Die Glocken zu Bethlehem
Teil 1/6Die Glocken von Bethlehem wollte sie hören. An Weihnachten. Und jetzt waren sie tatsächlich die mehr als viertausend Kilometer geflogen und hatten sich einen Winterurlaub im Westjordanland gegönnt.
In dieser Stadt war also der angebliche Sohn Gottes geboren. Na ja. Wenn man dran glaubte. Joe war ohne Religion aufgewachsen. Aber seine angebetete Mary liebte diesen ganzen Weihnachtsklimbim. Und seit kurzem war sie felsenfest davon überzeugt, dass es mit dem Babykriegen klappen würde, wenn sie dem Glockenklang der Geburtskirche Jesu lauschte.
Ach, das mit dem Baby würde schon irgendwann klappen. Joe war sich sicher, dass alles zur rechten Zeit am rechten Ort geschehen würde. Sie versuchten schon seit zwei Jahren, ein Kind zu bekommen. Medizinisch war alles abgeklärt. Ihrer beider Keimzellen hatten sich aber einfach noch nicht zu neuem Leben vereinen wollen.
Wenn Mary also meinte, das Geläute würde helfen, würde Joe gerne mit ihr lauschen - solange sie auch wieder mit ihm im Toten Meer badete!
Mary saß auf einer der alten, wüstenfarbenen Mauern. Ihre Augen auf den Turm der Kirche gerichtet, aus dem abends das festliche Spiel der Glocken zu vernehmen sein würde. "Sehr schlicht", meinte sie.
Joe hockte unterhalb von ihr, den verschwitzten Rücken an das unregelmäßige Mauerwerk gelehnt. Er verrenkte den Hals, um auch den Turm anzuschauen. Sein Blick wurde jedoch versperrt. Joe grinste. "Mary!"
Sie beugte sich leicht nach vorne. "Ja, mein Schatz?"
DAS waren die einzigen Glocken, die er läuten hören wollte! Marys volle Brüste baumelten sacht hin und her. Trug sie heute keinen BH unter dem T-Shirt? Das war ihm noch gar nicht aufgefallen!
"Welch schöne Glocken! Welch unwiderstehlicher Klang!" Joe starrte wie hypnotisiert auf die weichen, wogenden Hügel. Erinnerte sich an die glänzenden, runden Bojen im salzigen Wasser.
"Bimbam, bimbam, bimbam!", sang Mary vor sich hin und bewegte den Oberkörper im gleichen Takt.
Joe richtete sich auf und schüttelte seinen langen, schlanken Körper. "Brrr, dein Geläut schickt mir genussvolle Schauer über den Rücken!"
Mary lächelte ihn verführerisch an. Spreizte ihre Beine etwas.
Hatte sie etwa auch keinen Slip unter dem doch etwas kurzen Jeansrock? Joe stellte sich zwischen Marys Schenkel und zog seine Liebste an sich. Verliebt und ein kleines bisschen verschmitzt sah sie ihn an.
Hach - was war sie doch für eine scheinheilige Hure! Genau so, wie er es liebte!
Joe küsste Mary. Anfangs sanft. Erkundete die wohlbekannten Schwünge und Grübchen - jedesmal aufs Neue. Tauchte testend mit seiner Zunge in ihren Mund. Immer tiefer, bis er auf Marys Antwort stieß. Von dieser Frau konnte er nicht genug kriegen!
Leidenschaftlich knutschten sie - ungeachtet des an ihnen vorbeifließenden Pilgerstroms.
Mary presste, nur mehr auf der Mauerkante sitzend, den Unterleib gegen Joes. Der spürte ihre Hitze ebenso wie die zunehmende Enge in seiner Hose.
"Ähem!" Ein lautes Räuspern schreckte die beiden Liebenden auf. Sie lösten sich ruckartig voneinander wie zwei ertappte Teenager.
Ein bärtiger, alter Mann, ganz in Schwarz gekleidet, war neben ihnen stehengeblieben und schüttelte strafenden Blickes den Kopf. Daraufhin wandte er sich wortlos ab und entfernte sich.
Mary und Joe sahen sich an und prusteten los. "Seid fruchtbar und mehrt euch - hat das nicht schon Moses gesagt?" Joe sah Mary gespielt ernsthaft an.
"Oh, da verwechselst du zwei Geschichten!" Mary kicherte. "Bei Noah ging es viel feuchter zu!"
"Ach, das war der mit dem schwimmenden Zoo! Faszinierendes Märchen."
"Ja, genau." Mary nickte. "Leider hat er bei den Einhörnern nicht aufgepasst."
"Stimmt! Ausgerechnet Norbert und Friedrich hat er eingepackt!" Die zwei kicherten ausgelassen über den alten Witz darüber, warum es keine Einhörner mehr gibt.
Jo half Mary von der Mauer. "Aber das mit der feuchten Geschichte müssen wir unbedingt vertiefen."
Mary drängte sich an den geliebten Partner. Auch wenn es nicht kalt war, spürte sie doch gerne dessen Wärme an ihrer Haut. Durch das wilde Küssen waren sie ohnehin beide erhitzt.
"Lass uns etwas trinken und dann suchen wir uns eine Unterkunft, in der wir die Sache mit der Fruchtbarkeit erörtern können." Joe ergriff Marys Hand und ergatterte beim nächsten Straßenhändler zwei Flaschen Wasser. Sie tranken in großen Schlucken und machten sich dann erfrischt auf die Suche nach einem Liebesnest. Das von ihnen gebuchte Hotel befand sich in der Nähe des Toten Meeres, und der Bus würde sie erst spätabends wieder dorthin zurückbringen.
Beim ersten, eher kleinen Hotel ernteten sie mit ihrem Anliegen nur ein bedauerndes Kopfschütteln seitens des Rezeptionisten. Bei den folgenden Herbergen war ihnen nicht mehr Glück beschieden.
" Hm. Es ist Weihnachten. Warum sollte es uns anders gehen als Maria und Josef." Mary trank ihre Wasserflasche leer und entsorgte sie in einem Mülleimer.
"Nun, gewisse Parallelen kann auch ich als Agnostiker erkennen", gab Joe zu.
Die zwei Liebenden sahen sich an. Grinsten. Eine Idee nahm Gestalt an.
Entferntes Wiehern eines Esels besiegelte das Vorhaben.
Copyright by Regina2, Dezember 2021