Tanz mit dem kleinen Tod

Jeden Dienstag kam er vorbei. Nicht unbedingt pünktlich, sondern mal eine halbe Stunde früher, mal etwas später. Groß und muskulös, seine Bewegungen wie ein einstudierter, meditativer Tanz. Üblicherweise gehörten zwei weitere Männer zu seiner Choreographie.

Jeden Dienstag saß sie gespannt hinter der dichten Gardine ihres Küchenfensters und hielt aufgeregt Ausschau nach ihm - dem Mann, der seine Tanzpartnerinnen geschmeidig über den Gehweg und die Straße führte.

Wenn er endlich erschien, beobachtete sie, wie er die Hand im ledernen Handschuh den wartenden Damen entgegenstreckte. Diese folgten seiner Aufforderung willig, denn seine Geste duldete keinen Widerspruch. Selbst die Widerspenstigsten ergaben sich rasch seiner natürlichen Dominanz und dem festen Griff. Voller Selbstbewusstsein absolvierte er stets die gleichen, routinierten Schritte und Stellungen, denen sie jede Woche mit treuer Bewunderung zusah.

Immer wieder stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn er sie zum Tanz bitten würde. Bitten? Nein, bitten war nicht seine Art.

Sie legt ihre zerbrechliche Hand ohne Zögern in seine große, starke und gibt sich deren Führung hin. Er presst ihren leichten Körper mit Schwung gegen seine breite Brust, dass ihr der Atem wegbleibt. Unter seinem Arm hindurch macht sie leichtfüßig eine Pirouette, bis es ihr schwindelt.
Die Hebefiguren schafft er bei ihrem Fliegengewicht einhändig, während sie die kurzen Momente der Schwerelosigkeit genießt.

An manchen Dienstagen gingen ihre Fantasien weit über einen Tanz auf der Straße hinaus. Dann stellte sie sich vor, wie er mit ihr von der Straße in die kleine Wohnung wirbelt. Und dann?

Dann stößt er mit einem Fuß die Tür hinter sich zu und reißt ihre Bluse auf, sodass die kleinen Perlmuttknöpfe in alle Richtungen davonspringen. Sogleich umfasst er die kleinen Brüste, die ihm entgegenfallen, und knetet sie, als wolle er die schon lange milchlosen Anhängsel melken. Das mag sie sehr und kann kaum genug davon bekommen.
Er ist jedoch in Eile, dreht sie um und drückt ihren Oberkörper auf den Esstisch aus Massivholz hinab. Rasch schiebt er den knielangen Rock hoch und befreit ihren Po von Strumpfhose und Slip. Mit einem Handgriff ist der Hosenladen geöffnet und der allzeit bereite, steife Schwanz herausgeholt.

'Schwanz' - wie sehr sie diesen Ausdruck liebte und dessen wunderbar verruchten Klang!

Dieser bringt ihre verwelkenden Labien zum Erblühen, stößt in deren Mitte und pumpt die Lustschreie aus ihrer Kehle, während sie sich an der Tischplatte festhält. Gelegentlich legt er die behandschuhten Hände um ihren Hals und würgt sie, um den Genuss für sie beide zu erhöhen.
Wenn der Schwanz in ihr und mit ihr explodiert, stirbt sie den kleinen Tod. Sie ist außerhalb von Zeit und Raum in einem nicht zu beschreibenden Zustand.

Erst wenn er seinen erschlaffenden Schwanz aus ihr zieht und sie die Kühle fühlt, die sich wie ein Feind zwischen die beiden erhitzten Körper schiebt, kehrt sie langsam aus dem Jenseits in die Realität zurück. Den Schmerz an den gequälten Hüftknochen spürend sowie das verschämte Rinnen der Liebessäfte, die an der Innenseite ihrer mageren Beine entlang dem Gesetz der Schwerkraft gehorchen.
Er zieht dann den Reißverschluss der Hose genauso gnadenlos zu wie die Wohnungstüre hinter sich. Kein Wort des Abschieds.
Es warten noch so viele Damen auf den wöchentlichen Tanz mit ihm.

Die Darbietung war zu Ende. Sie drehte sich vom Fenster weg und ging mit kleinen Schritten zu dem großen Spiegel im Flur. Nachdenklich betrachtete sie ihr Gesicht. Die Wangen waren gerötet, was sie schmunzeln ließ. Aus den blassen Augen, die einst dunkelgrün waren und schon so viel gesehen hatten, blitzte eine junggebliebene Seele, als ob diese ihrer achtzigjährigen Inhaberin sagen wollte: "Lebe und liebe!"
Von draußen klang der Lärm des Müllfahrzeugs, das zum nächsten Haus fuhr.



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