Beendigung des Experiments - Küssen
Es hat sich herausgestellt, dass die Umsetzung dieses Experiments sehr schwierig war, aber nicht, weil ich immer wieder vergessen habe, die Gegenstände, die ich meinem Herrn reiche, zu küssen, sondern weil es schlicht und einfach an Gelegenheiten mangelte.
Unsere Beziehung scheint komplett anders zu funktionieren, als die von Kajira_A und Ihrem Herrn oder auch die von P und ihrem Herrn. Vielleicht liegt es daran, dass wir 28 Jahre lang eine ganz normale Stino-Ehe geführt haben oder aber wir ticken hier einfach anders. Aber Wolf lässt sich praktisch nicht bedienen und da er zudem derjenige ist, der bei uns kocht, weil er es einfach gerne tut und ich dann um ihn herumwusele und mir einfach alles nehme, was es zu säubern oder zu schnippeln gibt, gibt es nur wenige Anlässe, wo ich ihm etwas anreiche. Dabei habe ich das Experiment von mir aus schon auf zwei Tage ausgeweitet und sogar noch das heutige Frühstück hinzugekommen. Jetzt habe aber auch ich abgebrochen.
Vermutlich wäre es gut gewesen, die Aufgaben auf die jeweiligen Situationen anzupassen. Vielleicht wäre es Kajira_A leichter gefallen, hätte ich gesagt, sie möge nur dann den Mund offen halten, wenn ihr Herr zu gegen ist, aus Respekt vor seinen Rechten. Und in meinem Fall hätte man die Aufgabe nicht nur auf die Dinge beschränken müssen, die ich Wolf anreiche, sondern auch auf die, die ich entgegennehme.
Aber es ist mir dennoch möglich ein Resümee für mich zu ziehen. Ich komme zu einem ähnlichen Schluss wie Kajira_A mit der O-Regel. Diese Regel des Küssens bzw. dieses Ritual gibt mir als generelle Regelung nichts. Allerdings im Einzelfall schon. Warum?
Generelle Regel: Generelle Regeln in Form von Ritualen geben mir eigentlich nie besonders viel. Ich bin ein Alles-oder-Nichts-Mensch, d. h. eine Geste, die ich nicht jedes Mal auch mit 100% meines Seins füllen kann, erzeugt einen Bruch, weil sie in meinen Augen zu einer Banalität verkommt. Dabei reicht es völlig, wenn nur ein paar Prozent dieser Gesten ohne Inhalt sind. Es müssen unbedingt 100 % sein. Wenn ich nun dieses Küssen von Gegenständen nehme, was ja eine generelle Regel ist, dann WEIß ich einfach, dass ICH diese in Momenten, in denen ich unglaublich müde bin, wütend, schrecklich genervt, verletzt ... (also in extremen körperlichen, geistigen, emotionalen oder psychischen Lagen) nicht mit 100 % füllen könnte und würde. Ich würde sie dann machen, weil es sich halt so gehört, weil es meine Pflicht ist, aus Gewohnheit ..., aber sie hätten in diesem Moment nicht die Füllung, die sie eigentlich verdient hätte. Das würde sich aber sehr schnell für mich falsch anfühlen. Dies ist auch der Grund, warum ich grundsätzich Alltagsrituale mit Skepsis betrachte, sofern es kein expliziter Wunsch von Wolf ist, dass ich es ausführe. In solchen Fällen - was wir aber bis jetzt noch nicht hatten - würde dieser Wunsch dahinter stehen. Es wären in solchen Fällen bestimmt auch, da bin ich mir sicher, auch eine andere Art von Ritual als nun zum Beispiel dieses Küssen oder die Einnahme von Stellungen in Gegenwart der Herren wie auf dem Excés. Sie wären deutlich praktischerer Natur. Welcher Art genau? Keine Ahnung? Aber ich denke, Wolf würde sich da stärker an seinen Bedürfnissen orientieren, die sich aus dem Alltag heraus ergeben. Es wären dann auch vermutlich eher solche, die sich maximal ein- oder zweimal am Tag ergeben. Wie gesagt, grundsätzlich lässt er sich nicht bedienen oder zumindest kaum. Es ist ihm zu umständlich, mir diese Dinge zu überlassen und mir den Befehl zu geben, als es eben einmal schnell selbst zu machen. Ich bin ja schon froh, dass ich ihm mal zwischendurch einen Kaffee machen und bringen darf.
Geste Zwischendurch: Dies sieht ganz anders aus! Eine hübsche Geste für den besonderen Moment im Herzen. Eine Geste aus Liebe, im richtigen Moment gemacht, mit Innigkeit ausgeführt, erzeugt ein schönes und warmes Gefühl bei mir. Dies gilt auch für diese Küsse. Etwas, was von mir kommt, ohne generellen Befehl. Wir pflegen im Alltag eine Bitte-Danke-Kultur, d. h. wir sagen für Dinge, die der andere für einen tut "danke" und für Dinge, die wir getan haben möchten "bitte". Das hat sich auch durch unser DS nicht geändert und auch nicht dadurch, dass ich in der dienenden Funktion bin. Eine Geste wie das Küsschen auf einen Gegenstand, den ich Wolf anreiche, gibt mir nun die Möglichkeit, immer dann, wenn ich das Bedürfnis habe, dieses Bitte und Danke um meine Devotion anzureichern. Daher finde ich diese Geste als Moment-Geste wunderschön und werde sie irgendwie zwischendurch mit einbauen.
Ich glaube aber nicht, dass unsere Ergebnisse dieser Experimente darüber Auskunft geben, ob nun eine von uns mehr O oder mehr Kajira ist. Vielmehr sind sie Hinweise auf die unterschiedlichen Menschentypen und die real existierenden Beziehungen, in denen wir jeweils leben. Mit Kajira_a und auch P haben wir hier Menschen, die unglaublich viel Kraft aus Alltagsritualen und ihren jeweiligen Gesten ziehen. Sie sind ein Rahmen, ein Bezugspunkt, eine Basis, die sie Erden und ihnen gut tuen. Für sie ist es nicht schlimm, dass sie vielleicht das eine oder andere Mal nicht so gehaltvoll sind. Sie sehen die Summe der Gesten und betrachten es eher als Herausforderung, den Anteil an Gesten zu erhöhen, die mit Inhalt gefüllt sind. Es ist für sie eine permanente Aufgabe. Ich dagegen benötige diesen Halt nicht, bzw. ich hätte das Gefühl in Teilen etwas vorzugeben, was nicht ist. Es würde sich für mich wie eine Lüge anfühlen und das untergraben, was in mir ist. Ich benötige auch keine Rituale als Gerüst, im Gegenteil, ich habe dann das Gefühl des Eingesperrtseins und der Gängelung. Beides für mich negativ behaftete Gefühle. Auch die Beziehungen unterscheiden sich in ihrer Grundstruktur. Beide anderen Paare habe sich im DS-Kontext kennengelernt und haben von Beginn an auf dieser Basis ihre Beziehung aufgebaut und dies um das DS herum. Wolf und ich dagegen haben dies als ganz normale Stino-Beziehung, auf Augenhöhe und unter dem Pflichtenausgleich, d. h. jeder trägt ungefähr den gleichen Anteil zum Alltag und seinen Verpflichtungen bei. Das DS musste sich anpassen an eine real existierende und funktionierende Beziehung, während sich die Beziehung der beiden anderen Paare um das DS herum gebildet hat. Dazu kommt noch, das Wolf überhaupt kein "Erzieher" ist, sondern der, der abwartet. Das kommt mir mit meinem kleinen Autoritätsproblem entgegen, denn so kann ich ihm alles schenken und schenke ihm auch gerne mal mehr als ich das eigentlich sollte. Aber sind die Rahmenbedingungen und die Menschen so unterschiedlich, so können auch die Sichtweisen, Einstellungen, Meinungen, Bedürfnisse und das, woraus man etwas bezieht sehr unterschiedlich sein, ohne aber, dass sich die Devotion in ihrer Ausprägung oder auch grundsätzlichen Ausrichtung groß unterscheidet.
Denn für mich ist eins klar, Kajira, P genauso wie ich haben ihren Schwerpunkt im Dienen und nicht in erster Linie im Gehorsam. Wir alle gehorchen natürlich und mögen es auch zu gehorchen, aber wir wollen in erster Linie unseren Herrn dienen und sie glücklich machen. Wenn wir können, warten wir erst gar nicht irgendwelche Befehle ab, sondern tun es einfach und wir tun auch hier gerne mehr als von uns gefordert wird. Das Bedienen ist hierbei ein wichtiger Aspekt und eben nicht nur Pflichterfüllung. Es deckt ein Grundbedürfnis, weshalb manchmal Wolf von mir ja auch ein bisschen mimimi bekommt, weil er mir hierfür so wenig Gelegenheit gibt
Wolf einen Kaffee zu bereiten und ihn dann vor ihn hinzustellen (ggf. mit einem kleinen Küsschen auf die Tasse ^^) ist einfach wundervoll. Dass P und ich bei aller Unterschiedlichkeit in der Devotion grundsätzlich ähnlich ticken, weiß ich schon lange. Wir haben das einfach daran gemerkt, dass wir dem anderen nichts erklären müssen und der sofort weiß, worum es eigentlich geht, während man anderen immer langatmig erklären muss, was man gerade meint, warum man das meint und welche Auswirkungen das hat. Bei P muss ich einfach nur den Ball ins Feld werfen, sie fängt ihn bereits im Flug auf und wirft ihn mir zurück. Ich habe den Eindruck, dass das bei Kajira ähnlich ist. Für mich ist es daher völlig egal, ob sich eine von uns als O sieht oder als Kajira, denn im Grunde sind wir in unserer Devotion gleich, nur die Rahmenbedingungen und unsere Zugänge in die Welt des DS unterscheiden sich.
Ich habe einiges aus der O-Welt verinnerlicht, es gehört zu mir, weil ein Teil von mir dort geprägt wurde, bzw. ich den Raum für mein persönliches Wachstum erhielt. So finde ich es mitunter hilfreich, obwohl ich es nicht mehr unbedingt brauche, wie am Anfang, mir mal einen Tag lang die Regel des geöffneten Mundes vor Augen zu führen. Ich versuche dann einfach einmal einen ganzen Tag dies zu tun und mir dabei den Sinn hinter dieser Regel vor Augen zu führen. Es ist gerade das Abstrakte und gleichzeitig Konkrete dieser Regel bzw. Handlung, was mich meine Devotion spüren lässt. Aber auch diese Regel setze ich nur dann im Alltag um, wenn ich das Bedürfnis dazu habe und dadurch auch bereit für das Erlebnis und seine Eindrücke bin. Dann jedoch beziehe ich sehr viel daraus.
Ich finde, dass dies Experiment ausgesprochen interessant war, zum einen, weil ich wieder was gelernt habe, aber auch - wie Kajira_A schon sagte, weil wir uns als Menschen dadurch im Verständnis wieder ein kleines Stück näher hat kommen lassen.
Lieben Gruß
Shania