Im Schloss - Teil 1
Cornelia und ich lernten uns unter gänzlich unerotischen Bedingungen kennen. Ich stand an der Kasse meines bevorzugten Lebensmitteldiscounters, kramte nach dem Portemonnaie, als in meinem Rücken eine weibliche Stimme meinte: „ Ihr Joghurt?“ In Beantwortung dieser Frage und angesichts zweier brauner Augen, die mich unter einem schwarzen Pony schelmisch anfunkelten, entwickelte sich ein längeres Gespräch. Gefolgt von häufigeren Treffen in der lokalen Gastronomie sowie einer gemeinsamen Erkenntnis: Sie, geschieden nach zehn Jahre Ehe, wollte „mal was ausprobieren“; ich, getrennt nach 15 Jahren, „mich nicht wieder sofort binden“.
An diesem Punkt begann der Sex.
Neuerdings bezeichnet man unsere Verbindung als „Freundschaft plus“, ein Begriff, der mittlerweile sogar zu Filmehren gekommen ist. Uns war es einerlei. Wir beide versicherten uns gegenseitig der eifersuchtsfreien „Unabhängigkeit“ und kamen anschließend nicht mehr aus dem Bett heraus.
Wobei es „im Bett“ nicht blieb. Wir vögelten im Park hinter der Bambusanlage, im FKK-Bereich am See, auf der noch warmen Motorhaube meines Sportwagens und einmal in der Umkleidekabine des Karstadt Sport. Zum Einsatz gelangten mobil getriebene Dildos, Analplugs, Vaginabälle, Wachs oder Eiswürfel, später Utensilien wie Peitsche, Paddler, Pinwheels, Tickler, Nippelklemmen, oder dieser entzückende Dildoflogger und die geile Spreizstange. Am Rahmen der Doppeltür zu meinem Wohnzimmer baumelten Handschellen, selbstverständlich abnehmbar, denn Montags kam die Putzfrau.
Es waren erregende Wochen und Monate zu zweit. Bis wir eines Tages entspannt nackt nebeneinander in meinem Bett lagen. Ihre langen schlanken Finger mit den schwarzlackierten Nägeln strichen zärtlich über meinen leicht erschlafften Schwanz. Sie sprach den entscheidenden Satz: „Was hälst Du eigentlich von Swingerclubs?“
Ganz cool.
Jetzt weiß natürlich jeder, der sich ein bisschen auskennt: Der Erstbesuch in einem Swingerclub ist kompliziert. Es drohen tausend Fragen, dazu kommt die Schwellenangst: Was geht dort ab, wen treffe ich, was soll ich anziehen? Im Kopf formen sich Schreckensbilder von stickigen Räumen, ausgekleidet mit Buche rustikal und gefüllt mit fleckigen Matratzen, darauf nackte dicke Männer und noch umfangreichere nackte Frauen. Cornelia war schlank, arbeitete als angestellte Rechtsanwältin (Insolvenzrecht), und deutete auf eine Clubwerbung, in der viel von „gemütlich“ und „gesellig“ die Rede ging: „Sowas meine ich nicht“. Wobei sich ihre entzückenden spitzen Brustwarzen hoben und senkten, was mich veranlasste an diesen Klammern anzubringen. Wir vergaßen das Thema für eine Weile.
Die Fantasie aber blieb und wir klickten uns durch das Internet. Besser ein Paar-Event als einer mit unendlichem Herren-Überschuss. Besser mehr Teilnehmer, dann fühlt man/frau sich nicht so ausgestellt. Besser weiter weg, dann kennt man uns nicht. Dazu: „Eyes Wide Shut“ – ist das nicht aufregend? Coole Männer im Smoking, bestrumpfte Damen auf Pumps, alle ausgestattet mit schwarzen Samtmasken, durch gotische Schloßgewölbe flanierend. Offensichtlich unter vollem Körpereinsatz recherchierende Investigativjournalistinnen raunten in „Stern“ von einer rauschhaften Nacht, deren Orgasmen offensichtlich bis in die Redaktionsstube nachwirkten.
Wir buchten.