Intimität im Bett der Anonymität
Vier Männer in feinen, schwarzen Anzügen. Ihre Hosenbeine enden an sichtlich teurem Schuhwerk. Glänzend heben sich die roten oder schwarzen Krawatten von dem strahlenden Weiß der Hemden ab.Sie sitzen entspannt in bequemen Stühlen. Edles, schwarzes Leder. Blankpoliertes Chrom.
Wenn man ganz genau hinsieht, kann man darin eine verzerrte Spiegelung dessen erkennen, was sich in dem ansonsten abgedunkelten Raum im Fokus der Anwesenden befindet.
Die Stühle sind so ausgerichtet, dass die darin Sitzenden eine optimale Sicht auf den luxuriösen, ebenfalls mit schwarzem Leder bezogenen Ohrensessel haben. Dieser steht in der Mitte der Räumlichkeit, und ein diskreter Lichtstrahl beleuchtet ihn. Noch ist er leer.
Die Lufttemperatur beträgt 26 Grad Celsius. Etwas zu warm für die Anzugträger und ein feiner Schweißfilm bildet sich auf der ein oder anderen Stirn.
Dies ertragen sie jedoch klaglos in Anbetracht der Tatsache, dass die Attraktion, auf die sie warten, keinen Faden am Leib tragen wird.
Ruhig verharren sie auf ihren Plätzen. Keiner spricht und die einzige Bewegung, die man wahrnehmen kann, ist das Heben und Senken ihrer Brustkörbe beim Ein- und Ausatmen.
Normalerweise eine Situation, in der man leicht der eventuell vorhandenen Müdigkeit nachgeben, die Augen schließen und einschlafen würde.
Nicht jedoch diese Männer.
Sie wissen, welch Schauspiel ihnen geboten werden wird, dessen Bühne der Sessel ist. Die Bühne für eine Leidenschaft, die sie miteinander verbindet. Sie haben sich vorher noch nie gesehen, und auch hier kein Wort miteinander gewechselt.
Die gehobene Gesellschaft, der sie entstammen, verzeiht keine Fehler oder außergewöhnliche Neigungen. Diskretion ist oberstes Gebot.
Deshalb wird dieses besondere Spektakel auch die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen bleiben.
Keiner der Herren dreht sich um, als sich hinter ihnen die Tür öffnet und eine weibliche Person den Raum betritt. Nur äußerst feinfühlige Menschen würden die kaum wahrnehmbare Unruhe durch den sich beschleunigenden Puls in den Adern der Wartenden spüren.
Ein winziger Lufthauch nur entsteht, während die Dame gemessenen Schrittes an den Zuschauern vorbeigeht. Sie würdigt sie keines Blickes. Anonymität ist Programm. Auch erwartet sie zum Ende der Aufführung keinen Applaus.
Denn, dass sie es vorführen darf, ist ihre eigene Leidenschaft.
Splitterfasernackt ist sie, und das ist schon Teil ihrer Darbietung. Das Aussehen der Frau spielt für die Männer keine Rolle. Ob alt oder jung, groß oder klein, dick oder dünn - das ist vollkommen nebensächlich.
Vier Augenpaare folgen jeder Bewegung. Nur flüchtig nehmen die Männer von ihrem Gesicht und dem Körper Notiz; ihr eigentliches Interesse gilt etwas Anderem. Gespannt beobachten sie, wie sich die Frau auf den Sessel niederlässt, sich zurücklehnt und die Augen schließt.
Einige Atemzüge lang sitzt sie nur unbeweglich da, versinkt ein wenig in der Polsterung.
Dann endlich erobert sie die Bühne, indem sie aufreizend langsam ihre bis dahin sittsam zusammen gehaltenen Beine spreizt.
Die Aufmerksamkeit des Publikums konzentriert sich nun auf ihren sorgsam rasierten Schoß. Denn das ist es, was sie sehen wollen und warum sie hier sind: Die Vulva.
Die inneren Schamlippen ragen ein wenig hervor, gerade so, als ob sie neugierig heraus lugten, was wohl als nächstes passieren wird.
Mit spitzen Fingern zieht die Dame sie auseinander und legt die Sicht auf den Eingang in eine tiefe Dunkelheit frei.
Einer exotischen Orchidee gleich liegen die Lippen wie rosa und dunkelrote Blütenblätter um den feucht glänzenden Spalt.
Einige Sekunden verharrt sie so und lässt die Zuschauer in der Betrachtung der Blume versinken. Das ist ihr Intro, mit dem sie das Publikum auf das folgende Schauspiel einstimmt.
Wer nun aber erwartet, die Protagonistin werde sich einen Finger in ihre Scheide einführen und ihn daraufhin genüsslich und mit laszivem Wimpernschlag in Richtung der Männer ablecken, ist auf dem Holzweg. Sie wird auch nicht anfangen, ihre Klitoris zu streicheln. Nein. So romantisch geht es hier nicht weiter. Kein Flirt, keine Interaktion.
Es geht hier um die Ästhetik der Vulva. Und um das, was sie, außer schön aussehen, sonst noch kann.
Die Dame greift nach dem Spielzeug, das sie mitgebracht und neben sich auf der Armlehne abgelegt hat. Das Gerät ist in schwarz und gold gehalten und sieht elegant aus; es hat auf einer Seite eine Art Saugstutzen aus Silikon.
Mit der einen Hand hält sie die äußeren Labien gespreizt, um ihre Perle freizulegen.
Rosa und erwartungsvoll liegt diese im Zentrum der Weiblichkeit.
Nur einen kurzen Blick darauf gönnt die Dame den Herren, bevor sie den schwarzen, weichen Sauger mit der anderen Hand dort aufsetzt.
Die Fingerspitzen ihrer linken Hand ziehen wiederum die Blütenblätter der Orchidee zur Seite. Ihr Innerstes will sie zur Schau stellen und den intimsten Moment teilen.
Sie schaltet den Apparat auf dem Venushügel ein.
Ein leises Brummen ist zu hören, wie ein weit entfernter Dieselmotor. Der Sauger an der Klitoris vibriert und ahmt die sanften Kuss- und Leckbewegungen nach, die viele Frauen gerne an dieser meist verborgenen Stelle genießen.
Rasch breitet sich ein warmes Gefühl in ihrem Körper aus. Der Atem wird schneller, ihre Zunge befeuchtet die ausgetrockneten Lippen. Dem Publikum ergeht es ähnlich. Es spiegelt die erotische Stimmung wider, und doch lässt sich keiner der Herren zu einer Lautäußerung hinreißen. Keine erkennbare Reaktion, gerade so, als würden sie einen geheimen Wettkampf ausfechten, wer als letztes seine Geilheit offenbart. Die größer werdenden Schweißtropfen verraten sie jedoch.
Die Augen der Frau auf dem Sessel sind nach wie vor geschlossen; sie konzentriert sich ganz auf sich selbst, ihre sexuelle Erregung und das Finale.
Bald genügt ihr die zärtliche Stimulation nicht mehr und sie drückt den Knopf, mit dem man die Intensität der Vibration erhöht.
Es dauert nicht lange, bis sie anfängt zu keuchen, und sie bewegt das Spielzeug neben und auf der kleinen, weiblichen Eichel hin und her.
Die Augen der Männer leuchten, als sie die ersten Tröpfchen des Lustsafts am Scheidenausgang glitzern sehen.
Ja: Der Eingang wird zum Ausgang. Die Trägerin der Hauptdarstellerin - denn diese ist hier die Vulva selbst und nicht die Dame - stellt das brummende Gerät auf maximale Leistung. Der gleichmäßig tuckernde Dieselmotor scheint nun direkt unter dem Fenster zu stehen, aber das dringt nicht in das Bewusstsein der Anwesenden.
Die Blicke der Herren kleben fest an dem Ort, an dem es jeden Moment zum Showdown kommen soll. Keiner will diesen ganz speziellen Zeitpunkt verpassen.
Das Loch zwischen den Lippen beginnt zu zucken, als wenn es Worte formulieren will, während der Sauger weiterhin fest auf dem Kitzler sitzt. Das Weib zwischen den Polstern wimmert und stöhnt abwechselnd. Ihr Unterleib tanzt hin und her, vor und zurück, als ob er der Stimulation gleichzeitig entgegenzukommen wie auszuweichen sucht.
Plötzlich ruft sie schnell hintereinander: "Oh, mein Gott! Oh, mein Gott! Oh, mein Gott!"
Sie spürt die heißen Wogen des nahenden Höhepunkts und weiß schon jetzt, dass er grandios sein wird.
Im letzten Moment hält sie die Luft an und ist nur noch dieses Epizentrum der größten Lust.
Ihr Schoß zuckt, und krampfhaft hält sie mit den Fingern die Schamlippen offen. Eine Explosion breitet sich in ihrem Gehirn aus und projiziert ein wahres Feuerwerk auf die Netzhaut.
Dann ist es soweit: Die Schleusen ihres Quells öffnen sich. Fontänengleich schießt die warme Flüssigkeit in hohem Bogen bis vor die Füße der Zuschauer. Nicht nur einmal, sondern immer wieder.
Ein erleichterter Schrei begleitet dieses heiß erwartete Ereignis. Keiner kann hinterher sagen, wer diesen eigentlich ausgestoßen hat.
Irgendwann rinnt nur noch ein kleines Rinnsal aus dem Spalt, bis die letzten Tropfen dieses Bebens auf den mit Granit gefliesten Boden fallen.
Auch die Herren keuchen nun, die Hände fest um die Armlehnen der Stühle gekrallt, die Beinmuskeln wie zum Sprung angespannt. Der Duft nach Sex umwabert sie. Die Jacketts verdecken den Schritt, und es ist unmöglich festzustellen, wo sich ein steifer Penis gegen den Reißverschluss der Hose drängt.
Die Regelung besagt: "Nur zusehen. Nicht anfassen." Weder sich selbst, noch den Star.
Und daran halten sich alle, denn sonst dürfen sie nie wieder dabei sein, wenn der Sessel zur Bühne wird.
Ermattet sinkt die Dame auf das schwarze Leder, und nur nach und nach normalisiert sich Atmung und Herzschlag.
Vorsichtig steht sie schließlich auf, das Spielzeug immer noch in der Hand, steigt über die Pfütze auf dem Boden hinweg und verlässt das Zimmer.
Kein Applaus. Kein Abschiedswort. Jeder ist auf seine Kosten gekommen. Sie werden sich in dieser Konstellation nie wieder treffen.
Draußen im Gang schlüpft sie wieder in ihre Anziehsachen, die dort hängen.
Sorgfältig bändigt sie ihre Haare mit einem weißen Kopftuch, das sie im Nacken verknotet. Es bildet den farblichen Abschluss ihrer türkis-weißen Uniform, die sie als Angestellte eines Reinigungsunternehmens auszeichnet.
Am anderen Ende des Flurs befindet sich ein Waschraum mit drei Toilettenkabinen. Der Boden und die Wände sind mit glänzenden, schwarzen Fliesen bedeckt; die Fugen in grellem Weiß gehalten. Die Armaturen der Waschbecken sind fleckenlos blank poliert. Die Seifenbehälter sind aufgefüllt, dreilagiges Klopapier in den Halterungen und weiche, weiße Handtücher finden sich ordentlich gestapelt auf der Ablage vor dem Spiegel. Dieser nimmt die gesamte Wand über den beiden Waschbecken ein, was den Raum optisch größer macht.
Das ist ihr Reich. Hier ist sie die Herrscherin über Sauberkeit und Hygiene. Mit einem weichen Lappen wischt sie einen nicht vorhandenen Fleck von der Türklinke. Rückt die Handtücher zurecht. Niemand soll sich hier unwohl fühlen oder sich gar über sie beschweren. Das ist ihr Anspruch an sich selbst.
Als sie hört, dass ihre vorherigen Zuschauer auf den Gang treten, nimmt sie den Platz vor der Toilettentür neben einem Tischchen ein, auf dem ein schlichter, goldgeränderter Teller steht.
Sie senkt ihr Gesicht mit dem Wissen, dass die Herren sie ohnehin nicht beachten werden.
Eilig laufen diese an ihr vorbei, wollen sich frisch machen, vermutlich in Gedanken schon beim nächsten Geschäftstermin.
Nach kurzer Zeit verlässt einer nach dem anderen den Waschraum, und jeder wirft ganz nebenbei einige Münzen auf den Teller.
Nur der letzte von ihnen verharrt einen Moment neben ihr und zieht langsam die Luft durch die Nase ein. Ohne sie anzuschauen, holt er einen großen Geldschein aus dem Portemonnaie und legt ihn auf den Teller. Dann verschwindet auch er grußlos und raschen Schrittes.
Sie hat den Atem angehalten: Siedend heiß ist ihr eingefallen, dass sie vergessen hat, ihre Tarnung durch ein paar Parfümspritzer zu komplettieren. Der letzte Herr hat einen ausgeprägten Geruchssinn und sie erkannt.
Sie wird sich einen neuen Duft gönnen für den großen Schein.
Rasch faltet sie ihn zusammen und lässt ihn in die Tasche der Kittelschürze gleiten.
Die Pflicht ruft.
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