Der Zug am Seil
Teil 1Mit dem Zug am Seil ging es los. Langsam setzte ich mich in Bewegung. Einen kleinen Schritt, ein Tasten mit den Zehen, die nackt und verletzlich waren. Ich hatte Angst. Um sie. Am wenigsten.
Ich war alleine und zitterte. Es war die nackte Angst, die jede Bewegung begleitete.
Ganz entfernt und verschwommen nahm ich meine Schritte wahr. Ich spürte, wie gewisse Teile meines Körpers leicht gegen meine Oberschenkel schaukelten. Ich hörte meine Barfußschritte kaum.
Da setzte dieser Geruch ein. Und der Zug am Seil veränderte sich. SIE ließ es fallen, das merkte ich, denn es pendelte an meinem Penis entlang. Gleichzeitig drückte sie mir etwas, es müssen zwei Fingerspitzen gewesen sein, auf die Brust. "Stopp", interpretierte ich in diese kleine Berührung hinein und ich tat, was sie sagte.
Ich vertraute ihren Berührungen und Worten. Ließ mich führen, mit dem Zug am Seil, dass sie über meine Schulter nach hinten warf. Mein Körper bäumte sich leicht auf und fiel sofort wieder in sich zusammen. So intensiv nahm ich das Seil wahr.
Ich zitterte, weil die zwei Finger wie kleine Schlangen mit spitzen Zähnen meinen Bauch entlangglitten, getrennt am Nabel vorbei und dann zusammen wie ein gefährliches Tier bis zur Spitze hinunter. Das Kratzen am Ende ließ mich zittern, und mein Penis pendelte von einem kleinen Schubs mit dem Finger hin und her. Leicht richtete er sich auf.
Ich begann zu riechen. Es roch nach Holz, Leder und Menschen. Leicht nach Parfum, leicht nach Schweiß, vielleicht war es auch meiner, und stark nach Angst, meiner Angst.
Aus der Ferne hörte ich leise Stimmen, verschwommen und unterdrückt. An den Rändern meiner Maske sah ich flackerndes Licht.
Langsam bewegte ich die Arme hinter meinem Rücken, die Fesseln an den Händen fühlten sich dabei für mich sicher an. Sie hielten mich fest und zusammen. Auch wenn sie mir die Hände nahmen.
Solange ich gebunden war, solange hatte ich Sicherheit. Denn SIE war noch bei mir. Nur sie sollte mich losbinden dürfen, nur sie sollte mich weitergeben. Und ich vertraute ihr, ihrer Hand, die sich nun auf meine Wangen legte.
Ich spürte die Luftbewegung schon kurz vor der Berührung und sog den sicheren Geruch ihrer Haut auf. Sie streichelte meine Wange und berührte mit der anderen Hand meine Brust. Dabei stellte sie ihr Bein zwischen meine. Ich stöhnte wieder und die Geräusche im Hintergrund stöhnten mit.
Einer ihrer Finger strich an meinen Lippen entlang, ein Kitzeln ließ meinen ganzen Körper zusammenzucken. Ein Zug an den Brustwarzen befahl mir, das Zucken sein zu lassen. Zwang mich, wieder Form anzunehmen.
Langsam und mit einem lauten Rascheln nahm sie mir eine Seite des Gehörschutzes, wie Bauarbeiter ihn tragen, ab, sodass ich die Reaktionen der Stimmen nach und nach deutlich erkennen konnte. Der ganze Kopfhörer fiel. Er knallte auf den Boden. Das Publikum verstummte mit mir. Es lauschte, weil es hören wollte, was ich tat, weil sie etwas mit mir tat.
Ich hörte, wie ich schneller atmete, nahm den Schlag meines eigenen Herzens in den Ohren wahr und hörte auch erneut den Zug am Seil.
Das Publikum atmete mit mir und ich glaubte zu hören, wie sich einige küssten und streichelten. Der Duft der Menschen war atemberaubend und intensiv, je näher mich der Zug am Seil an sie heranführte.
Das Klatschen meiner Füße hörte ich, die Bewegungen am Oberschenkel spürte ich und die Menge roch ich.
Der Zug am Seil stoppte. Das Küssen hörte auf, das Streicheln nicht. Ein feuchtes, ein kratziges und ein lautes Streicheln ließ sich hören. Von allen Richtungen. Die Menschen hatten Spaß mit mir.
Zwei Hände packten meine Schultern, drückten mich nach vorne, auf die Knie. Ich hatte Angst zu fallen, mich nicht abstützen zu können. Doch die zarten Hände hielten mich mit großer Kraft und Bestimmung. Die Knie fielen sanft auf etwas weiches, ein Kissen, ein Fell vielleicht. Und ich fiel mit.
Das Publikum auch. Es beugte sich nach vorne, kam mir näher. Ich merkte es am Geruch und an dem Atem, der lauter wurde. Auch das Streicheln änderte sich.
Da spürte ich ihre Lippen an meinen Ohren. Sanft flüsterte sie: "Viel Spaß."
Und legte das Seil neben mich hin.
Die Maske fiel von meinem Gesicht und ich begann langsam zu sehen.