Versöhnung
Wir liegen engumschlungen im Bett. Er, immer noch halb angezogen, zeichnet kleine Kreise auf meiner nackten Haut. Es ist Zeit für mich auf zu brechen.
„Ich muss langsam gehen. In ein paar Stunden beginnt mein Frühdienst. Möchtest du meine Telefon Nummer?“
„Nicht nötig, Lara.“ Er streichelt mir eine Strähne aus meinem Gesicht. „Ich werde dich finden.“
Versöhnung
Der Frühdienst wird die Hölle. Völlig erschöpft von dieser Nacht und dezent verkatert, trete ich tapfer und pünktlich um 6.00 meinen Dienst im Übergabe Zimmer an.
„Wie schaust du denn aus?“ frägt mich Alwina vom Nachtdienst.
„Schonmal versucht Sonntag Frühdienst weg zu tauschen?“ grummel ich in meinen starken Kaffee rein.
„Du gehst etwa aus? Hast du wen kennengelernt?“ die sanftmütige Erika wünscht mir schon so lange wieder einen Freund. Ich antworte mit einem müden Lächeln.
„Baby!!!! Du hast noch Glitter im Gesicht!!! Komma her ich mach dir das weg…“krakeelt Uwe. Er spuckt beherzt wie eine Mutti in ein Taschentuch. Ich verzieh mein Gesicht, als er mich damit abrubbelt.
Vor wenigen Stunden noch in einem noblen Hotelzimmer im Bayrischen Hof, sitze ich jetzt hier im kargen Übergabezimmer, umgeben von neugierigen Kollegen die mich über letzte Nacht ausquetschen. Weil die Spülmaschine mal wieder vergessen wurde anzuschalten, trinke ich große Schlucke Wasser aus einer Schnabeltasse. Vor wenigen Stunden noch, Gin Tonic zu Füßen von Adrian.
Völlig neben mir stehend sehe ich gerade zu, dass sich meine völlig unterschiedlichen Lebenswelten, wie zwei Kontinente aneinander vorbei schieben.
Die erste Stunde auf Station, hangele mich mit hämmernden Kopfschmerzen von einem Bewohnerzimmer zum nächsten. Jeder freut sich mich zu sehen und Frau Iberle tätschelt sanft meine Wange als ich sie in ihren Rollstuhl umgesetzt habe. Es tut so gut.
Als alle Heimbewohner ihr Frühstück bekommen haben, setzt die Kollegin Katja noch einen drauf. Sie hat sich mal wieder kurzfristig krankgemeldet. Das heißt, sie kann heute nicht zum Spätdienst kommen.
Meine Wut darüber kommt gar nicht erst hoch, so müde bin ich. Ich organisiere den Dienstplan. Sonntags einen spontanen Ersatz zu finden kann ich von vornherein vergessen. Meinen Frühdienst wandle ich einen 6.00 – 16.00 Tagdienst um, und Kollege Herbert kommt – wie so oft – früher als geplant. Er ist einfach ein Engel.
Endlich tickt die Uhr Richtung Feierabend und mein Magen tauscht die Übelkeit gegen ein Hungergefühl ein. Ich wasche noch zwei Heimbewohner und um 16.30 schleppe ich mich zur S-Bahn. Was für eine Nacht und was für ein Dienst. Wenn es kommt, dann immer gleich knüppeldicke.
Hungrig wie ein Bär rufe ich Laila an, die ohnehin schon 5 mal angeklingelt hatte. Sie ist gerade aufgestanden, flötet sie mir ins Ohr. „Wie wars denn mit diesem A d r i a n???“
„Hast du Lust noch schnell beim Portugiesen was Essen zu gehen? Dann kann ich dir alles in Ruhe erzählen.“
„Da fahr ich ja eine Stunde durch die Stadt, bis ich da bin. Ab nach Hause! Du musst ins Bett! Jetzt erzähl doch mal!“
„Also gut….“ Ich erzähle ihr die Kurzfassung. Eine einfache Bettgeschichte dichte ich ihr zusammen. Die Details mit seiner Schuh Vorliebe lasse ich weg. Geht ja keinen was an.
Am Ostbahnhof steige ich aus. Nachdem ich mein Make up am Spiegel eines Fotoautomaten gerichtet habe, gehe ich in Richtung Orleansplatz und ein paar Minuten später betrete ich die Lisboa Bar, früher mein zweites Wohnzimmer. Es ist so angenehm, die vertrauten, schwermütigen Klänge des „Fado“ zu hören und um mich herum das klirrende Geschirr, die lachenden Leute und dass Rauschen der Kaffeemaschine.
„Um galao por favor.” bestelle ich mit einem Lächeln an der Bar. Ich setze mich direkt hinter die große beschützende Säule, mir ist nicht nach reden zumute. Ich muss sehr gründlich nachdenken. Adrian hat mir den Kopf verdreht und ich frage mich ob ich mich von seiner Prominenz habe blenden lassen, oder ob es er selber ist. Dann noch dieser fast unheimliche Satz am Ende…”ich werde dich finden.”
Als mir der Barkeeper mein Heißgetränk reicht, werde ich aus meinen Gedanken gerissen.
Der Kaffee duftet und tut mir gut. Die Kellnerin, so hübsch wie Pocahontas, serviert mir kurz darauf mein Essen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen als mir der köstliche Duft der in Knoblauch Öl gebratenen Gambas in die Nase steigt. Ich tauche mein Brot ein und nasche gleichzeitig iberischen Käse von meinem Tapas Teller. In kürzester Zeit ist alles weggeputzt.
Satt und hoch zufrieden über meinen Entschluss doch noch hier her zu kommen, möchte ich aufbrechen, aber meine Beine sind zu schwer. Ich könnte sofort auf der Bar einschlafen.
Da tippt mich jemand von hinten an die Schulter und fährt sogleich mit dem Finger meine Wirbelsäule abwärts und streichelt mich sanft wieder aufwärts. Für einen Moment schließe ich die Augen.
Mein Rücken…
So ziemlich jede Frau hat mindestens eine erogene Zone abseits ihrer Vagina oder Brüste. Bei manchen sind es die Schenkelinnenseiten, der Hals, das Ohrläppchen oder die Kopfhaut. Bei mir ist der Rücken ein einziger Lustpunkt. Praktisch, denn einfach nicht zu verfehlen.
Ich werde weich wie Butter in der Sonne, die Erregung entblättert spürbar meine Schamlippen, und ich spüre meine Gänsehaut. Ich will gar nicht wissen wer jetzt gerade meinen Rücken streichelt, so sehr genieße ich nach diesem anstrengenden Tag diese sanften Berührungen. Wer auch immer das sein mag, er oder sie scheint mich bestens zu kennen.
“Na, Kleines? Sind wir noch Freunde?” raunt mir eine bekannte Männerstimme ins Ohr.
Mike.
Verdammt! Ich wollte noch unbedingt sagen wie wütend ich auf ihn bin. Dann würde ich ihn ganz demonstrativ ignorieren, seine Nummer löschen. Jawohl löschen und blockieren!
Stattdessen lehne ich mich an seiner Schulter und nicke müde.
Dass hat mir gerade noch gefehlt.
“Laila hat mich angerufen. Du könntest ein Taxi gebrauchen. Komm ich fahr dich nach Hause.” Keine 10 Pferde hätten mich dazu gebracht nochmals zu ihm ins Auto zu steigen. Aber in meiner jetzigen Verfassung schleiche ich Mike in ergebener Dankbarkeit für den Taxiservice hinterher.
Als Mike den Motor startet, zündet sich er sich erstmal eine Zigarette an. Mir wird schlecht, ich öffne das Fenster. Ungeachtet dessen fängt er an mir zu erzählen wie leid ihm sein Verhalten tut. Er hat echt übertrieben. Fand es spannend wie ich und Laila… da wollte er nur… hat es nicht böse gemeint….war echt dumm von ihm….usw.
“Ja ja … alles gut.” antworte ich müde. Wir sind schon fast da, da fallen mir die Augen zu. Als er die Beifahrer Tür öffnet, falle ich fast raus.
Mike möchte zu mir in die Wohnung, ich widerspreche ihm nur schwach, da schiebt er mich auch schon ins Badezimmer. Ich brauch dringend eine Dusche. Als ich in der Badewanne sitze und das Wasser an mir herunter prasselt, höre ich wie er meine Spülmaschine einräumt.
Meine Gedanken kreisen immer noch um Adrian. Er hat mein Vertrauen gewonnen, durch seine Höflichkeit, die Art wie er sich um mich sorgte, die Offenheit und seinen speziellen Humor. Dann, plötzlich der Klaps auf den Hintern, diese überraschende Wendung um sein Verlangen. Die direkte Art wie er mir unmissverständlich zeigte, dass er scharf ist auf mich.
Er hat sehr viele Anker in mir gesetzt. Ich muss erstmal darüber weg kommen. Sicher wird er mich nicht suchen. Ich arbeite in der Pflege und nicht in der Medienbranche.
Die Stiefel von gestern Nacht werden gehalten von Stiefelspanner und stehen noch stolz in mitten des Schlafzimmers. Ich beisse mir verwegen auf die Unterlippe und umfahre mit meinen Fingern das Leder. Ich seh noch eine Spur seines Spermas. Mein Geheimnis.
Definitiv war – bei aller Mühe die danach kam – die Entscheidung auf sein Zimmer zu gehen, die Richtige. Den ganzen Tag habe ich an Adrian gedacht, sein Duft war heute morgen noch auf meiner Haut und seine angenehme und selbstbewusste Stimme hallen in meinen Gedanken nach.
Ich leg mich ins Bett und höre wie aus der Ferne den Staubsauger. Offenbar putzt Mike auch noch meine Wohnung. Dann falle ich in einen tiefen Schlaf.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, staune ich nicht schlecht. Die Küche ist picobello und meine Sofakissen hat er auch noch geordnet. Fehlt nur noch der Handkantenschlag. Ich habe ihm nach der Autofahrt schon verziehen, aber scheinbar wollte er doch noch auf Nummer Sicher gehen.
Da entdecke ich einen Zettel auf meinen Tisch.
“Lara, ich hoffe dass zwischen uns wieder alles passt. Kommenden Samstag lade ich dich und Laila bei mir zum Essen ein. Kuss, Mike.”