachter nehme ich die Emotionen und Schönheit der Menschen um mich herum wahr, die Gelassenheit und Freude am Miteinander. Ich versinke darin, die Sprache der Körper und Mimik zu beobachten. Mein Lächeln und mein Blick werden verträumter.
Aus einer anderen Ecke des Raumes spüre ich fremde Augen auf mir. Sein Blick gefällt mir. Und ihm scheinbar, was er sieht. Denn seine Augen leuchten quer durch den Raum. Als guter Jazz leise durch die Luft schwebt, beginnen meine Füße sich zu regen. Die kleine dunkle Tanzfläche erregte schon mein Interesse, als ich diese Welt das erste Mal betrat. Im Schatten der Nacht den Körper im Rhythmus zu verlieren, sich von der Melodie tragen zu lassen, ganz für sich sein.
Als ich aufstehe, steht plötzlich dieser Mann vor mir. Ich konnte ihn riechen, bevor ich ihn visuell wahrnahm. Sein Duft, souverän und erregend zugleich, Zedernholz und Kaffee unter ein paar feurigen Kopfnoten, unterstreicht seine Ausstrahlung. Schon halb auf dem Weg zu meinem Tanz, stehen wir nun nah beieinander. Unsere Blicke begegnen sich ohne Worte und gehen tief unter die Haut. Sein Lächeln umhüllt mich zugleich mit Wärme und Erregung. Ich hauche fast engelsgleich: "Ich komme wieder."
So tauche ich erstmal ab, in die Musik, die Nacht, lasse mich von der Sinnlichkeit tragen. Es fühlt sich so gut an nur für mich zu tanzen. Sicher werde ich beobachtet, aber das schert mich nicht all zu sehr. Diesen Moment, dieses Gefühl der Schwerelosigkeit, lasse ich mir nicht nehmen und versinke weiter darin jede Zelle meines Körpers in den Takt der Töne zu bringen. Heute ist etwas anders. Dieser Duft lässt mich nicht los. Ich werde neugierig, was sich hinter ihm verbirgt. Mein Blick wandert zurück zu meinem Whiskey. Ich fühle einen Moment der Schwäche, als ich seinen Blick auf meinem Körper spüre. Er genießt sichtlich die Gesellschaft, allein an meinem Platz, mit gutem Ausblick. Während ich zurück zur Theke schwebe, mustere ich ihn. Braune Lederschuhe, eine dunkelorangene Chinohose und ein dunkelblaues Hemd. Der oberste Knopf ist offen. Gepflegte Hände und ein kräftiger Körper. Er strahlt Ruhe, gesunden Stolz und eine stille, aber aufregende Neugier aus. Als ich vor ihm stehe, steht er auf und schiebt mir den Stuhl näher. Ich bedanke mich mit einem Lächeln. Weiterhin ohne Worte verlieren wir uns in unseren Blicken. Der Moment wirkt wie eine kleine Ewigkeit. Die Energie zwischen uns kribbelt unter meiner Haut. Seine rechte Hand auf der Bar, neben meiner linken, öffnet sich. Ich lege meine Finger behutsam in sie, ertaste sie und spüre, wie es mich erregt. Wie dieser Mann in diesem Moment mich erregt. Seine Finger massieren mit wechselndem Druck die meinen, spielen mit ihnen verführerisch. Mir wird heiß, während ich mir vorstelle, was diese Hände an meinem restlichen Körper anstellen könnten. Und das, obwohl ich nicht mal den Namen dieses ausgesprochen attraktiven Mannes kenne. Meine Atmung wird unregelmäßig. Er spürt meine Erregung, massiert in ihrem Rhythmus, kontrolliert und steigert sie. Unser Augenblick spricht Bände. Mein Unterleib macht kleine Kreise, fast schon wahre Freudensprünge. Sein Lächeln und der Duft bringen mich immer mehr um den Verstand. Sie entrauben mir ein leises Stöhnen. Ich genieße dieses Spiel mit der Lust. Seine Augen strahlen immer mehr, beobachten meinen Körper akribisch. In meinem Kopf kommen kaum noch klare Gedanken zusammen. Ich weiß nur, dass ich mehr von diesem Mann spüren möchte, mit allen Sinnen. Ich umschließe seine Hand mit meiner, spüre die Hitze zwischen ihnen und flüstere hörbar erregt: "Komm mit mir."
Jeder Schritt ist ein Akt. Meine Erregung betäubt meine Sinne, pulsiert in meinem Unterleib. Ein Vulkan brodelt in mir, wird immer heißer. Ein Teil in mir sehnt sich nach Erlösung, nach leidenschaftlichen Küssen und Berührungen. Wie er wohl schmeckt? Wie seine erregte Haut sich wohl anfühlt? Welche Teile seines Körpers wohl besonders empfindsam sind?
Mein Kopf erinnert mich daran, nichts zu überstürzen. Auf der Tanzfläche angekommen, halte ich seine rechte Hand noch immer fest umschlossen. Auf Zehenspitzen erreiche ich sein linkes Ohr und flüstere: "Führe mich in Versuchung, wenn Du willst."
Ich entdeckte das Tanzen erst spät für mich. Und ich kann bisher auch nur etwas mehr als die Grundschritte. Aber eines kann ich besonders gut - mich führen lassen. Das war schon mehr als das halbe Vergnügen und verriet viel über den Tanzpartner, über sein Taktgefühl, seine Art einer Frau nah zu sein. Seither bitte ich gerne um einen Tanz, bevor mir jemand die Bluse öffnet…
Er fordert die Versuchung heraus. Schneller, als ich es erwarte, zieht er mich sachte an sich. Meine Brüste an seinem kräftigen Oberkörper reagieren wie im Eisbad nach der Sauna. Ein neues Lied beginnt, der Mann mit dem betörenden Duft nimmt Haltung ein und führt mich wie kein anderer zuvor. Zwischen uns passt kein Pergament. Sein ganzer Körper tanzt mit mir. Seine Hüfte verschmilzt mit meiner, pulsiert im Rhythmus unserer ersten Berührung. Neben meinem Ohr höre ich seine tiefe, sinnliche Stimme leise mitsummen. Während ich in der Schrittfolge sicherer werde, berühre ich mit meiner Nasenspitze seinen Hals seitlich. Ich kann nicht genug von diesem Geruch bekommen und will seine Wirkung weiter erkunden. Dabei spüre ich den Daumen seiner rechten Hand unter meinem Arm nach vorne wandern. Er spürt meine Überraschung und ich höre ihn lächeln. Unsere Schritte werden langsamer, ein Liedwechsel kommt.
Schon vor dem zweiten Takt erkennt mein Körper die Melodie. Die Sterne stehen in dieser Nacht über mir und diesem Mann. Denn bei 'Rhye' wird alles in mir schwach, ob ich will oder nicht. Jede Zelle meines Körpers erinnert sich an die diese Komposition und die lustvollen Stunden zu ihr.
Seine Hände schleichen langsam wie behutsam über meine wohlgeformten Kurven bis zu meinen Hüften und lösen einen warmen wohligen Schauer in mir aus. Alle Empfindungen strömen in meine Körpermitte, nähren das lodernde Feuer tief in meinem Unterleib. Sein erregter Blick lässt mich unentwegt lächeln. Meine Hände finden sich auf seinem Oberkörper wieder. Seine ersten Worte gehen über seine Lippen: "Wer bist du?". Meine Augen bleiben an seinen Lippen hängen, seinem gepflegten Bart. Sein leises Lächeln holt mich zurück und ich antworte: "Elle."
"Elle,..", es klingt wie ein Geheimnis, "erweist Du mir die Ehre, Dich von mir verführen zu lassen?" Das klingt eher wie ein geheimes Feuerwerk. Ich blicke ihm daraufhin tief und lang in seine Augen. Bevor ich ein weiteres Wort zustande bringe, antwortet mein Unterleib auf seine warmen Worte, indem er sich an seinen schmiegt. Sein Kopf neigt sich zu meiner Linken. Nah an meinem Ohr spüre ich seinen ruhigen Atem. Unsere Schritte drehen uns und da stehe ich zwischen dem Mann und rücklings an einer Wand, in einer recht dunklen Ecke. "Dein Schweigen werte ich als Zustimmung, liebe Elle.", nehme ich benommen wahr. Seine rechte Hand tastet sich aufwärts, die linke spielt mit meinen Haaren. Mein Körper verlangt nach seinen Händen, meine Seele schreit stumm nach mehr.