Offene Beziehung
„Irgendwie könnte ich mir schon etwas vorstellen“, sagte sie mir, „erinnerst du dich an den, mit dem ich früher einmal Sex hatte?“„Der vom Wohnheim?“, fragte ich.
„Ja, mit dem kann ich mir das vorstellen. Der ist überhaupt keine Gefahr. So zwei, drei Tage mit ihm verbringen und nur Sex haben. Das könnte schon gehen.“
Ich drehte mich um und schnitt Zwiebeln. Erst senkrechte Schnitte, die Wurzel ließ ich, um die Zwiebel zusammenzuhalten. Dann waagrechte. Vorsichtig, damit die Wurzel nicht verletzt wird.
Dann die Würfel schneiden. Mir kamen die Tränen. Hoffentlich hielt sie.
„Weißt du“, sagte sie, „irgendwie konnten wir so gut über Sex reden.“
Die nächsten Würfel fielen. Die Wurzel hielt.
„Ich meine, wir haben uns immer erzählt, was und wie wir es gerne machen würden.“
Auch jetzt fielen die Würfel, jeder Schnitt war scharf und glitt durch die Zwiebel. Das Messer hatte sie mir gekauft, als Geschenk. Vor Jahren schon. Ein tolles Gerät. Es lag gut in der Hand, war weder leicht noch zu schwer, filigran genug für Zwiebeln und aus gutem Metall.
Ein Messer für ein Leben.
Nur ab und an musste man es schärfen, damit es nicht stumpf wurde.
Sonst kamen einem beim Schneiden die Tränen.
„Das war ja nichts Festes, am Ende haben wir uns nur ab und an gesehen.“
Und dann kam ich, ich erinnere mich gut!
Auch an den anderen. Damals tat er mir leid. Ich kannte ihn nicht gut, aber wir haben uns „Hallo“ gesagt, wenn wir uns gesehen haben.
Dass sie mit ihm etwas hatte, hat sie mir irgendwann einmal gesagt und ich habe es wahr- und aufgenommen. Ich glaube ohne viel Emotion.
„Ich hab ihn noch als Kontakt auf Facebook und er postet viel. Es geht ihm nicht gut.“
Da spürte ich, wie stumpf das Messer war. Immer mehr Tränen kamen, die Würfel wurden plump und lagen traurig da.
Ich verglich sie mit den Würfeln vom Anfang, die quadratisch, einig und klar vor mir lagen.
„Ich glaube, drei Tage mit ihm Austoben fände ich gut!“
So stumpf war das Messer noch nie... Ich dachte an die letzten zehn Jahre zurück. Das Zusammenrollen auf dem Bett. Das Wegdrehen in der Nacht. Die Annäherungsversuche. Wie ich mir vorkam.
Hässlich, traurig, abgelehnt.
Ich warf die Wurzel in die braune Biotüte und rollte diese zusammen, damit die Fliegen nicht an das Gemüse konnten.
Dann drehte ich mich zu ihr herum.
Sie sah meine Tränen und machte eine Schublade auf.
„Warte“, sagte sie, kam auf mich zu, nahm mir das Messer aus der Hand und schliff es.