Ein guter Plan
Er wollte sterben. Möglichst ohne Ärzte oder Krankenanstalten mit ihren kalten, sterilen Apparaten. Und mit einer gewissen Eleganz, das kannte man von ihm, dafür war er bekannt.Letzte Nacht spürte er wieder bedrohlich sein Herz mit ihm korrespondieren.
Während er sich in Gedanken verschiedene Pharmacocktails ausmalte und über die Beschaffung der Zutaten sinnierte, hörte er knirschenden Kies vor seinem Haus. Dann den satten Klang einer Cabriotür.
Schnell raffte er die verteilten Bücher und Schriften von Sesseln und Tischen, schob alles in einen Wandschrank. Er schritt zur Haustür und öffnete, noch bevor die Besucherin stürmisch die Klingel in Bewegung setzen konnte.
Lüstern stand sie vor ihm.
Eine Hand strich lasziv über ihr rotes Haar und die andere krallte sich fest in seinen Nacken.
Alles in ihm begann zu pochen. Doch in diesem Moment wusste er genau, was dieser Besuch mit seinen Plänen zu tun hatte.
Er führte sie vorbei an den Kunstwerken im Flur zum samtigen runden Sofa im Vestibül. Dort drückte er ihr kurz seine Lippen an die linke Schläfe und lief rasch die Treppe hinauf zu seinem Ankleidezimmer. Wie ein Getriebener kleidete er sich an. Schwarze Hose, Gürtel, Seidenhemd.
Es war ein teuflischer Plan. Zur Vorbereitung huschte er ins Bad, packte kleine blaue Tabletten in seine Hosentasche und lief die Treppe wieder hinunter.
Sie war eine Schönheit, und wie sie da so auf dem Samtsofa lag, kamen ihm doch Zweifel an der Ausführbarkeit seines Planes. Sie schaute ihm tief in die Augen und seufzte. Noch hatten sie kein Wort gewechselt.
Unüblich war das nicht, denn seine Kreativität und erotische Variationsbreite war legendär.
Kurz ging er in die offene Küche und sie hörte, dass er irgendetwas hämmerte. Dann rauschte Wasser, es klapperte metallisch und schon stand er vor ihr mit einem breiten Lächeln.
Er legte ihr ein schwarzes Lederhalsband um, nestelte ungeschickt kurzsichtig am Verschluss und wies sie mit einer Geste an, ihm zu helfen.
Mit dem Hemdsärmel wischte er sich einige blaue Krümel von der Oberlippe, fuhr mit der Zunge über seine glatten Zähne und war sehr zufrieden.
Mit ihrem Auto fuhren sie los, zunächst an der Uferpromenade, dem Yachthafen und der roten Fabrik vorbei. Kurz vor Ortsende machte die Strasse einen Bogen und dort stand seine Kirche.
Die wenigen Schritte bis zum Portal waren schon etwas beschwerlich und kurzatmig. Auch drückte ihn seine aufkommende Erektion. Der Weg in die Sakristei war ihnen beiden vertraut und den Schlüssel trug er nicht nur zu den Messzeiten bei sich.
Gegen 18 Uhr begannen die Glocken zu läuten. Die Stadt bereitete sich auf den Abend vor. Hin und wieder kamen noch Touristen zu einem stillen Gebet in die dunkle Kirche. Manche Kerze wurde entzündet.
Dass in der Sakristei eine Frau saß und ihren toten Liebhaber fest in den Armen hielt, bemerkte niemand.
Sie musste verschwinden, bevor gegen 19 Uhr der Küster seinen Rundgang machte. Schweren Herzens versuchte sie, das Seidenhemd und die Hose nebst Gürtel in eine unauffällige Position zu bringen, ließ den toten Körper auf einen Teppich gleiten und verließ durch die Seitentür die Sakristei.
Am anderen Morgen meldeten alle Tageszeitungen den plötzlichen Tod von Monsignore. Rom schickte ein Telegramm, der Bürgermeister brachte sein Entsetzen in einem Interview zum Ausdruck.
Der behandelnde Arzt sprach von einem zweiten Infarkt und dass man damit jederzeit habe rechnen müssen. Weitere Untersuchungen fanden nicht statt. Der Verblichene war über jeden Zweifel erhaben. Wen Gott aus irdischem Leid und Pein direkt in der Kirche abholt, der sei auf der Stufe zur ewigen Seligkeit, flüsterten später die Nonnen am offenen Grab.
Allerdings gab es am Tage nach der Beisetzung fast einen Eklat, als man ein SM-Halsband zwischen den Blumen des Grabhügels fand. AMORE war in das schwarze Leder eingeritzt.
Doch auch hierfür fanden die Nonnen eine Erklärung.
Wenn ein guter Mensch zu Gott kommt, so sei der Teufel so böse, dass er versuche, auch nach dem Ableben noch sein vernichtendes Werk zu treiben.
"Papperlapapp", sagte dazu der Küster und warf das Halsband in eine grüne Müllbox.