Über "Regeln" (Joy-Rundgänge III)
Ungeübte Phallokraten betrachten den Joy Club als Zuhgehzone grenzenloser Libertinage, als einen Commonwealth an Gleichgesinnten, als Robinson Club orgasmischer Begegnungen, als Tauchbecken mit unbegrenzter Spermafüllung.
Jedoch erweist sich diese Erwartung schnell als naiv. Denn, bedenken Sie bitte: Wir sind Deutsche. Durcheinander ist bei den Anderen, bei uns wird gesittet gefickt. Insofern ist vor der Penetrationserfüllung ein umfangreiches Regelwerk zu beachten.
Diese regula erotica beginnt bereits bei Vorauswahl der Bewerber. In zahlreichen Paragraphen, gerne garniert mit Spiegelstrichen und lustigen roten Warnlaternen wird der potentielle Begatter oder die gleichermaßen hoffnungsfrohe Beischläferin darauf hingewiesen, dass man keinesfalls „Arroganz“ und „Niveaulosigkeit“ dulde, „unaufrichtigen Personen“ und „Egoisten“ umgehend die Tür gewiesen werde. „Mißachtung von anderen“, „Vorurteile“, „Rücksichtslosigkeit“ oder gar „Indiskretion“ führen zum sofortigen Abbruch der Beziehung.
Ein Münchner Paar verbittet sich Menschen „die nicht wissen, worüber sie reden“, eine Dame aus Bayern möchte lieber doch keine „plumpen Anmachsprüche“, ein Duett aus dem Saarland warnt dringend vor „unbehaglichem Schweigen“, ein Paar aus Süddeutschland verweigert proletarisch korrekt „Schickimicki“.
Alleinstehende Damen greifen zudem gerne zu einem praeceptum eroticum, zu studieren bitte unbedingt vor dem Anschreiben. Auf leichtfasslichen 4000 Zeichen werden Träger des y-Chromosomes darauf hingewiesen, dass die Dame keine zu kurzen, keine zu langen, keine zu plumpen, keine zu offensiven, keine zu vulgären, keine zu zeigefreudigen Bewerbungen wünscht. Kopfbild unbedingt, Phallus nein, und wenn der Delinquent doch bitte Single, Nichtraucher, treu, unter 40 Jahre, garantiert 180 cm plus und wohnhaft in kürzester Entfernung ist. Zudem gilt, dass es dem weibliche Subjekt der Begierde verwehrt ist zu antworten, da leider, leider viel zu viele Bewerber und zu wenig Zeit. Nachfassaktionen bitte vermeiden, Fehlverhalten wird mit unbedingter Sperre und einer Haftstrafe nicht unter drei Jahren geahndet.
Und überhaupt sucht frau doch lieber eine Frau.
Erfahrene JCler nutzen daher vor der Anschreibe eine leicht zu programmierte Exceltabelle, dazu ein einfach zu erstellendes Ampelsystem, um definitive Ausschlußkritierien (Phallusgröße unter 20 cm) a priori optisch zu identifizieren.
Formfehler können auch beim eigentlichen Date das orgasmische Erlebnis unerwartet beeinträchtigen. „Schickimicki“ vermeiden Sie, indem Sie den Porsche in der Garage lassen und stattdessen mit einem gemieteten VW Golf (sehr gut: Diesel) vorfahren. Dazu ersetzen Sie den Veuve Cliqot durch Rotkäppchen. „Unaufrichtigkeit“ beugen Sir vor, indem sie beweiskräftige Unterlagen – spermageschützt eingeschweißt in Plastikfolien - bei der Begrüßung unaufgefordert vorzeigen. Taufurkunde, Schulzeugnisse, Scheidungspapiere, bei anspruchsvollen Damen auch ein Kontoauszug, beschleunigen erheblich die Vertrauensbildung.
Sie dokumentieren „Vorurteilsfreiheit“, indem Sie Ihre Leidenschaft zu Donald Trump, Tayyip Erdogan, Verschwörungstheorien aller Art sowie karierte Socken nur offenbaren, wenn Ihr Gastgeber das auch getan hat. „Unbehagliches Schweigen“ kann durch leises Sekundenzählen vermieden werden. Ab Sekunde 20 verlangen Sie laut nach einem Wasser und bereichern damit innovativ die Konversation. Versiegt diese dagegen vollständig beim Akt selbst, greifen erfahrene JCler zu einem lauten Stöhnen, was die betreffende Hintergrundaktustik in Clubs erklärt.
Ansonsten: Adolph Freiherr von Knigge, „Über den Umgang mit Menschen“, ist bei amazon mittlerweile kostenlos beziehbar. Oder Sie wenden sich an ausgebildete Erotikberater.
Aber vielleicht vertrauen Sie auch einfach dem Gastgeber. Hat sich dieser auf seiner page nicht selbst als ausgesprochen „humorvoll“, „tolerant“, „aufgeschlossen“, „bodenständig“ vorgestellt?
Na dann.