Airport
Am folgenden Tag stand ich in meiner Ankleide und wählte mein Outfit für das Treffen mit Elly bewusst in der gleichen Art, wie ich sie zu unserer ersten Session empfangen hatte. Das Erkennen meines schwarzen Anzugs, der halbhohen Schuhe und der dunkelroten Krawatte auf weissem Hemd würden gewiss Emotionen wecken. Es musste mir gelingen, sie wieder einzufangen - sie, meine Sub, die ich geliebt hatte wie niemanden zuvor. Und es noch immer tat. Aber weder der Anruf gestern, noch ihr langes Schweigen waren wirklich eine gute Basis dafür. Für mich war es darum auch sonnenklar, dass ich alle Register ziehen musste und hatte schon einen Plan dafür. Nachdem ich meinen Lederkoffer auf die Sitzbank meines Wagens gestellt hatte, fuhr ich los.
Am Flughafen angekommen, parkte ich mein Auto auf der obersten Ebene des Parkhauses. Dort hatte es genug freien Raum, einen passenden Platz auszuwählen. Ich entstieg meinem Wagen und begab ich zur Ankunft des Terminal 1.
Reisende aus aller Welt traten durch die geöffnete Schiebetüre aus dem Zollbereich und wurden von ihren Angehörigen freudig begrüsst, umarmt und geküsst.
Wie würden Elly und ich uns eigentlich begrüssen?
Einige der Anwesenden hatten Geschenke dabei, andere Ballone in Herzform. Auch ich hatte auch etwas dabei - ein untrügliches Zeichen meiner Absicht. Für Elly sollte es erkennbar sein, aber für niemanden um uns herum: Die Leine.
Ich musterte die Ankömmlinge intensiv, fast wie auf der Rolltreppe im Modehaus. Teilweise schauten sie irritiert zu mir zurück, aber beachteten mich meist nicht länger. Nur jemand tat es nicht: Elly.
Da war sie endlich! Einen schwarzen Regenmantel trug sie, und kniehohe Lackstiefel. Ihre Haare hatte sie zu einem offenen Zopf zusammengebunden, unter einem modischen Hut. Unweigerlich erinnerte mich der Anblick an Valeska. War es ihre Absicht? Unter ihrer Nase ein scheues Lächeln, als sie mich erblickte. Sie nahm Kurs auf mich, erkannte aber gleich, was ich in meiner Hand hielt. Sie blieb so überraschend stehen, dass ein hinter ihr gehender Passagier sie versehentlich anrempelte. Er entschuldigte sich wortreich in einer Sprache, die ich nicht zu erkennen vermochte, und war gleich darauf wieder schnell in der Menge verschwunden.
«Na, Elly, hast Du die Situation nicht unter Kontrolle?» begrüsste ich sie und gab ihr Küsschen auf die Wangen, als sie vor mir stand. «Sie, Dom G. ja auch nicht – sonst wäre es ja nicht erforderlich, dass Sie eine Leine mitführen» konterte sie. «Das hat einzig und allein mit mangelndem Gehorsam zu tun, der es mitunter erforderlich macht, zu gewissen Mitteln zu greifen». Elly sah mich beleidigt an. Als wäre sie enttäuscht, dass ich ihr wohlwollendes Siezen damit ignorierte. «Komm, lass uns in Ruhe sprechen und in die First Class Lounge gehen», lud ich sie ein. Schweigend folgte sie mir.
Als bekannter Vielflieger hatte ich unseren Besuch an der Rezeption bereits angekündigt. Eine der Empfangsdamen führte uns umgehend zu einem Tisch in einer ruhigen Ecke. Dort stand ein hölzerner Stuhl bereit, den Elly sofort erkannte: Es war unser Stuhl aus dem Industriegebäude und dem Schwimmbad. Mit einer eleganten Armbewegung bedeutete ich ihr, dass sie sich daraufsetzen solle. Sie atmete schwer, folgte aber – auch wenn ich ihr ansah, dass ihr nicht ganz wohl war dabei. Ich entschied mich für die gegenüberliegende, gepolsterte Bank an der Wand. Der Herr sollte es stets bequem haben, fand ich.
Wenig später wurden wie von mir geordert Häppchen und ein Glas italienischer Rotwein serviert. Ein Wein aus Eichenfässern. Ob Elly auch diese Anspielung bemerkte? Ich konnte es in ihrer Mimik nicht richtig erkennen.
Unser Gespräch begann belanglos. Sie war von einer Geschäftsreise zurückgekehrt, denn sie hatte inzwischen wieder angefangen, Teilzeit zu arbeiten. Die Tätigkeit habe ihr geholfen, den geordneten Alltag zurück zu finden, der durch unsere Sessions zerzaust worden war. «Aber,» so fragte ich, «war das nicht der Alltag, aus welchem Du entfliehen wolltest?» Elly nickte langsam, kaum sichtbar.
Ich holte eine Bibel mit Buchzeichen aus meiner Tasche, legte sie auf den Tisch und provozierte sie mit einem ironischen Unterton: «So ganz nach der Bibel wirst Du wohl ja kaum gelebt haben!?» Elly öffnete den Mund, um die Bibel zu kommentieren, hielt aber inne, als sie die Doppeldeutigkeit meiner Aussage erkannt hatte. Die Heilige Schrift, verbunden mit der Erinnerung an unsere Session in der Kapelle.
Sie rutschte auf der Sitzfläche hin und her. Dann fuhr sie, ohne meine Frage wirklich zu beantworten, fort: «Es wäre nicht denkbar gewesen, wieder in den Alltag wie vorher zurückzukehren, mit viel Zeit für Gedanken an das, was war. Deshalb wählte ich einen anderen Alltag. Einen, indem ich meinen alten Beruf wieder aufnehmen und mich mit Arbeit zuschütten konnte. Und in welchem ich genug abgelenkt war, um in der übrigen Zeit voll im Familienleben aufzugehen.»
«Elly, ich verstehe zwar nur im Ansatz, warum Du auf unsere Sessions verzichten wolltest. Aber ich bin sicher, dass Du nicht gänzlich ohne Erotik ausgekommen bist!» insistierte ich. Elly hatte inzwischen genug Zeit gehabt, eine Entgegnung vorzubereiten: «Sie wissen, dass das Stochern in der Vergangenheit gerne in einem Desaster endet. Wenden wir uns besser dem zu, was sein wird!» Sie nährte meine Hoffnung, dass mein Plan aufgehen würde. Und sie tat dies bestimmt bewusst, um dem Kern meiner Frage auszuweichen, mich davon abzulenken. Ganz gewähren liess ich sie jedoch nicht: «Es scheint, als sei nicht nur die Leine erforderlich, sondern auch eine Züchtigung.»
Sie schaute zu Boden. Sah ich ein Lächeln über ihr Gesicht huschen?
«Dass ich nun wieder berufstätig bin, macht meine zeitliche Verfügbarkeit zwar nicht besser. Aber da ich verhindern will, dass Sie in die Klapse kommen vor lauter unerfülltem Sadismus, oder am Ende über ein unschuldiges Mädchen vom Lande oder gar eine verheiratete Frau herfallen, können wir in Betracht ziehen, uns ab und an wieder zu sehen.» Sie lächelte wie ein Engel und blickte mit ihren dunklen Augen direkt in mich hinein.
Touché.
Die personifizierte Frechheit war sie, dieses Miststück, mit einem Arsenal an Anspielungen. Und doch so unwiderstehlich. Diese Mischung aus Groll und Lust, sie liess mich beinahe hastig aufstehen. Ellys gewinnender Gesichtsausdruck hätte mich fast vergessen lassen, dass wir uns an einem öffentlichen Ort befanden. Meine Contenance drohte, verloren zu gehen. Aber mein Plan war zu ausgefeilt, um ihn jetzt zu gefährden, also beherrschte ich mich.
Ich zog sie mit einem heftigen Ruck vom Stuhl hoch und dirigierte sie aus der Lounge hinaus. Sie stolperte beinahe beim Tempo, das ich an den Tag legte. Überrumpelt und beschäftigt, ihre Aktentasche nicht zu verlieren, zerrte ich sie am Arm den ganzen Weg hinter mir her, zum Parkhaus-Aufzug. Kaum war die Kabine geschlossen, umfasste ich ihren Brustkorb fest. Dann stand ich Dich an sie heran. Sie atmete meinen Duft und auf einmal wurde sie weich wie Wachs. Ich küsste sie. Wie hatte ich ihre Küsse vermisst! Zärtlich war das Werben von Ellys Zunge, sanft und dann wieder wild mein Besitzergreifen. Ich biss ihr auf die Unterlippe, sie schloss ihre Augen. Sie war wieder angekommen, mit ihrem Körper in Aufruhr, spürbar pulsierend.
Als wir das oberste Parkdeck erreicht hatten, verliessen wir den Lift und blieben auf dem Vorplatz stehen. Aus der Innentasche meines Sakkos entnahm ich ihre Ersatz-Halsfessel - erkennbar als diejenige aus Venedig.
Elly schluckte. Jetzt wirkte sie auf einmal ängstlich, zerbrechlich... und innerlich zerrissen. Die Abfolge der Erinnerungen, die ich in ihr hervorrief, war zweifellos die emotional härteste Tour, die zur Auswahl gestanden hatte. Aber ich musste ihr vor Augen führen, dass es kein Entkommen gab. Als hätte ich ihre Gedanken gelesen, liess ich sie wissen: «Elly, es gibt keine halben Sachen in meinem Leben. Es gibt nur das Ja oder das Nein. Das Nein ist für Dich keine Option, das weisst Du haargenau. Das, was wir zwei haben, ist zu wertvoll, um es in Scherben liegen zu sehen.»
Sie atmete tief, blickte eine lange Minute lang zu Boden. Als müsste sie den wichtigsten Entscheid ihres Lebens treffen. Ich blieb still – die Zeit, sich richtig zu entscheiden, sollte sie haben – auch wenn das Ergebnis ausser Frage stand. Dann blickte sie auf, schaute mich an und strahlte wieder dieses Begehren aus, welches ich so sehr an ihr liebte.
Ich nahm sie nahe an mich heran, küsste sie nochmals und begann gleichzeitig, ihr die Halsfessel anzulegen. Kurz darauf folgte der Klick des Karabinerhakens meiner Leine. Sie wehrte sich nicht. So zog ich sie hinter mir zu meinem Wagen, dessen Kofferraum ich von weitem mit der Fernbedienung öffnete. Er war leer, bis auf eine Augenbinde und ein paar Pumps. Und ja, auch das erkannte sie sofort: Es waren die Pumps aus dem Wald, die ich damals doch noch geholt und bei mir verwahrt hatte. «Wir sind da!» kommentierte ich unsere Ankunft und öffnete den Karabinerhaken der Leine.
Elly war fassungslos. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Sie öffnete ihren Mantel, streifte ihn ab und legte ihn in den Kofferraum. Ihren Hut positionierte sie daneben. Dann, weiter schweigend, öffnete sie ihren Rock und liess ihn ihren wunderbaren Beinen entlang zu Boden gleiten. Sie trug einen Tanga, doch wirklich übel nahm ich es ihr in diesem Moment nicht. Was heute auf sie warten würde, davon konnte sie vorher schlicht keine Idee gehabt haben.
Dann bückte sie sich in den Kofferraum hinein, stützte dabei ihre Hände auf dessen Ladefläche, neben die beiden Pumps. Dann spreizte sie ihre die Beine etwas weiter auseinander und drehte ihren Kopf kurz zu mir. Sie hatte Tränen in ihren Augen. Waren es Tränen der Freude? Der Überwältigung? Mit fester, klarer Stimme konstatierte sie: «Ich glaube, es ist mein Part, an dieser Stelle der Geschichte zu sagen: Bitte bestrafen Sie mich, mein Herr. Die davongelaufene Sub hat es verdient».
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Fortsetzung am Montag