@**na
Ich denke wie bei allen Literatur-Motiven macht der Vampirismus die Moden der verschiedenen Epochen mit.
Ursprünglich war der Vampirismus als Untod aus meiner Sicht die Verführung und der Horror des zwar unendlichen, aber auch unnatürlichen, Lebens. Die Sexualität war vielmehr Erregung im Sinne von Aufregung, Schauder, Anziehung des Fremden, Gefährlichen (und als Monster auch Gewaltätigen). Der Biss in die Halsschlagader, das Blut, das Dahinsinken (wie im Tode), war für mich nicht allein Sexualtrieb, sondern auch Todestrieb.
In vielen heutigen Romanen, die es zum Bestseller schaffen, ist Vampirismus nicht viel mehr als ein verkaufsfördernder Lifestyle um mit bekannten Motiven noch bekanntere Geschichten aufzupeppen (Highschoolmädchen, gefangen zwischen dem tiefsinnig erscheinenden Nerdjungen und dem Quarterback// Landpomeranze gerät an distinguierten Langweiler mit Kontrollwahn, der leider einen total sexy Boss hat. :-P).
Meiner Meinung nach krankt der aktuelle Vampirismus-als-Lifestyle darunter, dass er Schritt für Schritt die Nachteile des monströsen Untods abschafft und nur das Hippe übrig lässt/verstärkt.
• Übermenschlich stark und schnell? bleibt
• übermenschliche Sinne (die sie aber nie behindern)? Check
• unsterblich? check
• je älter desto mächtiger? check
• sexuelle Granaten? check
• Menschen gefügig machen mit Blut, Geisteskontrolle? check
• können nur nachts raus? (nicht für Daywalker; bzw. blinken schön in der Sonne)
• ernähren sich von Menschenblut und fressen daher deine Nachbarn? (Tierblut geht auch; nur freiwillige Spender; nur künstliches Substrat)
• sind untot und daher auf Raumtemperatur (erfrischend kühle Haut und niemals eklig oder Plotrelevant nach dem ersten "huch bist du aber kühl")?
• sind auf unbestimmbare Art monströs anders? (sitzen mit in der High-School, bewohnen Reihenhäuser und betreiben Pubs, Bars und Konzerne, sind gegen Sex vor der Ehe, haben wahrscheinlich auch einen Bauspar-Vertrag)
• sind tot und pflanzen sich nicht fort (naja, mit Werwölfen und mit wahrer Liebe gehts doch)
Damit werden Vampire mehr und mehr zu einer Superhelden-Unterart, die halt dazu noch irgendwie mainstream-sexy sind.
Dazu passt natürlich auch, dass sie eine exotische Sexart praktizieren müssen. Wobei, wie erwähnt, in true blood eigentlich alle Beziehungsmuster von Menschen auch von Vampiren gelebt werden, inklusive vanilla-sex-monogamie-mit-Tieren... also Essen... also Menschen halt.
Ich bin gespannt, wie dir die Serie ab Staffel 3 so gefällt. Ich war bei true blood immer hin und her gerissen zwischen "was für eine geile Paraphrase der wirklichen Welt und der Vampirschwemme, mit so vielen unterschiedlichen Entwürfen von Vampirismus... ich meine, der Vampir heißt... BILL
" und "ach je was für eine Idee, was für eine Trashserie!"
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Wenn du einen originellen Vampircharakter erstellen willst, hast du meiner Meinung nach drei Möglichkeiten:
1) Du vertiefst dich in die Gedankenwelt einer untergegangenen Hochkultur und schreibst ein Relikt dieser Kulturi n der heutigen Zeit im Widerstreit mit der (Post-) Moderne. Insbesondere Chinesische oder afrikanische Vampire sind in Europa-Settings bisher selten, denke ich.
2) Du überlegst dir, was es bedeutet als jemand, der unsterblich wird, in einer Gesellschaft zu leben, die den Tod soweit an den Rand drängt, dass sie selbst den Vampiren das Monströse nimmt und sie zu einem diesseitigen Sehnsuchtsort werden?
3) Dein Vampirismus kehrt zu den Ursprüngen zurück und ist wieder monströs und zerstörerisch und entfaltet seine sexuelle Energie durch den Todestrieb in uns... dieser wahnwitzige Kick den erotischsten Moment des Lebens zu haben und danach zu sterben. Wie reagieren die Menschen darauf? Hätten die Taliban recht, dürfte sich niemand für dieses Erlebnis melden, denn sie meinten ja "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod!"
Was aber, wenn sich dein Vampir vor Angeboten über das Internet nicht retten kann?
gruß
Brynjar